2. September 2019

Traumwanderweg "Via Transilvanica" verbindet Menschen und zeigt die schönsten Seiten des Landes

Fast tausend Kilometer zu Pferd, auf dem Drahtesel oder auf Schusters Rappen. Zeit zum Nachdenken, Reflektieren, Meditieren in herrlicher Landschaft. Ein Stück des Wegs mit anderen zurücklegen, nur mal Plaudern oder Freundschaften schließen. Oder einfach den stillen Moment genießen: Blumenwiesen, Heuröllchen, Schafherden, Kirchenburgen, Klöster, einfaches Dorfleben. All das zieht vorüber wie in einem Traum. Der Traum heißt „Via Transilvanica“.
Längst wurde er auf die Ebene der Wirklichkeit geholt, Kilometer um Kilometer bezeugt dies ein künstlerisch gestalteter Stein aus Andesit. Mal trägt er einen Drachen, wie der vor dem Haus der Tabaluga-Stiftung von Peter Maffay in Radeln, mal eine Figur in Buddha-Pose vor einer lachenden Sonne. Mal erspäht der Wanderer schon von Weitem ein Wegweiser-Schild, mal findet er nur ein „T“ in einem kleinen orangenen Kreis, mit Farbe aufgepinselt. Auf der Via Transilvanica geht man nicht verloren. Dafür sorgten über 200 Freiwillige, die bisher 400 Wegkilometer der 950 Kilometer langen Strecke markierten.

Auch in anderen Ländern träumte man diesen Traum vom tagelangen Pilgern durch Kulturlandschaften mit reicher Geschichte – auf dem Camino de Santiago durch Spanien oder dem Pacific Trail durch Nordamerika. Und selbst wenn es ein Ziel gibt, ist eigentlich der Weg das Ziel. Das Laufen gibt Gelegenheit, Probleme „nach oben“ abzugeben, sich loszulösen vom Alltag.
Kilometerstein der Via Transilvanica vor der ...
Kilometerstein der Via Transilvanica vor der Tabaluga-Stiftung in Radeln: Der Musiker Peter Maffay im Gespräch mit dem Schauspieler Marcel Iureș. Foto: George Dumitriu
„Es ist nicht mehr wichtig, wer die Idee zuerst hatte“, lächelt der Schauspieler Marcel Iureș. Am Haus „Kraus“ der Michael Schmidt Stiftung in Deutsch-Kreuz ist soeben eine illustre Wandergruppe angekommen: Sechs Botschafter – vier ausländische in Rumänien, zwei rumänische im Ausland - wanderten mit Kindern, Pressevertretern und geladenen Gästen drei Kilometer von Radeln nach Bodendorf auf der „Via Transilvanica“, die am 24. Juli auf dem Gelände der Tabaluga-Stiftung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Initiator ist die Stiftung Tășuleasa Social, vertreten durch Marcel Iureș und Alin Uhlmann Ușeriu, Bruder des berühmten Arktis-Marathonläufers Tibi Ușeriu. Unterstützer fanden sie für einen Abschnitt in Siebenbürgen in der Tabaluga-Stiftung und der Michael Schmidt Stiftung.

„Warum läuft der israelische Botschafter mit?“ Diese verwunderte Frage hatte Botschafter David Saranga unterwegs aufgeschnappt. Er beantwortet sie auf der abschließenden Pressekonferenz in Deutsch-Kreuz: Israelis sind nach den Deutschen die zweithäufigsten Touristen in Rumänien. Auch in Israel gibt es einen 1 100 Kilometer langen Weg, der die Geschichte des Landes erzählt. Er soll nicht nur Landschaft und Kulturerbe vorführen, sondern auch die Menschen, die ihn begehen, zusammenbringen. Dies ist auch eine der Ideen, die hinter der „Via Transilvanica“ steckt, verrät Uhlmann Ușeriu. Auf der Strecke, die in Drobeta Turnu Severin beginnt, von wo aus Kaiser Trajan Dakien eroberte, und im Kloster von Putna endet, wo das Grab von Stefan dem Großen liegt, führt der Weg durch eine ethnisch gemischte Landschaft. „Dieses Land hat eine Toleranz, die es nirgendwo anders gibt“, begeistert sich der britische Botschafter Andrew Noble, der Rumänien seit 1984 kennt. Die Briten seien begeisterte Wanderer, was sie mit Ökologie und Aspekten des Ökotourismus verbindet. „Genau das, was auch Rumänien braucht!“ US-Botschafter Hans Klemm haben es die Kirchenburgen angetan: Mit US-amerikanischen Geldern wurden Restaurierungen an den Kirchenburgen in Thalheim, Hundertbücheln und Arbegen finanziert. Der Stellvertreter des deutschen Botschafters, Kai Hennig, zitiert Thomas Morus: „Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger und eine neue Idee mehr zu haben.“ Weniger Vorurteile – auch dies kann Rumänien gut gebrauchen.
Wegmarkierung in Radeln. Foto: George Dumitriu ...
Wegmarkierung in Radeln. Foto: George Dumitriu
Sieben Abschnitte gliedern den Weg, der das Land wie eine Achse durchquert und durch zehn Landkreise führt. Er soll auch eine Brücke darstellen für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung der Dörfer. Der erste Abschnitt, 191 Kilometer, führt durch das Banater Bergland. Am zweiten Abschnitt, „Terra Daco Romana“, trifft man auf 98 Kilometern auf steinerne Zeugen aus der Daker- und Römerzeit. Auf 122 Kilometern gelangt man durch das Mieresch-Tal ins Kokeltal. 125 Kilometer führen durch „Terra Saxonia“ über Mediasch, Schäßburg, Keisd, Klosdorf, Deutsch-Kreuz und Radeln. 88 Kilometer geht es weiter durch das Szeklerland, „Terra Siculorum“. In „Căliman“ führt die Route auf 142 Kilometern über den Tihuța und den Borgo Pass. Nun bleiben nur noch 133 Kilometer bis zum Ziel in der Bukowina.

Etwa 200.000 Pilger pro Jahr soll die „Via Transilvanica“ nach Abschluss aller Markierungen und Fertigstellung der Infrastruktur anziehen. Kollaterale Vorteile sollen an die zwei Millionen Lokaleinwohner entlang der Strecke genießen – ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Doch noch ist viel zu tun: Erst in fünf Jahren rechnet Tășuleasa mit dem Abschluss des Projekts, noch werden Sponsoren für Kilometersteine gesucht.

Drei Kilometersteine für den Abschnitt „Terra Saxonia“ wurden am 24. Juli 2019 feierlich gesetzt: in Radeln vor dem Tabaluga-Haus an der Kirchenburg, in Bodendorf und in Deutsch-Kreuz. Kooperationsverträge mit Lokalbehörden in den zehn betroffenen Kreisen wurden unterzeichnet. Auf der Webseite viatransilvanica.com kann derzeit bereits ein 40-seitiger Wanderführer für Abschnitte in Nordsiebenbürgen heruntergeladen werden (in deutscher Sprache: www.viatransilvanica.com/media/1623/ghidde.pdf). Dieser bietet neben Informationen zur Wegführung und lokalen Infrastruktur auch praktische Tipps: Auf der Strecke von Lunca Ilvei nach Piatra Fântânele zum Beispiel kommt man am Sitz von Tășuleasa vorbei. Dort kann der Pilger ein Bett finden oder zelten, Waschmaschine, WiFi und Drucker benutzen und am Denkmal „das eiserne Kreuz“ – in Anlehnung an das „Cruz de Ferro“ des Camino de Santiago in Spanien – einen Stein hinterlegen, als Zeichen für das Aufgeben der Sünden auf dem Weg. Wenn der schwere Stein dann vom Herzen gefallen ist, gibt es Aufwind für neue Träume…

Nina May

Schlagwörter: Tourismus, Pilgerreise, Wandern, Radeln, Deutsch-Kreuz

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