1. Mai 2022

Ostergottesdienst in der Schäßburger Bergkirche

Einige von den bis dato 5.000 Zuschauern des „Ostergottesdienstes von Daheim für Daheim“ - vor allem diejenigen, die im Deutschunterricht in der Schule sehr gut aufgepasst haben - werden sich vielleicht gefragt haben, wieso ein Gedicht von Goethe in der Einleitung des Gottesdienstes zu hören war. Goethe selbst hat sich als „Nichtchristen“ bezeichnet und hatte gegenüber der Kirche seiner Zeit (des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts) ein kritisches Verhältnis. Und vielleicht fragt man sich auch, was es mit dem Witz und dem Lachen am Ende des Gottesdienstes auf sich hat. Deswegen im Folgenden eine kleine Apologie des Osterspaziergangs und des Lachens im Gottesdienst.
Ostergottesdienst in der Schäßburger Bergkirche, ...
Ostergottesdienst in der Schäßburger Bergkirche, von links: Pfarrer Michael Reger und Alfred Dahinten, Alexandra Pamfilie, Jutta Martini, Dechant Dr. Hans-Bruno Fröhlich, Pfarrer Dietrich Galter. Foto: Adrian Pamfilie
Der „Osterspaziergang“ aus Goethes Hauptwerk „Faust“ ist wohl eines der bekanntesten Oster- oder Frühlingsgedichte. Zumindest mir fällt es immer als eines der ersten ein, wenn ich an Frühlingsgedichte denke. Als Protagonist der „Sturm und Drang“-Epoche der deutschen Literatur war Goethe der Meinung, die Kirche des 18. Jahrhunderts habe die Menschen zu sehr im Dunkeln (der Unbildung) gehalten, und erlaubt sich deshalb einen kleinen Seitenhieb in Richtung Kirche. Aber vor allem umschreibt der „Osterspaziergang“ aus Goethes "Faust" sehr gut die Stimmung der Menschen bezüglich der Auferstehung: die Überwindung der tiefen Traurigkeit und der geistlichen Not, den Neubeginn des Lebens mit Farben und Licht. Genau dieses erlebten auch die Frauen am Ostermorgen, wie auch Dr. Hans Bruno Fröhlich in seiner Predigt erläuterte, und sie kehrten befreit wieder in ihr Leben in Galiläa zurück. Und der „Osterspaziergang“ beschreibt weiterhin sehr schön, wie auch die Natur immer wieder ihre Totenstarre überwindet, ihre Trauerfarben abwirft und sich mit neuen Farben schmückt. In der Natur selbst versinnbildlicht sich die Auferstehung; das Leben erweist sich als stärker als der Tod. Link zum Video Video: Ostergottesdienst von Daheim für Daheim 2022. Regie: Alfred Dahinten. Produktion: Eduard Schneider Viele Osterbräuche, die wir kennen, haben etwas mit dieser erneuernden Kraft des Lebens zu tun, also mit der Fruchtbarkeit. Der Hase galt schon seit Plutarchs Zeiten als ein Symbol der Fruchtbarkeit. Die Häsin, stellte der antike Philosoph Plutarch fest, kann doppelt so viel tragen wie andere Tiere. Auch der für Siebenbürgen so typische Brauch des „Bespritzens“ hat etwas mit Lebenskraft zu tun, denn gleich einer schönen Blume sollten die Mädchen durch das Bespritzen fruchtbar gemacht werden, um neues Leben in die Welt zu setzen.

All diese Bräuche erinnern daran, dass das Leben letztendlich stärker ist als der Tod. Und da der Tod nun seinen endgültigen Charakter verloren hat, kann er auch ausgelacht werden. Das Ostergelächter war vom 14. bis 19. Jahrhundert ein fester Bestandteil des christlichen Brauchtums und sollte die Osterfreude herbeirufen. Die Kirchenhistoriker berichten allerdings auch, dass es an einigen Orten zu derben Witzen und zu obszöne Gesten in den mittelalterlichen Kirchen gekommen sei, so dass der Reformator Johannes Oekolampad sich in einem Brief gegen diesen Brauch aussprach und dadurch erst diesem Brauch auch einen Namen gab: „Risus paschalis“.

Der Brauch des Osterwitzes zeigt aber auch, dass es des Lachens bedarf, damit die Osterfreude tief in den Alltag der Menschen dringen und alle Lebensfragen beantworten kann. Der Apostel Paulus hat diese Tatsache als einer der Ersten begriffen und deswegen über den Tod gespottet und gelacht. „Tod, wo ist dein Sieg? Hölle, wo ist dein Stachel?“, schrieb der Apostel im ersten Korintherbrief. Wenn durch die Auferstehung Christi der Tod seine endgültige Macht verloren hat, dann bedeutet das Lachen überströmende Freude und Fröhlichkeit. Denjenigen, die immer noch der Meinung sind, dass Humor und Witze nicht in den kirchlichen Raum gehören, sollte noch gesagt werden, dass das deutsche Wort „Witz“ aus der Zeit der Aufklärung stammt und ursprünglich eine etwas andere Bedeutung hatte als heute; es bedeutete „Geist“; Geist haben. Witz haben (bzw. witzig sein) bedeutete damals geistreich sein. Humor gibt es nicht ohne Geist, ohne dass Menschen einander annehmen und ihr Leben bejahen. Schon in einer frühchristlichen Schrift, die den Namen „Hirte des Hermas“ trägt, heißt es: „Bekleide dich mit der Fröhlichkeit, die allezeit bei Gott Gnade findet und ihm wohlgefällig ist, und schwelge in ihr. Denn jeder fröhlich Mann tut Gutes und sinnt auf Gutes und verachtet die Traurigkeit. Mache dich also rein von dieser bösen Traurigkeit und du wirst Gott leben. Und alle werden Gott leben, wenn sie die Traurigkeit fortwerfen und nichts als die Fröhlichkeit anziehen“.

Christsein und Humor gehören zusammen, wie auch die Freude und die Fröhlichkeit zum Osterfest dazugehört. Denn wir verkündigen der Welt nicht die griesgrämige und nicht die traurige, sondern die frohe Botschaft vom Leben und von der Auferstehung des Heilandes. Weil also Christus auferstanden ist, kann es am Ende nicht anderes geben als ein fröhliches Lachen!

Pfr. Alfred Dahinten


Video auf YouTube: Ostergottesdienst von Daheim für Daheim 2022
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