25. September 2013

23. Sachsentreffen in Schäßburg im Zeichen des Kulturerhalts

Seit 1990 treffen sich die in Siebenbürgen verbliebenen Sachsen, ihre Freunde und Gäste, alljährlich im September zu einem gemeinsamen Fest. Neunzehnmal kam man im einstigen Bischofssitz Birthälm zusammen, die anderen drei Sachsentreffen fanden in Hermannstadt, Bistritz und Kronstadt statt. Am Samstag, dem 21. September, war nun Schäßburg und da die Stadt, das Deutsche Forum und die evangelische Kirchengemeinde an der Reihe, Gastgeber zu sein. In der einzigen einst siebenbürgisch-sächsischen Stadt, deren Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, wurde die Problematik des Kulturerbes auch durch das Motto „Kulturerbe – Gabe und Aufgabe“ in den Mittelpunkt gestellt. Auf die Bedeutung dieser kulturellen Werte und ihre künftige Bewahrung wurde in Grußworten, der Predigt im Gottesdienst und im Festvortrag eingegangen, und das reichhaltige Veranstaltungsangebot bewies, dass man die überlieferten Traditionen pflegt. Mit der Honterusmedaille geehrt wurde Dr. Karl Scheerer, eine Persönlichkeit, die sich um den Erhalt des Kulturerbes besonders verdient gemacht hat.
Das Bewahren des Kulturerbes werde als Aufgabe und nicht als Last betrachtet, sagte Dr. Paul-Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, in seinem Grußwort. Die Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens ist einzigartig und der sichtbarste Teil eines Schatzes, dessen Erhalt zur schwierigen Aufgabe geworden ist angesichts der Komplexität und der Ausmaße, jedoch der immer kleiner werdenden Gemeinschaft der Bewahrer. Als die „traditionsreichste Gruppe der Rumäniendeutschen“ bezeichnete der neue Botschafter Deutschlands in Rumänien, Werner Hans Lauk, die Siebenbürger Sachsen. Von den Begriffen des Mottos ausgehend meinte er, eine Gabe ist ein Geschenk, und eine Aufgabe beinhaltet Verantwortung. Das im Begriff ebenfalls beinhaltete Verb „aufgeben“ kam für die Siebenbürger Sachsen in 850 Jahren ihrer Existenz nicht in Frage. Den doppelten Sinn von „Aufgabe“ – im Sinne etwas zu leisten oder jenem, etwas zurückzulassen – sprach auch der Schäßburger Stadtpfarrer Hans-Bruno Fröhlich in seiner Predigt an. Allein schon die Spannung in diesem Begriff deute darauf hin, dass es nicht zwingend ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden, doch wäre es eine Sünde (im Sinne des Predigttextes Johannes 9 i.A.) zu verkennen, dass die aktuelle Situation als Chance angesehen werden kann, sagte er.

„Mit gebündelten Kräften von Landeskirche, Bezirken, Gemeinden, HOGs, Bürgermeisterämter u.a. Partner aus dem In- und Ausland wurde die Gabe des immobilen, mobilen und geistigen Kulturguts als Aufgabe wahrgenommen – und die Ergebnisse lassen sich sehen“, unterstrich Reinhart Guib, der Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, in seinem geistlichen Wort im Gottesdienst. Fast 30 Einweihungen von Kirchen, Kirchenburgen, Orgeln u.a. Kulturgut haben heuer stattgefunden beziehungsweise werden noch stattfinden und das sind „so viele wie noch nie“. Der Bischof wies darauf hin, dass die langfristige und nachhaltige Rettung des einmaligen Kulturerbes „Sinn und Motivation“ des Tourismusprojektes „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ sind, Projekt, das 2014 ausgebaut werden soll.
Von Edith Toth dirigiert, boten die Schäßburger ...
Von Edith Toth dirigiert, boten die Schäßburger und Hermannstädter „Sälwerfäddem“ und das Mediascher Gesangsoktett Lieder in sächsischer Mundart. Foto: Hannelore Baier
Auf die Mannigfaltigkeit des sächsischen Kulturerbes – „von weltberühmten Gemälden über spektakuläre Goldschmiede- und Webarbeiten, über Münzen, Kupferstiche und Holzschnitte, über Postkarten und Fotografien, über Janitscharenschwerter und eine ägyptische Mumie bis hin zu historischen Streichholzschachteln” ging der Kunsthistoriker Frank-Thomas Ziegler, der Festredner des diesjährigen Sachsentreffens, ein. Er vertrat die Ansicht: „Zum sächsischen Kulturerbe können nicht allein Denkmäler gezählt werden, von denen wir wissen oder annehmen, dass sie von sächsischen Meistern geschaffen wurden. Zahlreiche Kulturgüter und Kunstwerke, die nicht in Siebenbürgen entstanden, geschweige denn im siebenbürgisch-sächsischen Milieu, sind aufgrund der besonderen Wertschätzung und aufgrund ihres Nutzens in die sächsischen Lebenswelten aufgenommen worden und haben hier ihre Wirkung entfaltet.“

Zuversicht, dass die Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen über Grenzen hinweg „auch in Zukunft die Kräfte gemeinsam bündeln und mit Mut und Begeisterung, Verantwortung und Willen unser Kulturerbe und unseren Zusammenhalt sichern und fortführen werden“, äußerte Bundesfrauenreferentin Christa Wandschneider, die das Grußwort des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der Föderation der Siebenbürger Sachsen überbrachte. Karl-Heinz Brenndörfer, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e.V., bekundete die Verbundenheit und engen Beziehungen der HOGs zu den Herkunftstorten in Siebenbürgen. „Wir feiern gern gemeinsam, packen aber auch an, wenn unsere Hilfe gebraucht wird und es unsere Kräfte erlauben“, versicherte er.
Schwungvolle Darbietung auf dem Burgplatz in ...
Schwungvolle Darbietung auf dem Burgplatz in Schäßburg: Die Tanzgruppe aus Neumarkt zeigte die Sternpolka. Foto: Andrey Kolobov
Brenndörfer nahm die erste Ehrung im Rahmen der Festveranstaltung vor, die im barocken großen Saal des Rathauses stattfand: Er steckte Martin Bottesch die goldene Ehrennadel des HOG-Verbandes an, die dem Vorsitzenden des Siebenbürgenforums in Anerkennung seiner ehrenamtlichen und beruflichen Verdienste verleihen wurde, zu denen auch die Mitautorenschaft der Ortsmonographie von Großpold gehört, „eines der besten Heimatbücher, das zur Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Traditionen beigetragen hat“, so der Redner.

Mit der Honterusmedaille des Siebenbürgenforums gewürdigt wurde Dr. Karl Scheerer und damit eine Persönlichkeit, die sich um den Erhalt des sächsischen Kulturerbes besonders verdient gemacht hat. Wie der Laudatio von Bischof emeritus D. Dr. Christoph Klein zu entnehmen, war die vorzeitige Pensionierung des seit 1957 in Deutschland lebenden vormaligen Leiters der Bildungsstätte am Sambachshof mit der Absicht verbunden, sich vermehrt in den Dienst der in der Heimat verbliebenen Landsleute zu stellen. Als Mitarbeiter der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung (e.V. Düsseldorf) hatte er das Vertrauen von deren Geschäftsführer Uwe Stiemke. Dem vorbildlichen Verwalten der Stiftungsmittel und dem Einsatz von Dr. Scheerer ist zu verdanken, dass fast vier Millionen Euro in verschiedene Baumaßnahmen an Kirchenburgen aber auch an Gebäuden in Kircheneigentum in Hermannstadt oder Kronstadt genutzt werden konnten. Das größte Projekt, in das nahezu zwei Millionen Euro flossen, war die Sanierung und Neuausstattung aller Gebäude, einschließlich des Internats, der Bergschule/Joseph-Haltrich-Lyzeum in Schäßburg, wo Dr. Scheerer die Schulbank in der 8. Klasse gedrückt hat. Die Idee dazu hatte seine Gattin Annemarie, eine geborene Bayerin, die mit nach Siebenbürgen kam und stets originelle und kluge Lösungen aufzeigte, wenn er zu resignieren drohte, sagte Dr. Scheerer in seinen Dankesworten. Geprägt hatten den diesjährigen Gewürdigten, die im Elternhaus in Mainz mitgehörten Dispute über die Gestaltung der Zukunft ihres Volkes von namhaften Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen, so D. Dr. Christoph Klein in der Laudatio.
Martin Bottesch (links) überreichte Dr. Karl ...
Martin Bottesch (links) überreichte Dr. Karl Scheerer die Honterusmedaille des Siebenbürgenforums. Foto: Hannelore Baier
Wie jedes Sachsenfest, so begann auch jenes in Schäßburg mit einem Gottesdienst, gefeiert in der Klosterkirche, die bis auf den letzten Stehplatz voll war. Ebenda fand im Anschluss ein Konzert der beiden Singgruppen „Sälwerfäddem“ aus Hermannstadt und Schäßburg statt, die diesmal mit dem Männer-Gesangsoktett aus Mediasch zusammen unter der Leitung von Edith Toth sächsische Lieder sangen. Der Nieselregen und die Kälte hinderten viele der Festteilnehmer daran, die Sehenswürdigkeiten der Altstadt mit fachkundigen Erklärungen von Dr. Christoph Machat, dem Vorsitzenden des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, begleitet, zu besichtigen. Triste wirkte auch der Trachtenaufmarsch der Tanzgruppen von der alten Mädchenschule durch die Baier- und Mühlgasse zum Kleinen Markt, wo das Festzelt stand und die Probstdorfer Kapelle unter den dort Speisenden Stimmung machte. Mit der Schäßburger und der Bistritzer Blaskapelle voran, gingen die Trachtenträger unter der Burg zum Park am Marktplatz/Oberth-Platz zurück und dann die Burg hinauf auf den Burgplatz. Trotz Regen und Kälte standen zahlreiche Zuschauer erwartungsvoll da und folgten den Auftritten der Volkstanzgruppen aus Schäßburg, Sächsisch-Regen, Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș), Bistritz, Hermannstadt, Zeiden, Kronstadt und Reschitza. Vor dem nassen Wetter konnte, wer es wollte, sich in das Predigerhaus oder den Schmiedturm „flüchten“, wo es zwei Ausstellungen zu sehen gab. Zu bedauern waren die Mitglieder der Handarbeitskreise sowie die Mitarbeiter der fünf deutschsprachige Bücher herausgebenden Verlage (ADZ, aldus, hora, Honterus und Schiller) sowie der Jugendbegegnungsstätte Seligstadt oder des Armuts­bekämpfungsprojektes aus Probstdorf, deren Stände im Freien am Teutsch-Platz zwischen Stundturm und Forumssitz im Venezianischen Haus. Im Rathaus wurde nach der Festveranstaltung das von Andrea Rost zusammengestellte Buch „Das Leben ist so schön, wenn man darüber lächeln kann!“ vorgestellt, in dem der Reichesdorfer Kurator Johann Schaas Vergangenes und Gegenwärtiges aus Reichesdorf erzählt.

Das Kulturerbe wird als Gabe und Aufgabe betrachtet und als Chance wahrgenommen. Das stellte auch das diesjährige Sachsentreffen in Schäßburg unter Beweis. Die sehr klein gewordene Gemeinschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst.

Hannelore Baier

Schlagwörter: Sachsentreffen, Schäßburg, Kulturerbe

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