18. Januar 2018

Rückschlag für Korruptionsbekämpfung in Rumänien

Bukarest – „Rumänien gehört zu den EU-Ländern mit den strengsten Antikorruptionsstandards, von denen Länder wie Deutschland weit entfernt sind“, provoziert Keno Verseck auf Spiegel Online in „Mach dir die Taschen voll“. Und ergänzt: „Theoretisch“. Denn in den letzten Monaten sorgte der von der Regierungskoalition aus PSD (Sozialdemokratische Partei) und ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten) im Eilverfahren vorangetriebene und noch im Dezember verabschiedete Umbau der rumänischen Justiz für harsche Kritik im In- und Ausland.
Zuletzt hatten sich Anfang Januar 19 Nichtregierungsorganisationen an Staatspräsident Klaus Johannis gewandt und den Einsatz der Venedig-Kommission des Europarates gefordert, berichtet die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ). Rumänien dürfe nicht zu einem rechtsstaatlich gescheiterten Projekt werden, das von einer kriminellen Gruppierung buchstäblich gefangen gehalten werde. Auch das Richterforum am Obersten Gerichts- und Kassationshof in Rumänien hatte im Dezember ein sofortiges Einschalten der Venedig-Kommission gefordert. Alarmsignal war bereits der jüngste Bericht der EU-Kommission im November 2017 im Rahmen ihres Kooperations- und Kontrollmechanismus (CVM): Die ständigen Versuche von Regierung und Parlament, die Korruptionsbekämpfung zu beeinträchtigen, wurden darin stark kritisiert, bisherige Fortschritte Rumäniens betreffend der Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit sogar in Frage gestellt.

Auch Staatspräsident Klaus Johannis hatte noch Ende letzten Jahres auf das Risiko hingewiesen, dass Artikel des EU-Vertrags gegen Rumänien angewandt werden könnten – wie jüngst in Polen geschehen, wo ebenfalls eine Justizreform für Aufruhr gesorgt hatte. In einem solchen Fall müssten die EU-Mitgliedsländer mit einer Vier-Fünftel-Mehrheit entscheiden, ob die Gefahr einer Verletzung der Grundwerte der EU besteht. „Wer sich vorstellt, dass es keine Folgen geben wird, ist schlichtweg vom Mond gefallen“, warnte Johannis.

Justiz geschwächt, Täter begünstigt

Die Konrad Adenauer Stiftung (KAS) kritisiert die im Eilverfahren verabschiedeten Justizgesetze in ihrem Länderbericht vom Dezember 2017: In einem derartig bedeutenden Reformpaket fehlten neben Transparenz, Beratungen und öffentlichen Debatten auch Studien über die Auswirkungen. Als konkrete Kritikpunkte werden darin spezifiziert:
• Die umstrittensten Bestimmungen beziehen sich auf die Bevollmächtigung des Staates, bei Fehlurteilen Richter und Staatsanwälte mit ihrem Privatvermögen haften zu lassen. Korruptionsverdächtige können Klagen einreichen.
• Vorgesetzte der Staatsanwälte können deren Beschlüsse durch „Unbegründetheit“ abweisen. Bislang war dies nur bei Rechtswidrigkeit möglich.
• Das Prinzip der Unabhängigkeit der Staatsanwälte in der Ausübung ihrer Tätigkeit wurde gestrichen. • Der Einfluss des Staatspräsidenten wurde beschnitten: Zunächst war vorgesehen, ihn aus dem Ernennungsverfahren der leitenden Staatsanwälte ganz auszuschließen; nach kritischen Stellungnahmen behält er zwar eine symbolische Rolle bei der Ernennung des Präsidenten des Obersten Gerichts sowie der Leitenden Staatsanwälte, hat künftig aber keine Mitsprache mehr bei Abberufungen. • Der Justizminister soll an Stelle des Obersten Gerichtshofs über Budgets und Mittelverwendung der Gerichte entscheiden. • Statt der bisher üblichen Disziplinarverfahren soll eine neue Behörde bei Dienstvergehen gegen Richter und Staatsanwälte ermitteln.
• Die Hürden für die Tätigkeit als Staatsanwalt in der DNA (Antikorruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft) und DIICOT (Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und Terrorismus) wurden erhöht. Beide Organe werden verpflichtet, dem Justizministerium einen jährlichen Tätigkeitsbericht vorzulegen – ein zusätzliches Kontrollinstrument der Regierung.
• Schwächung der Nationalen Integritätsagentur (ANI): Wichtige Sanktionsmaßnahmen gegen Amtsträger wegen Interessenkonflikten oder Amtsunvereinbarkeiten wurden gemildert.
• Die Erhöhung des Mindestalters für Richter auf 30 Jahre könnte den Beruf langfristig unattraktiv machen.

Auch der Europarat in Straßburg kritisierte die rumänische Regierung heftig wegen mangelnder Korruptionsbekämpfung und unklaren Immunitätskritierien. In einer Resolution bestätigte der Europarat sämtliche Forderungen des Berichtes von Dr. Bernd Fabritius, Erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Rechtsangelegenheiten und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (die Siebenbürgische Zeitung berichtete).

Die Justizvertreter sehen in dem Gesetzespaket einen Versuch des Regierungsbündnisses, ihre Kompetenzen einzuschränken. Sie befürchten Druckmittel auf die richterliche und staatsanwaltliche Tätigkeit. Von den Berufsverbänden der Richter und Staatsanwälte als auch von Nichtregierungsorganisationen werden die Reformen daher als Eingriffe in die Unabhängigkeit der rumänischen Justiz gewertet.

Unmittelbar nach Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs fanden erneute Proteste in Bukarest, Klausenburg und weiteren rumänischen Städten statt. Der Druck der Straße scheint jedoch diesmal die politische Elite nicht mehr einzuschüchtern, anders als noch zu Beginn des Jahres 2017, so die Beobachtung der KAS. Auch zahlreiche Botschaften in Bukarest, darunter die deutsche, haben ihre Besorgnis geäußert. Die Opposition kündigte Verfassungsklagen gegen die Justizreform an. Im Dezember hatte Präsident Johannis erklärt, ein Referendum betreffend Justiz und Korruptionsbekämpfung in Betracht zu ziehen.

Weitere Reformen im Strafgesetz

Trotzdem scheint der Reformwahnsinn unbeirrt weiterzugehen: Sozialisten, Linksliberale und Ungarnverband arbeiten an einer Novellierung des Strafgesetzbuches und der Strafgesetzordnung. Darin sollen Korruption, Amtsmissbrauch, Geldwäsche und Falschaussagen teilweise oder sogar vollständig entkriminalisiert werden.

Wem nützt das alles? Darüber wurde bereits mehrfach spekuliert: Der wegen Wahlbetrugs vorbestrafte PSD-Chef Liviu Dragnea kann deswegen nicht Premierminister werden. Außerdem muss er sich vor Gericht wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Gegen ALDE-Chef und Senatspräsident Călin Popescu-Tăriceanu läuft ein Verfahren wegen Falschaussagen. Ende letzten Jahres geriet Dragnea als Drahtzieher einer 2001 gegründeten kriminellen Gruppe erneut in die Schlagzeilen: Durch Amtsmissbrauch sollen einer von ihm kontrollierten Firma kommunale Aufträge zugeschanzt worden sein, einschließlich Veruntreuung von EU-Mitteln. Sein gesamtes Vermögen und das weiterer PSD-Komplizen wurde beschlagnahmt. Machthunger klingt auch in der von PSD und ALDE im Dezember unterstützten Entscheidung an, der zufolge das Führungspersonal von 94 Staatsunternehmen (auch so „bedeutende“ wie der Wetterdienst oder der Briefmarken-Herausgeber Romfilatelia) künftig nicht mehr durch Ausschreibung und Wettbewerb, sondern direkt von der Regierung ernannt werden soll. Kritiker unken, solche Posten werden in Zukunft an Parteifreunde vergeben. Begründet wurden die übereilt vorangetriebenen Gesetzesänderungen von den Initiatoren mit einem angeblichen „Parallelstaat“ in der Justiz, mit Staatspräsident Johannis als „Komplizen“, wobei bei der Korruptionsbekämpfung missbräuchlich vorgegangen werde. Die Korruptionsforscherin und rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi hat laut Spiegel die Gesetzesreform als Desaster bezeichnet. Die Korruptionsbekämpfung in Rumänien müsse dringend entpolitisiert werden, empfiehlt die Expertin. In der Umsetzung dürfte dies zunehmend schwieriger werden.

Nina May

Schlagwörter: Rumänien, Korruption, Justiz, Klaus Johannis, Dragnea, Bukarest, EU

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