23. August 2013

Widerstand gegen Gassondierungen in Südsiebenbürgen

Die fragwürdige Technik, Gas aus Schiefergesteinsschichten mithilfe eines Gemisches aus Sand und Chemikalien zu fördern, allgemein bekannt als Fracking, wird neuerdings auch in Siebenbürgen ausprobiert. Seit Wochen sorgt die Firma Prospecțiuni SA des umstrittenen Geschäftsmanns Ovidiu Tender für Aufregung im nördlichen Kreis Hermannstadt (Sibiu). Grundbesitzer berichten von Hausfriedensbruch, Bestechungsversuchen und Prügel. Sie fürchten um die Schäden für Natur und siebenbürgisch-sächsische Kulturdenkmäler. Dr. Bernd Fabritius, Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen, hat in einem Schreiben an die Firma Prospecțiuni SA und den Auftraggeber ROMGAZ SA um Aufklärung bezüglich der Schutzmaßnahmen für siebenbürgisch-sächsische Kulturgüter gebeten. Im folgenden Artikel, der auch in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien veröffentlicht wird, analysiert Peter Knobloch die angespannte Lage in der Region.
Prospecțiuni führt im Auftrag von Romgaz Sondierungen zu Gasvorkommen in Südsiebenbürgen durch. Die Firma hat bislang vor allem in Orten nördlich und südlich der Nationalstraße DN 14, die von Schäßburg nach Mediasch führt, sondiert: in Meschen, Scharosch an der Kokel, Waldhütten, Elisabethstadt, Birthälm, Großkopisch, Reußdorf und Malmkrog.

Bei ihren Arbeiten muss die Firma viele Meter Kabeln verlegen. Biobauer Willy Schuster hat hunderte Meter davon auf seinen Feldern gefunden, entfernt und konfisziert.

Als Schuster Ende April gerade auf Reisen war, entdeckte sein Schwiegervater zum ersten Mal die orangenen Kabel. Seine Frau Lavinia machte sich auf die Suche nach den Verantwortlichen. Nach zwei Tagen gelang es ihr, Gheorghe Dăianu, den mit den Sondierungsarbeiten beauftragten Projektmanager der Firma, telefonisch zu erreichen. Dăianu beschwichtigte, gab sich diplomatisch und versprach, die Kabel einsammeln zu lassen. Schließlich wolle seine Firma den Bauern nicht an seiner Arbeiten hindern. Das Gegenteil passierte.
Die Firma Prospecțiuni verlegte wiederholt ...
Die Firma Prospecțiuni verlegte wiederholt orangene Kabel auf Willy Schusters Grundstück - gegen dessen ausdrücklichen Willen. Foto: Willy Schuster
Die Kabelfunde auf seinem Land häuften sich. Als Schusters Tochter mit ihrer Stute ausritt, stolperte das Pferd über die Kabel, wurde rasend und warf die junge Frau fast aus dem Sattel. Das reichte dem Landwirt: „Auf 350 Meter haben sie mir Kabel verlegt“, berichtete der Sohn eines sächsischen Vaters. „Überall, wo sie Kabel verlegt haben, waren die Kulturen zertrampelt. Dann habe ich die Kabel alle schön rausgezogen und gesammelt. Ich war noch nicht ganz unten im Hof, schon fuhren wieder Jeeps hoch auf mein Feld. Ohne zu fragen, durch meinen Eingang, sozusagen in meinen Garten.“

Wieder fand Schuster Kabel, und abermals konfiszierte er sie.

Ähnliches berichtet auch Christian Harfmann, der 14 Hektar Obstgarten bei Reußdorf besitzt. Nachdem der Österreicher ein Dutzend Prospecțiuni-Mitarbeiter von deinem Land schicken musste und ihnen verbat, es zu betreten, stellte Harfmann ein Schild auf: „Betreten des Landes verboten. Privatbesitz.“ Als er am nächsten Tag auf sein Land kam, stellte er überrascht fest, dass sein Verbot und seine Schilder ignoriert wurden und dass orangefarbene Kabel auf seinem Grundstück lagen. Harfmann zog die Stecker. Wenig später kam ein Pickup mit drei Männern auf sein Land. Er habe Angst gehabt, schildert der Tourismusunternehmer, weil „die so überfallsmäßig auf mein Land gekommen sind“. „Im Mut der Verzweiflung“ drohte Harfmann den Männern mit Polizei. Die drei stiegen aus, gingen auf ihn zu. Harfmann musste die Mahnung wiederholen, ehe die Prospecțiuni-Mitarbeiter schließlich sein Land verließen.

Darauf traten die Verantwortlichen von Prospecțiuni ihm stets höflich gegenüber, schildert Harfmann. Am Ende jedes Gespräches forderten sie ihn auf, einen Preis zu nennen. Doch den gab es nicht. Denn Harfmann wollte die Arbeiten auf seinem Grundstück nicht zulassen, solange er nicht wusste, was die Firma vorhat. Jetzt wird Projektmanager Dăianu gerufen. Nach kurzen Gesprächen schickte er Harfmann eine formlose E-Mail, ohne Briefkopf oder Firmendaten: ihm stünden 300 Lei Entschädigung zu, außerdem würde der vor Ort verantwortliche Mitarbeiter bestraft werden. Eine ähnliche Zusicherung erhielt auch Schuster.

Harfmann und Schuster sind nicht die einzigen Betroffenen. Was sich in Reußdorf und Meschen ereignete, trug sich so ähnlich auch in Großkopisch zu. Elias Jordan wurde nach eigenen Angaben sogar geschlagen (siehe YouTube). Von Arbeiten in Waldhütten hat Monica Popovici Fotos gemacht. Ein Geländewagen der Firma parkt direkt vor der Kirchenburg. Auf einem anderen ihrer Bildern ist direkt unter der Mauer die Birthälmer Kirchenburg eine Markierung der Sondierungsarbeiten zu sehen – auf einem mit Filzstift nummerierten Holzpflock flattert ein blaues Plastikbändchen. Die Bändchen hatte Willy Schuster bereits im März auf seinem Land entdeckt. „Und ich fing an, sie einzusammeln. Ich hatte schon damals ein schlechtes Gefühl: Es kann nicht sein, dass sie so unverschämt sind und auf allen Feldern herumlaufen.“ Der Bürgermeister von Birthälm sagt, er wisse nichts von den Arbeiten der Firma, niemand habe ihn gefragt, berichtet Willy Schuster.
Ein Geländewagen der Firma Prospecțiuni ...
Ein Geländewagen der Firma Prospecțiuni parkt direkt vor der Kirchenburg Waldhütten. Foto: Monica Popovici
Vielerorts trifft die Firma nun auf Widerstand. Mittlerweile haben sich Betroffene über einen Blog und eine Facebook-Seite organisiert, wo sie sich austauschen und informieren. Auf diesem Blog ist auch zu lesen, dass in Malmkrog eine Gruppe aufgebrachter Bürger gemeinsam täglich die illegal auf ihrem Land angebrachten Markierungen und Kabel der Firma entfernt.

Die Menschen fürchten um ihre Lebensgrundlage: die Landwirtschaft. Denn wie Schuster und Harfmann vermuten auch sie, dass Prospecțiuni nach Schiefergas sucht. Ein Direktor des Unternehmens, Marius Milea, gibt Entwarnung: „Schon in geologischer Hinsicht ist es nicht möglich, Schiefergase in Siebenbürgen zu finden.“ Dem widerspricht eine Aussage von Romgaz-Direktor Radu Gheorghe. Auf dem regionalen Energieforum für Mittel- und Osteuropa sagte Gheorghe im vergangenen Sommer: „Romgaz hat im Raum Siebenbürgen unkonventionelle Gase, einschließlich Schiefergas, entdeckt, das wir zu kommerziellen Zwecken fördern werden, wozu wir in der kommenden Zeit neue Techniken zur Erforschung und Förderung nutzen werden“ (siehe rumänische Publikation Capital). Auch auf der Homepage von Prospecțiuni ist in einem englischsprachigen Informationsblatt zu lesen: „Der Mergel und Schiefer aus der Miozän- (Badenium) bis Pliozän-Zeit bilden in Siebenbürgen ein anerkannten Felsreservoir an Kohlenwasserstoffen (Alle Gas, kein Öl)“.

Bedrohungen für Umwelt und Kulturerbe

Kurz: Es befinden sich Gase im Gestein. Um dieses Gas zu fördern, muss man das Gestein aufbrechen. Dazu setzen Bohrfirmen weltweit die umstrittene Technik des Hydraulic Frackturing ein, auch Fracking genannt. Dabei wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter Hochdruck bis zu mehrere tausend Meter in die Tiefe gepumpt. Diese Mischung soll die Schieferspalten weiten, sodass das Gas entweichen kann. Zu den eingesetzten Stoffen gehören auch krebserregende Benzole. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie ins Grundwasser gelangen. Davon zeugt auch der Dokumentarfilm „Gasland“, der 2008 in den USA gedreht wurde. In einem der Haushalte, den der Dokumentarfilmer Josh Fox besucht, war das Trinkwasser derart verseucht, dass er es direkt am Wasserhahn anzünden konnte (siehe Arte.tv). In Frankreich, im amerikanischen Bundesstaat New York und in Südafrika ist die Technik verboten.

Problematisch ist offensichtlich auch die Sondierungstechnik, die Prospecțiuni einsetzt. Sie misst die Gasvorkommen auf zweierlei Art: Eine Reihe von Spezial-LKWs löst mittels Vibrationsgeneratoren kontrolliert kleinere Erdbeben aus. Aus den seismografischen Messungen lässt sich dann schließen, wo sich unter der Erde Gase befinden. Bei der anderen Methode benutzt Prospecțiuni statt den LKWs Sprengstoff. Nach Angaben des Aktivisten Hans Hedrich zeigen die ihm von Prospecțiuni vorliegenden Dokumente, dass die Firma zwar Genehmigungen vom Frost-, Wasser, Innen- und Umweltamt des Kreises für Arbeiten mit den Vibratoren hat, nicht aber für eine Sondierung mittels Sprengstoff. Dem widerspricht Firmendirektor Milea: "Prospecțiuni verfügt über alle notwendigen Genehmigungen.“ Auch sei der Firma bescheinigt worden, Sprengungen würden die Umwelt Natur nicht beeinträchtigen.

Ob durch Sprengstoff oder Vibrationsgeneratoren ausgelöst, Erdbeben schaden den siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und anderen historischen Gebäuden. So viel ist sicher.

Peter Knobloch



Der Autor ist Redakteur des Instituts für Auslandsbeziehungen e.V. bei Radio Rumänien Neumarkt.

Schlagwörter: Fracking, Umweltschutz, Denkmalpflege, Wirtschaft

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Neueste Kommentare

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