21. September 2021

Freude des Wiedersehens schwebt über der Kirchenburg: 31. Sachsentreffen in Großau gefeiert

Erstmals steht eine Persönlichkeit Pate als Motto des Sachsentreffens: Samuel von Brukenthal. Und obwohl sich der Gubernator Siebenbürgens, Jurist und herausragendes Verwaltungsgenie, dessen Geburtstag sich heuer zum 300. Male jährt, sicher gefreut hätte über die digitalen Kompetenzen, die die Siebenbürger Sachsen erworben haben, um die Gemeinsamkeit während der Corona-Zeit nicht abhanden kommen zu lassen, geht doch nichts über die vielen, herzerwärmenden Heimatmomente, die Umarmungen nach der langen berührungsfreien Zeit, die ausgelassenen Tänze der Jugend in der Pfarrscheune oder im Hof der Großauer Kirchenburg, mal in Jeans, mal in Tracht, aber endlich wieder Arm in Arm. Die Freude des Wiedersehens, nachdem das jährliche Sachsentreffen letztes Jahr online stattfand – niemand bezeichnete es als ausgefallen – schwebte spürbar über den Mauern der Kirchenburg.
Trachtenzug vor der gut erhaltenen Kirchenburg in ...
Trachtenzug vor der gut erhaltenen Kirchenburg in Großau. Fotos: George Dumitriu
„300 Jahre Brukenthal wollten wir ursprünglich in einem schönen großen Rahmen im Sommer begehen“, bedauerte Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, das verschobene große Sachsentreffen, das in Hermannstadt geplant war, hätte da nicht „ein kleines Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht“. Und doch ist das festliche Wiedersehen im kleinen Großau ganz besonders: Gastgeber sind nicht nur die Siebenbürger Sachsen, sondern auch die aus Oberösterreich, dem „Landl“, nach Siebenbürgen ausgewanderten reformierten Landler. Bei der Organisation half den Ortsansässigen eine sehr aktive HOG, die jedes Jahr 20 bis 30 Helfer zur Pflege von Kirchenburg und Friedhof entsendet, wie der Großauer Kurator Mathias Krauss betonte. Bei der Eröffnung des 31. Sachsentreffens donnernder Salut auch aus dem Himmel: zweimal schlug der Blitz in den Kirchturm ein – der Blitzableiter hielt. So manche Hand ergriff erschreckt eine andere – endlich wieder. Ergreifend!

Siebenbürgisch-sächsische Vorbilder

Freitagabend, 17. September, Eröffnung durch den Leiter des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch. Im Hintergrund die Paneele der Ausstellung „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“. In der ersten Reihe: der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) Dr. Paul Jürgen Porr, Ursula Jahn, die neue deutsche Konsulin in Hermannstadt, der Historiker Dr. Harald Roth, der die Wanderausstellung konzipiert hat, Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung (DRI), der das Buch „Schwarzer Tod und Pest im frühneuzeitlichen Hermannstadt“ präsentierte, Dr. Maria Luise Höppner-Roth, erzählende Zeitzeugin in der anschließenden Filmpremiere „Hans Otto Roth – ein herausragender Politiker“ von Eduard Schneider, die Tochter des Haupthelden, Astrophysikerin.
Eröffnung des Sachsentreffens durch Martin ...
Eröffnung des Sachsentreffens durch Martin Bottesch und Präsentation der Wanderausstellung „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“.
Die Lebensfäden bedeutender Siebenbürger Sachsen verflechten sich an diesem Abend: Samuel von Brukenthal, der aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen emporstrebende „Visionär, Macher und Quellensammler“, wie ihn Harald Roth bezeichnet, als standhafter Protestant hatte er sich unter der erzkatholischen Kaiserin Maria Theresia als begnadeter Verwalter und Siebenbürgenkenner trotzdem unentbehrlich machen können. Dr. Hans Otto Roth, ein herausragender sächsischer Politiker der Zwischenkriegszeit, der sich bereits als junger Mann im Zusammenhang mit der Großen Vereinigung 1918 profiliert und 1933 Hitler nach einer ersten persönlichen Begegnung als „allerpeinlichst“ bezeichnet hatte, ein „Emporkömmling“, in dem sich „Dämonen vereinigen“. Roth, auch ein politischer Verteidiger der evangelischen Kirche, war kein Nazi, wurde kein Antonescu-Anhänger und erst recht kein Kommunist. „Der Film ist unser Corona-Projekt“, erklärte Wolfgang Köber, der die Idee dazu hatte. Spannend könnte es noch werden, wenn das im Garten des ehemaligen Ferienhauses in Michelsberg vergrabene Gästebuch des Politikers gefunden werden könnte, an das sich seine Tochter erinnert. Dort soll ein Kontakt zwischen diesem und einem Gegner der Nazi-Bewegung festgehalten sein...

Parallelen zur heutigen Pandemie zog Șindilariu mit seinem Pestbuch, „die historisch vergleichende Antwort auf Covid“. Eine erstaunliche Erkenntnis: Die Seuche hatte für die Verbreitung der deutschen Muttersprache eine ähnlich wichtige Rolle wie die Reformation! Denn die Erlasse zur Pestbekämpfung mussten allen Bürgern verständlich vermittelt werden. Vieles weckt lebhafte Erinnerungen: Distanzregeln, Ausgangssperre. Schon damals durfte nur einer im Haushalt auf die Straße, um die nötigsten Besorgungsgänge zu tätigen, „auch hier in Großau“.

Endlich wieder Nähe - trotzdem auch online

Samstag, 18. September. Impfzertifikate oder Coronatest am Eingang zur Kirchenburg, dazu blies ein eisiger Wind. Doch die Augen über den Maskenrändern lächelten alle warm. Menschentrauben strebten zur Kirche. Die originalen Klänge der dortigen Johannes Hahn Orgel (1775) hörten wir vorerst zum letzten Mal, sie wird bald zur Restaurierung ausgebaut. „Es geht weiter – das ist eine Botschaft“, verkündete der Hermannstädter Bezirksdechant Dietrich Galter. Im Gestühl warteten Bischof Reinhart Guib und Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli auf ihren Einsatz. Schwarze Mäntel, blaue und rote Maske. Zikeli erinnerte an schwere historische Momente, auch an die Pest in Siebenbürgen und an die Erkenntnis, dass Geduld die notwendige Voraussetzung sei, um Gottes Wirken zu erfassen.

Immerhin hat sich das Verlangen, sich näher zu kommen, um sich gegenseitig zu stärken, nach eineinhalb Jahren Gesundheitskrise wieder erfüllt, tröstete Bischof Guib. Und erklärte damit das Motto des Sachsentreffens, „300 Jahre Samuel von Brukenthal“, wo erstmals eine Person im Mittelpunkt stand. Nicht nur als Vorbild, sondern auch als Botschaft: Auf die einzelne Person kommt es an – auf jeden, auf mich, auf dich! Die Pandemie hat auch die Kirche herausgefordert, neue Wege zu gehen. Das Motto für 2020, „Grenzen überwinden“, hat sich unwillkürlich als Omen erwiesen.
Die Theatergruppe Augsburg begeisterte mit dem ...
Die Theatergruppe Augsburg begeisterte mit dem sächsischen Theaterstück „Dot Getzich uch der Aparat“ von Hilde Juchum.
An eine endlich wieder volle Kirche hatten Kurator Mathias Krauss und Dagmar Baatz, Vorsitzende der HOG Großau, nicht nur aus Corona-Gründen kaum noch geglaubt. Und doch wird die Online-Komponente auch künftig alle Ereignisse der Siebenbürger Sachsen begleiten, wie die aufwändige Technik im Hintergrund bewies. Das Team um Robert Sonnleitner, Online-Bundesreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, beendete gerade seine Siebenbürgen-Dokumentationsreise und bot nun für alle, die am Sachsentreffen nicht teilnehmen konnten, Livestreams auf mehreren Kanälen (YouTube, Facebook, Siebenbuerger.de): die Party mit „Trio Saxones“, Blasmusik und Trachtenumzug, das sächsische Theaterstück „Dot Gezich uch der Aparat“ von Hilde Jochum, mit dem die Theatergruppe Augsburg unter der Regie von Maria Schenker vor vollem Saal begeisterte.

Miteinander – füreinander

Trachtenspalier vor dem Kirchentor, leuchtende Gesichter. Die Burzenländer und Bistritzer Bläser wetteiferten mit dem Wind. Trachtenzug aus der Kirche, über die Brücke, zum Rathaus und zurück. Die Jugend: den Blick zum Himmel erhoben, obwohl heftige Böen Haare zausten und Röcke bauschten. Die Junggebliebenen: am Rande in Grüppchen, die Krägen hochgezogen, im Plausch. Über den Kirchhof waberte der tröstliche Duft von Grillfleisch und Mici. Die Tanzgruppen aus Hermannstadt, Mühlbach, Kronstadt, Deva, Schäßburg, Bistritz und Sächsisch-Regen entlockten der Sonne endlich wieder ein warmes Lächeln! Link zum Video Auch Trachtenumzug, Aufmarsch, Blasmusik und die Volkstanzveranstaltung wurden live übertragen und können nun auch nachträglich noch in diesem Video angeschaut werden. Kameras: Hermann Depner, Bernd Breit, Patrick Krestel und Günther Melzer Die Festveranstaltung in der Kirche wurde erstmals simultan auf Rumänisch übersetzt. Grußworte, Festvorträge, Ehrengäste: Dr. Klaus Fabritius als stellvertretender Vorsitzender des DFDR, der Parlamentarier Ovidiu Ganț, Andreas Huber, österreichischer Honorarkonsul und Sprachrohr der Landler, Konsulent Manfred Schuller, Bundesobmann der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Ilse Welther, Vorsitzende des HOG-Verbands, Christian Plate, Geschäftsträger ad interim der deutschen Botschaft in Bukarest, Astrid Fodor, Bürgermeisterin Hermannstadts, Kreispräfekt Mircea Dorin Crețu...
Mit der Honterusmedaille geehrt wurde Rosemarie ...
Mit der Honterusmedaille geehrt wurde Rosemarie Müller, Kuratorin in Alzen.
Im Festvortrag ergänzte Șindilariu, was die Ausstellung über Brukenthal nicht verrät: Leistung, nicht der Adelstitel war der Schlüssel zum Erfolg! Darum ging es auch bei der Verleihung der Honterusmedaille an Rosemarie Müller, Kuratorin in Alzen. Die Laudatio hielt Landeskirchenkurator Friedrich Philippi. „Heimat ist da, wo es meiner Seele gut geht“, fasste diese den Grund für ihr Verbleiben in Alzen und ihren Einsatz für Brauchtum, Gemeinschaft und Kirche schlicht zusammen. In einer Zeit, in der 16 Pfarrer wechselten, hielt sie, wenn Not am Mann war, Gottesdienste ab, schrieb für Auswanderer Ahnenpässe aus dem Kirchenarchiv, fuhr Gemeindemitglieder zum Arzt oder Notar – und will jetzt auch noch das Akkordeonspielen erlernen! Das Wirken der lebhaften Deutschlehrerin im geistlichen, diakonischen und gemeinschaftlichen Bereich über viele Jahre ist beispiellos – und auf jeden Fall beispielgebend. Es muss gar nicht immer ein Brukenthal sein...

Nina May

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Schlagwörter: Sachsentreffen, Brukenthal, Großau, Forum, Siebenbürgenforum, Harald Roth, Thomas Sindilariu, Theatergruppe Augsburg, Alzen, Siebenbuerger.de, Webmaster, AK Internet

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