29. Mai 2017

Vereinsgründung in München: Demokratie und Rechtsstaat in Rumänien stärken

Mitglieder der rumänischen und rumäniendeutschen Gemeinde in Bayern haben Ende März den gemeinnützigen zivilgesellschaftlichen Verein Nova Romania e.V. gegründet. Hervorgegangen ist dieser aus der pro-europäischen Protestbewegung, die in München gegen das sogenannte Amnestiegesetz der rumänischen Regierung zur teilweisen Legalisierung von Korruption demonstriert hatte. Zusammen mit Organisationen aus Deutschland, Rumänien und anderen EU-Ländern will der Verein zivilgesellschaftliche Aktionen und Veranstaltungen durchführen sowie als „Ideenfabrik“ Projekte zur Stärkung der Demokratie in Rumänien und des Dialogs europäischer Bürger konzipieren und umsetzen.
Als erster Schritt hat Nova Romania in einem Zehn-Punkte-Programm zur Bildung einer rumänischen Außerparlamentarischen Opposition aufgerufen. In gemeinsamer Abstimmung sollen Akteure der Zivilgesellschaft die Strategie für weitere Proteste im In- und Ausland planen, jedoch auch einen konstruktiven und langfristigen Dialog mit proeuropäischen politischen Akteuren aufbauen.

Die wiederholten Versuche der seit Dezember 2016 im Amt befindlichen rumänischen Regierung zur teilweisen Entkriminalisierung der Korruption haben zur Bildung der größten Protestbewegung in der Geschichte Rumäniens geführt. Zeitweise über 600 000 Menschen demonstrierten gegen die aus Sozialdemokraten und Liberalen gebildete Regierung und für die Einhaltung europäischer rechtsstaatlicher Prinzipien. Die Regierungsvertreter haben es sich offensichtlich zum erklärten politischen Ziel gemacht, durch Eilverordnungen die Anti-Korruptionsgesetze zu entschärfen. Nach ihrem Dafürhalten seien viele strafrechtliche Prozesse, darunter auch laufende Ermittlungen gegen die eigenen Parteichefs, politisch motiviert oder dem Eifer karrierebedachter Staatsanwälte geschuldet. Tatsächlich hat die Sonderstaatsanwaltschaft der Nationalen Anti-Korruptionsbehörde in den letzten Jahren die Verurteilung von hunderten Beamten, Bürgermeistern, Parlamentsabgeordneten, Ministern und sogar eines ehemaligen Ministerpräsidenten vor den Landesgerichten durchgesetzt. Die Verurteilungsquote stieg steil an und lag in den letzten beiden Jahren bei über 90 %. In den Berichten der EU-Kommission werden diese Gesetzgebung und ihre konsequente Umsetzung als entscheidender Fortschritt im ehemals auf jeder staatlichen Ebene korruptionsgeplagten Land bewertet. Dieses schlagkräftige System soll nun laut Regierung „restrukturiert“ werden.

Trotz aller Empörung kam diese Entwicklung nicht völlig überraschend. Die jüngere Generation, die nun seit fast zwei Monaten täglich auf die Straße geht, hatte in den letzten beiden Jahren ein frappierendes Desinteresse an der politischen Entwicklung bekundet. Die Wahlbeteiligung für die Parlamentswahlen lag im Dezember bei nur 38 %. Den Ausschlag für den überragenden Wahlerfolg der ehemals postkommunistischen Sozialdemokraten gaben letztlich die älteren Wähler aus ländlichen Regionen, denen sich die Regierung als konservative Alternative empfahl. Die Sozialdemokraten erhielten nahezu eine absolute Mehrheit und können das Parlament und damit die Legislative fast nach Belieben dominieren.

Der Aufstand der Zivilgesellschaft 2.0

Der Schock darüber, dass das „Zeitalter der Korruption“ der 1990er und 2000er Jahre keineswegs Geschichte ist, sitzt tief. Unübersehbar ist auch, dass die EU-Mitgliedschaft keineswegs die zivilgesellschaftliche Partizipation ersetzen kann. Die junge Generation der rumänischen „Millenials“ hat diese Lektion allerdings gelernt. Sie ist zu sehr in die globalisierte Kultur integriert, um die historische Chance für eine tiefgreifende Modernisierung des Landes ungenutzt lassen zu können. Die Protestbewegung organisiert sich daher zunehmend nicht nur über Facebook, das die Proteste in diesem Ausmaß überhaupt erst möglich gemacht hat, sondern auch in informellen Gruppen, Initiativen und eingetragenen Vereinen. In „Bürgerwerkstätten“ in zahlreichen Städten werden die Grundlagen zu Staatsrecht, Debattenkultur, Protestorganisation und Netzwerkbildung vermittelt. Die rumänische Zivilgesellschaft befindet sich damit auf einem rasanten, vor allem von digitalen Mitteln und Medien getragenen Modernisierungskurs, der unweigerlich mit dem elitären Führungsstil eines Großteils der politischen Klasse kollidiert.

Ein Verein als zivilgesellschaftlicher Akteur

Nova Romania e.V. (Homepage: www.novaromania.eu, E-Mail: contact [ät] novaromania.eu) sieht sich in dieser Bewegung nicht nur als Protestakteur, sondern auch in einer Vermittlerrolle: Im Verein haben sich Personen mit Expertise aus verschiedenen Berufsfeldern zusammengeschlossen, um als innovative „Ideenfabrik“ zur dynamischen Entwicklung von Staat und Gesellschaft in Rumänien beizutragen. Erfolgreiche Konzepte aus Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern aus den Bereichen direkte Demokratie, Debattenkultur, Bildung, Umweltschutz oder Tourismus sollen interdisziplinär und auf akademischem Niveau diskutiert, situativ angepasst und für die praktische Umsetzung empfohlen werden. Wichtigstes Anliegen bei allen Aktivitäten des Vereins ist die Beibehaltung eines entschieden pro-europäischen Kurses des Landes, von dem etliche Nachbarstaaten in der Region bereits abgekommen sind: Eine nachhaltige Modernisierung in Rumänien und anderen südosteuropäischen Ländern kann nur durch die rechtsstaatliche und moralische Autorität einer starken, bürgernahen Europäischen Union verwirklicht werden.

Albert Weber

Schlagwörter: Demonstration, Korruptionsbekämpfung, Vereinsgründung, München

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