28. Oktober 2010

Im Alten Rathaus zu Kronstadt tickt wieder eine mechanische Uhr

Mit einem Hilferuf in der Kronstädter Wochenschrift „Karpatenrundschau“ begann eine schöne Zusammenarbeit zwischen Kronstädtern und uns „Schwaben“, einer Uhrenwerkstatt in Schwäbisch Hall. Kronstadt begeht heuer sein 775. Jubiläum seit der ersten urkundlichen Erwähnung. Aus diesem Anlass sollte die Glocke von 1690 im Alten Rathaus repariert und gleichzeitig die desolate mechanische Turmuhr aus dem Jahr 1885 durch ein funktionierendes mechanisches Werk des gleichen Herstellers ersetzt werden. Ziel war es, für das Historische Museum im Alten Rathaus wieder eine „alte“ Uhr im Rathausturm zu installieren. Die außerordentliche Initiative war von Erfolg gekrönt: Der Marktplatz in der schönen Inneren Stadt hat nun eine „Rarität“ mehr zu bieten: eine funktionierende mechanische Turmuhr, Jahrgang 1890, des berühmten Turmuhrenbauers Johann Mannhardt aus München.
Das Projekt wurde von der evangelischen Honterusgemeinde und dem Kreisrat in Kronstadt initiiert und gefördert. Der Kreisrat gewährte finanzielle Unterstützung, die restlichen Mittel sollten durch Spenden gesammelt werden. Die Suche begann, und wie es der Zufall will, kennen sich Uhrenfreunde untereinander.

Dipl.-Ing. Francisc Incze, gebürtiger Kronstädter, heute in Obersulm bei Heilbronn lebend, las den Artikel und erinnerte sich, bei den Uhrenfreunden Christa und Klaus Keith eine Uhr dieses Typs gesehen zu haben. Schnell war der Kontakt hergestellt. Eine unserer Uhren, Fabrikat Mannhardt, bot sich für das Alte Rathaus in Kronstadt an. Bei der Installation wollten wir gerne helfen.

Unser Gesprächspartner in Kronstadt war Steffen Schlandt, Kantor der Schwarzen Kirche (Honterusgemeinde). Viele E-Mails gingen hin und her, bis ein Termin für den Einbau feststand. Die Reise mit dem Auto aus Schwäbisch Hall nach Rumänien war ein Abenteuer in ein uns fremdes Land.

Montag, den 13. September 2010, begann dann die Arbeit. Mit von der Partie im ehrenamtlichen Team waren Francisc Incze, Zoltan Boer (Betreuer der alten und der „neuen alten“ Uhr) sowie Klaus und Christa Keith. Das alte Werk wurde ausgebaut, das „neue“ musste zuerst wieder komplettiert werden, da zum Transport auf dem Turm die schweren Walzenräder teildemontiert worden waren. Mit den vorhandenen Ankerschrauben wurde das Werk im Gehäuse befestigt – das baugleiche Gestell machte diese Arbeit zum Vergnügen. Zwei Pendelfedern fixierten das ca. 2,4 Meter lange Pendel – eine geringe Kraft angelegt und die Uhr gab ein erstmaliges, aber schon sehr kräftiges Tick-Tack zu Gehör. Nun folgten die Umlenkrollen zur Führung der Stahlseile. Dies war die zeitintensivste Arbeit überhaupt.

Die meisten mechanischen Uhren aus den Jahren 1860 bis 1930 hatten eine Laufzeit von 28-30 Stunden und wurden demzufolge täglich aufgezogen. Dieser Rhythmus war logisch, weil auch täglich die Glocken geläutet werden mussten. Nur ist dieser Tageszyklus heutzutage nicht sehr komfortabel. Deshalb haben wir, im Flaschenzugprinzip, doppelte Umlenkrollen oben an den Balken wie auch am Gewicht installiert. Damit ergibt sich eine Laufzeit von etwas mehr als drei Tagen.
Uhrwerk fertig zum Probelauf. Foto: Christa Keith ...
Uhrwerk fertig zum Probelauf. Foto: Christa Keith
Die Arbeit in den oberen Stockwerken des Turmes gestaltete sich ebenfalls zu einem besonderen Erlebnis, da lebendige und tote Tauben sowie zentimeterdicker Taubenkot zu „überwinden“ waren. Nachdem auch die Seilzüge zu den Hämmern und die Umlenkhebel gereinigt und gängig gemacht worden waren, war der anfangs sehr verhaltene Glockenschlag wieder sehr deutlich zu hören. Zum Schluss mussten noch die vier Zeigerpaare auf die gleiche Zeit fixiert werden. Hier war Museumsfotografin Frau Teres mit dem Mobiltelefon auf dem Marktplatz der maßgebende „Taktgeber“.

Nach dreieinhalb Tagen Montageeinsatz bewegten sich alle vier Zeiger im Gleichschritt. Die Viertelstunden und die Stunden wurden ordnungsgemäß geschlagen, und der Marktplatz von Alt-Kronstadt hatte eine „Rarität“ mehr zu bieten: eine funktionierende mechanische Turmuhr, Jahrgang 1890, des berühmten Turmuhrenbauers Johann Mannhardt aus München. Mannhardt hat im 19. Jahrhundert übrigens vier Turmuhren nach Kronstadt geliefert, drei davon sind noch erhalten, aber nicht mehr in Funktion.

Kronstadt ist für die Erhaltung der alten Technik zu beglückwünschen, passt doch jetzt alles mit dem Historischen Museum zusammen. Für Zoltan Boer, Francisc Incze, Steffen Schlandt, Klaus und Christa Keith war die Montage der Turmuhr der Beginn einer neuen Freundschaft. Erfreulich wäre, wenn Zoltan Boer, der sich zukünftig um die Uhr kümmern wird, entsprechende Hilfestellung durch das Museum und die Stadtverwaltung Kronstadt erfahren würde.
„Alles hat geklappt“ - Im Alten Rathaus zu ...
„Alles hat geklappt“ - Im Alten Rathaus zu Kronstadt tickt wieder eine mechanische Uhr, von links: Francisc Incze, Christa Keith, Zoltan Boer und Klaus Keith. Foto: Ralf Sudrigian
Um die Wartung und Pflege der Uhr zu unterstützen, wird eine Fotodokumentation über das Projekt „Turmuhr im Alten Rathaus zu Kronstadt“ erstellt. Alle Stationen des Einbaus sind auf Bildern mit entsprechenden Erläuterungen festgehalten. Die Dokumentation ist für Uhrenfreunde und solche, die es werden wollen, sehr sehenswert. Vielleicht regt die DVD auch zum Sammeln alter Mechanik an? Gegen eine Spende an die Honterusgemeinde in Kronstadt senden wir Ihnen gerne die DVD zu. Bestellungen bitte per E-Mail an info[ät]uhrenwerkstatt-schwaebischhall.de.

Christa Keith, Schwäbisch Hall

Schlagwörter: Kronstadt

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