25. Juli 2003

Festrede des oberösterreichischen Landeshauptmannes

Nach ihrem kriegsbedingten Heimatverlust haben sich die Siebenbürger Sachsen mit Anbeginn der ersten Stunde ihrer Existenzgründung in Oberösterreich kraft Arbeit und Fleiß heute "quer durch die Bevölkerung große Wertschätzung als Bürger und vor allem als Mitmenschen" verdient, erklärte der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (ÖVP) am 20. Juli vor rund 500 Festteilnehmern auf dem Stadtplatz in Vöcklabruck anlässlich der 50-jährigen Jubiläumsfeier der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich. Die Rede des Ehrenmitglieds der Landsmannschaft wird im Wortlaut wiedergegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass ich als oberösterreichischer Landeshauptmann Ihnen zum 50. Geburtstag der oberösterreichischen Landsmannschaft die allerherzlichsten Glückwünsche des Landes Oberösterreich überbringen darf und zugleich dir, lieber Freund Fritz Frank, den Dank zurückerstatten darf, den du an das Land Oberösterreich und seine Bürger in deiner Festrede abgestattet hast.
Festredner Dr. Josef Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich; links: Hans Waretzi; rechts: Dr. Fritz Frank. Foto: Christian Schoger
Festredner Dr. Josef Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich; links: Hans Waretzi; rechts: Dr. Fritz Frank. Foto: Christian Schoger

Das vergangene Jahrhundert brachte auf der ganzen Welt große und größte Veränderungen, besonders auch bei uns in Europa und in Österreich. Die alten Reiche und Monarchien verschwanden, übersteigerter Nationalismus und menschenverachtende Ideologien versprachen Glück und Heil und brachten genau das Gegenteil. Zwei blutige Weltkriege endeten mit Entrechtung, Zerstörung, Leid und Verlust der Heimat. Das ist die Erkenntnis, das ist die Wahrheit der Geschichte. Und Sie, werte Siebenbürger Sachsen, sind von dieser historischen Wahrheit unmittelbar betroffen gewesen. Heute, am 50. Geburtstag der Landsmannschaft, blicken wir natürlich zurück auf die Geschichte. Ich bin da, um Ihnen nicht nur zum Geburtstag zu gratulieren, sondern vor allem Respekt und Hochachtung zu bekunden davor, wie Sie, Ihre Vorfahren, die zum Teil heute nicht mehr leben, auch die Älteren unter Ihnen, die diese Zeit noch erlebt haben, dieses Schicksal gemeistert haben.

Der Verlust der Heimat, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist wohl eines der härtesten Schicksale, das Menschen, eine Landsmannschaft treffen kann. Wir verneigen uns heute mit Respekt vor der Leistung der Siebenbürger. Vor fünfzig Jahren, es war die Zeit der Existenzgründung, haben Sie in der Stunde Null begonnen mit ein paar Habseligkeiten aus der alten Heimat, und Sie haben Gewaltiges erreicht. Der Herr Superintendent hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stunde des Empfangs nicht überall eine Stunde des Applauses gewesen ist. Man muss bedenken: Der 2. Weltkrieg war gerade zu Ende. Auch dieses Land war gezeichnet von Krieg und Nachkriegszeit, bitterer Not. Und ich möchte daher ganz bewusst in dieser Stunde mich sehr dankbar erweisen und Respekt bezeugen vor jenen Politikern, insbesondere den Bürgermeistern, von denen die Siebenbürger aufgenommen worden sind, Respekt auch vor meinem Vorgänger Dr. Heinrich Gleißner, der damals ein großes Bekenntnis zu den Heimatvertriebenen abgelegt hat und von der ersten Stunde an ein Freund der Heimatvertriebenen in Oberösterreich gewesen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren. In diesen 50 Jahren sind die Siebenbürger gute Oberösterreicher und Österreicher geworden. Ich möchte das mit großer Anerkennung heute sagen. Sie sind aber auch immer überzeugte und aufrechte Siebenbürger geblieben. Ich habe einmal scherzhaft in einer Rede gemeint, die Siebenbürger müssen ein besonders großes Herz haben, denn in ihm müssen zwei Heimaten Platz haben, Siebenbürgen und Österreich, Oberösterreich. Sie singen bis zum heutigen Tag mit Überzeugung Ihr Siebenbürgenlied ?Siebenbürgen, Land des Segens? und Sie singen mit gleicher Überzeugung die oberösterreichische Landeshymne und die österreichische Bundeshymne.

Mit Anstand, mit Charakter, mit ungeheurem Fleiß haben Sie eine große Leistung erbracht: beruflich der private Wiederaufbau der Existenzen; aber auch im öffentlichen und im kulturellen Leben unseres Landes haben Sie sich Stellenwert und Bedeutung erarbeitet. Heute ist die Stunde des Jubiläums und damit auch die Stunde des Dankes. Ich danke den Siebenbürgern für den beachtlichen Beitrag, den sie in den vierziger, fünfziger und Anfang der sechziger Jahre zum Wiederaufbau unseres Landes Oberösterreich geleistet haben.

Meine Damen und Herren, die Siebenbürger haben in unserem Land viel erreicht durch ihre Arbeit, ihren Fleiß und sie verdienen heute daher quer durch die Bevölkerung große Wertschätzung als Bürger und vor allem als Mitmenschen. Ich möchte mich auch bedanken, dass Sie mit Ihrer Kultur unsere Kultur bereichert, bunter und größer gemacht haben, dass Sie Kultur und Brauchtum in der zweiten Heimat nicht vergessen haben. Die Blasmusikkapellen, Jugendtanzgruppen, die Siebenbürger Museen, Trachtenpflege, die Siebenbürger Kultur ist ein wichtiger Beitrag zur oberösterreichischen Volkskultur geworden, für den wir heute dankbar sind. Und ich setze eine Bitte hinzu: Tragen Sie auch in Zukunft Ihre Trachten und pflegen Sie die Siebenbürger Kultur, denn das ist eine große Bereicherung für das kulturellen Leben in Oberösterreich.

Auf ein weiteres Qualitätszeichen möchte ich hinweisen: Siebenbürger stehen zusammen. Das war in der ersten Stunde der Existenzgründung, des Häuserbauens so, das ist auch heute so. Und die Nachbarschaften vergessen nicht jene Menschen, die in der alten Heimat sind. Gerade heute möchte ich auf die großen Sozialaktionen, die Hilfstransporte besonders hinweisen. Das ist nicht selbstverständlich nach so langer Zeit. Aber es zeigt sich eben: einmal Siebenbürger, immer Siebenbürger, und immer Verbundenheit auch mit der alten Heimat.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihr Ehrenmitglied zu sein. Ich möchte mich auch bei den Spitzen der Siebenbürger in Oberösterreich, bei dir, lieber Dr. Fritz Frank, und bei dir, lieber Hans Waretzi, stellvertretend für eure Arbeit herzlich bedanken, für die Arbeit in den Nachbarschaften, in der Landsmannschaft, für eure Sozialarbeit, für eure Kulturarbeit, die ihr für uns in Oberösterreich leistet.

Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, vor 50 Jahren als Notgemeinschaft gegründet, ist heute zu einer Kulturgemeinschaft geworden, die allzeit geschätzt und anerkannt ist. Sie ist eine Vermittlerin auch für kommende Generationen, Teil des geschichtlichen und kulturellen Gedächtnisses unseres Landes. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums entbiete ich allen Siebenbürgerinnen und Siebenbürgern meine allerherzlichsten Grüße, danke nochmals allen Funktionären und wünsche der Landsmannschaft eine gute Zukunft, eine gute Verbindung zur alten Heimat, ein gutes Leben in der neuen Heimat Oberösterreich und Gottes Segen für Sie alle!

(gedruckte Ausgabe_ Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2003, Seite 10)

Schlagwörter: Oberösterreich

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