14. April 2014

Zweitmitgliedschaft in der evangelischen Kirche nun umsetzbar

Ausgesiedelte Gemeindeglieder können ab sofort nicht nur Gäste, sondern auch Träger in ihren siebenbürgischen Heimatgemeinden sein. Das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) hat am 28. Februar Durchführungsbestimmungen verabschiedet, wodurch die Mitgliedschaft von Ausgesiedelten in der EKR konkret umsetzbar wird. Ausgesiedelte können sich wahlweise als Mitglied im Sonderstatus mit begrenzten Rechten und Pflichten oder als ordentliches Mitglied mit vollen Rechten und Pflichten in das Leben der Gemeinde einbringen. Die Kirche erhofft sich auf diesem Wege eine Verstärkung der personellen Ressourcen sowie über eine steigende Mitgliederzahl auch Impulse für die evangelische Gemeinschaft in den Dörfern und Gemeinden.
Schon Ende der 1990er-Jahre erschien sporadisch das Phänomen, dass ehemalige Gemeindeglieder sich wieder in ihren Heimatgemeinden einschreiben wollten und es zum Teil auch auf eigene Faust taten. Sie behielten auch die Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland und Österreich bei und schufen damit neue kirchenrechtliche Fakten. Daraufhin wurde 2003 in Absprache mit diesen Kirchen die Möglichkeit eröffnet, eine Sondermitgliedschaft einzuführen. Nach dem Eintritt Rumäniens in die Europäische Union und der intensiveren Zusammenarbeit der EKR mit den Organisationen der ehemaligen Gemeindeglieder war eine Novellierung dieser Bestimmungen notwendig. Es gibt inzwischen sogar Kirchengemeinden, in denen ehemalige – und nun neue – Gemeindeglieder, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, Verantwortung als Kuratoren und Kirchenräte übernommen haben. So sichern sie, bei fehlender personeller Kraft vor Ort, Kontinuität.

Nach zwei Jahre dauernden Konsultationen der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mit den Organisationen der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, aber auch mit dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde deutlich, wie unterschiedlich die Einstellungen und Erwartungen sind. Trotzdem hat sich die 81. Landeskirchenversammlung entschlossen, den Erlass von 2003 zu novellieren und an den neuen Kontext anzupassen. Am 28. Februar 2014 verabschiedete das Landeskonsistorium die Durchführungsbestimmungen und so wird die Mitgliedschaft konkret umsetzbar. Ausgesiedelte können nun Träger und Verwalter ihrer Gemeinden sein. Die Heimatkirche erhofft sich dabei eine lebendige Gemeinschaft im Sinne des Evangeliums, keinesfalls eine Formsache, die den Landsleuten nur eine zusätzliche Mitgliedschaft aufbürdet.

Zwei Möglichkeiten stehen für Ausgesiedelte offen: sich als Mitglied im Sonderstatus, mit begrenzten Rechten und Pflichten, oder als ordentliches Mitglied, mit vollen Rechten und Pflichten, in das Leben der Gemeinde einzubringen. Die Entscheidung ist dem Einzelnen nach Maßgabe seiner Kräfte und seiner Biographie überlassen.

Geistige Heimat und Zusammen­gehörigkeitsgefühl

Was habe ich aber von so einer Zweitmitgliedschaft, besonders wenn ich nicht vor Ort wohne? Es ist klar: Nicht jeder hat etwas davon, nicht jeder braucht so etwas! Besonders in einer Zeit der Freiheit von Formen und Institutionen kommt jeder auch ohne den Status eines Kirchenmitgliedes jeder Art aus. Doch das Bedürfnis nach geistiger Heimat ist allgemein und ungebrochen. Und es sind – laut Umfragen – rund 20 Prozent der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, die in den Gliedkirchen der EKD keine Heimat gefunden haben, aber Kirche als solche nicht aufgegeben haben. Es ist also vor allem das Gefühl der Zugehörigkeit, das vermittelt werden kann. Denn die Evangelische Kirche in ihrer siebenbürgischen Variante war immer schon ein wichtiger Bestandteil der Identität, entstanden am Gegenüber der orthodoxen Rumänen und der reformierten Ungarn. Eine Mitgliedschaft gibt mir auch die Möglichkeit, mich für Menschen und Erbe, für Diakonie und Kultur an der Basis einzusetzen, ein Anliegen, das so manchen umtreibt, besonders wenn er den allgegenwärtigen Verfall in der Heimatgemeinde ansieht. Dass ich mir durch die Zugehörigkeit selbstverständlich auch das Recht in allen Lebenssituationen, von Geburt bis Tod, erwerbe, wie ein Ortsansässiger behandelt zu werden, braucht eigentlich nicht erst erwähnt zu werden. Ich bin dann eben nicht mehr Gast, sondern Hausherr.

Und was hat die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien davon? Die Relevanz der evangelischen Gemeinschaft im Dorf hängt sicher auch von deren Mitgliederzahl ab. Auch besteht die Hoffnung, dass kleine und erloschene Gemeinden auf diese Weise weiter bestehen; nicht durch die Mitglieder vor Ort, sondern durch beherzte und verbundene Menschen aus der ganzen Welt, besonders von den Mitgliedern der jeweiligen Heimatortsgemeinschaft (HOG).

Jeder kann nun das Erbe, das durch das Zukunftskonzept der EKR auch den Ausgesiedelten moralisch zugesprochen wurde, auch juristisch antreten. Und jeder hat ein Mitbestimmungsrecht in den Abstufungen, in denen er es sich wünscht und leisten kann. Doch Rechte und Pflichten gehören zusammen. Als Vollmitglied ist man den in Rumänien lebenden Mitgliedern gleichgestellt. Man ist wählbar und darf wählen und hat auch sonst alle Rechte und Pflichten – inklusive die finanzielle Pflicht eines Beitrags, der von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ist.

Als Mitglied im Sonderstatus hat man begrenzte Rechte und Pflichten und darf nicht wählen oder gewählt werden. Im Sonderstatus wird die Mitgliedschaft übersichtlicher, was auch den Kirchenbeitrag betrifft. Für 2014 hat das Landeskonsistorium aus Hermannstadt für Mitglieder im Sonderstatus die Summe von 20 Euro vorgesehen.

Es wird nicht alles reibungslos gehen. Zu sehr haben sich die Teile der Gemeinschaft hüben und drüben an die jeweiligen Situationen angepasst. Es gibt Ängste und Missverständnisse, aber auch fehlende Sensibilität nach beiden Seiten. Auch die Vorstellungen über den Weg und die Zukunft der Kirchengemeinde sind vielleicht unterschiedlich. Deswegen braucht es Geduld und Einfühlungsvermögen, da es nicht um einen Augenblick, sondern um einen längeren Prozess geht.

Den Text des Erlasses sowie einen Vordruck zur Anmeldung findet man auf der Website www.evang.ro, auf der Startseite unter dem Stichwort „Informationen“. Gerne kann auch das Referat für Institutionelle Kooperation der EKR aus München, E-Mail: ekr[ät]siebenbuerger.de, in diesem Fragekomplex zu Rate gezogen werden.

Dr. Stefan Cosoroabă

Schlagwörter: EKR, Kirche und Heimat, Mitgliedschaft

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Neueste Kommentare

  • 15.04.2014, 03:52 Uhr von getkiss: "Text des Erlasses" Erlass? Hoheitlicher Begriff.... Danke, Euer Gnaden.... [weiter]
  • 14.04.2014, 13:27 Uhr von gloria: Wahrscheinlich wird erwartet, dass die Rechte hier in Deutschland gelten und die Pflichten in ... [weiter]
  • 14.04.2014, 09:00 Uhr von Äschilos: Die neuen Perspektiven, die sich durch diesen Erlass ergeben, finde ich sehr konstruktiv [weiter]

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