2. April 2005

"Unser Weg von Siebenbürgen nach Österreich"

"Unser Weg von Siebenbürgen nach Österreich" - so lautete die Einladung zu einer Veranstaltung am 26. Februar im Museum der Heimatvertriebenen in Vöcklabruck. Präsentiert wurde der lange, beschwerliche Weg, der im September 1944 für viele Siebenbürger Sachsen aus Bistritz, Sächsisch-Regen und den umliegenden Gemeinden begonnen hatte.
Wer ihn verfolgen will, muss 1 000 km östlich im Karpatenbogen beginnen, die rumänisch-ungarische Grenze im Westen überschreiten, ganz Ungarn durchqueren und nach der österreichischen Grenze noch den Weg bis Vöcklabruck zurücklegen.

Die Bewohner von Maniersch hatten im Herbst 1944 nur eine Stunde Zeit zum Packen, bevor sie den Weg ins Ungewisse mit Pferdewagen und sogar vorgespannten Kühen antraten. Heute ist es kaum noch vorstellbar, welchen Strapazen die Menschen ausgesetzt waren, bei Wind und Regen, Fliegerangriffen, oft Tag und Nacht auf den vom Militär verstopften Straßen sich fortbewegen zu müssen. Vom 8. September bis zur Ankunft in Vöcklabruck am 20. Oktober 1944 spielten sich viele Tragödien ab und trotzdem ging es täglich mit neuer Hoffnung und Kraft weiter, um dem noch Schrecklicheren zu entkommen: dem Feind in die Hände zu fallen. In dieser Zeit wurden Kinder in Viehwaggons geboren, Tote am Weg zurückgelassen.

Nach der Begrüßung der Anwesenden durch Museumsobmann Dr. Alfred Oberwandling führte Mag. Horst Schuller in die Veranstaltung ein, indem er die Entwicklung in den Monaten vor der Flucht schilderte. Lesungen aus Zeitzeugenberichten vermittelten Eindrücke von dem tragischen Geschehen: Annemarie Graef: „Die Flucht aus Maniersch“; Mag. Inge Kimmel: „Die Flucht aus dem Reener Ländchen“; Rita Muerth: „Die Flucht aus Bistritz“; Mag. Ingrid Gunesch: „Anser Flucht“ (in Reimen in Bistritzer Mundart von Otto Gunesch). Was in den Jahren nach der Flucht mit den in Südsiebenbürgen zurückgebliebenen Sachsen geschah (Deportation der deutschen Frauen und Männer in Kohlenbergwerke nach Russland, Enteignung des gesamten Vermögens, Häuser, Grund und Boden), schilderte Mag. Klaus Wagner, der diese Zeit als Jugendlicher miterlebt hatte.

„Stumme Zeugen eines verschwundenen Volkes“ betitelte Mag. Horst Schuller eine Tonbildschau mit Aufnahmen aus Siebenbürgen, die von September 2004 stammten.

Es ist sicherlich schwer für die jüngere Generation, diese Ereignisse zu verstehen. Wer sie durchlitten hat, wird sie niemals vergessen. Wenn man heute nach 60 Jahren eine Reise nach Siebenbürgen unternimmt, verspürt noch einen Hauch der „Siebenbürgischen Elegie“ von Adolf Meschendörfer, die mit den Worten beginnt: „Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit.“ Wir danken allen, die diese Veranstaltung besucht haben, und denen, die uns geholfen haben, hier im Raum Vöcklabruck eine zweite Heimat zu finden.

Ilse Dienesch

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2005, Seite 8)

Schlagwörter: Nordsiebenbürgen, Flucht und Vertreibung

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.