5. April 2008

In Bistritz: Siebenbürger Sachsen und ihre Kirche im Mittelpunkt

Wie so oft während der letzten Jahrhunderte drehte sich auch Mitte März in Bistritz alles um das imposante Wahrzeichen der nordsiebenbürgischen Stadt, seine evangelische Kirche. Eine von Dr. Hans Franchy, dem energischen Vorsitzenden der HOG Bistritz-Nösen, angeregte Besprechung gewichtiger Verantwortlicher aus dem Bereich Politik und Landeskirche erörterte in seltener Runde und Offenheit, was getan werden muss, um die Restaurierung des architektonischen Aushängeschilds des Munizipiums Bistritz voranzutreiben. Rund 3,5 Millionen Euro sind nach Expertenmeinung notwendig, um während der nächsten fünf Jahre das Dringendste zu realisieren. Die Zusammenkunft in Bistritz fand gezielt im Rahmen des heurigen Ostermarktes des Demokratischen Forums der Deutschen aus Bistritz am Palmsonntagwochenende statt.
Wenn der Aufmacher der Bistritzer Tageszeitung „Mesagerul de Bistrița-Năsăud“ am Montag, dem 17. März, titelt „Sașii în sărbătoare“, dann muss sich irgend etwas Wichtiges in der 83 000 Einwohner zählenden nordsiebenbürgischen Stadt (davon wohl noch rund 200 Deutsche) zugetragen haben. „Sașii în sărbătoare – Die Sachsen feiern“ – es stimmt. Sie feierten am Palmsonntag ihren unter Federführung des Demokratischen Forums der Deutschen aus Bistritz zum sechsten Mal veranstalteten Ostermarkt, zahlreiche Kulturformationen gestalteten das Programm in Anwesenheit veritabler Ehrengäste mit.

Beeindruckender Festgottesdienst

Schon der Festgottesdienst in der evangelischen Kirche hatte es in sich: Wie oft haben die wenigen evangelischen Christen in Nordsiebenbürgen überhaupt die Gelegenheit, das Oberhaupt der eigenen Kirche als Prediger zu erleben? Diesmal war es der Fall. Bischof Dr. Christoph Klein – er hat während seiner dreitägigen Fahrt durch Nordsiebenbürgen neben Bistritz und Sächsisch Regen mehrere nordsiebenbürgische Diasporagemeinden besucht, was vor Ort viel Zufriedenheit der nur noch sehr wenigen Gemeindeglieder auslöste – predigte zu Hebräer 12 (1-3), wo es um das Ausharren in Prüfungen nach dem Vorbild Jesu geht. Bischof Klein machte mit den Anfangsworten der Bibelstelle „Darum wir auch …“ uns allen, auch uns in der Bistritzer Kirche, auch uns an diesem Tag Mut. Denn – sprach er deutlich aus – „wir sind nicht allein, wir haben etwas, worauf wir unser Leben gründen können.“
Evangelische Kirche Bistritz - Einzug der Pfarrer ...
Evangelische Kirche Bistritz - Einzug der Pfarrer am Palmsonntag 2008. Fotos: Horst Göbbel
Die Liturgie besorgten Stadtpfarrer Johann Dieter Krauss, Diasporapfarrer Johann Zey und Vikar Andreas Hartig. Das Heilige Abendmahl nachher war ein erhebender Moment. Wann haben zuletzt vier evangelische Geistliche, unter ihnen unser Landesbischof, im Bistritzer Altarraum Brot und Wein ausgeteilt?

Ostermarktfest mit prominenten Teilnehmern

Ab 12:00 Uhr begab sich ein bunter Festzug durch die Holzgasse an der evangelischen Kirche vorbei in Richtung Städtisches Kulturhaus, das frühere deutsche Gewerbevereinsgebäude, wovor auch die gut besuchten Ostermarktstände aufgebaut waren. Angeführt wurde der Zug von der Militärkapelle der Garnison Bistritz, ihr folgten die Kulturformationen „Regenbogen“, „Cununa de pe Someș“, „Arvalanyhaj“, „SincroN“, „Dor Românesc“, „Balada – Junior“ und die Blaskapelle des Demokratischen Forums der Deutschen aus Bistritz, „Păunița“ aus Sângeorz Băi sowie sächsische Tanzgruppen aus Sächsisch-Regen, Neumarkt, Schäßburg, die Sportgruppe „Floris“. Im geräumigen Festsaal begrüßte zu Beginn der Festlichkeiten der Forumsvorsitzende Prof. Eckhardt Zaig namhafte Gäste: den aus Hermannstadt angereisten deutschen Generalkonsul Jean Pierre Rollin, Bürgermeister Vasile Moldovan, den Vorsitzenden des Kreisrates Bistritz Nassod Gheorghe Marinescu, den Präfekten Ioan Szilaghi, natürlich Bischof Dr. Christoph Klein, den Landeskirchenanwalt Friedrich Gunesch, Landeskirchenkurator Dr. Paul Niedermeier, Stadtpfarrer Johann Krauss, Diasporapfarrer Johann Zey, seinen Kollegen vom Forum, den nimmermüden Geschäftsleiter und Stadtratskandidat Thomas Hartig, den Vorsitzenden der HOG Bistritz-Nösen Dr. Hans Franchy und Horst Göbbel aus Nürnberg, der den Festvortrag halten sollte. In ihren Grußworten betonten die Ehrengäste die historische Bedeutung der Siebenbürger Sachsen in Bistritz und ihre Rolle im heutigen Kulturleben der Stadt. In seinem einstündigen Festvortrag „Bistritz in Siebenbürgen – Rückblick und Ausblick“, natürlich in rumänischer Sprache gehalten, konnten die weit mehr als 500 Zuhörer – sicherlich die meisten von ihnen zum ersten Mal – wesentliche Daten, Fakten und Bewertungen zur jahrhundertelang entscheidenden Rolle der Siebenbürger Sachsen in Bistritz erfahren.
Tanzgruppe des Deutschen Forums Bistritz am ...
Tanzgruppe des Deutschen Forums Bistritz am Ostermarkt 2008.
Dabei lobte Göbbel die gegenwärtige Stadtführung, die sich im Gegensatz zu ihren Vorgängern in den trüben Zeiten des Kommunismus und unmittelbar nach der Wende 1989/90 heute beispielsweise zum deutschen Ursprung der Stadt offen bekennt.

Rumänisches Rathaus: Bistritz war deutsche Stadt

Auf der Internetseite des Bistritzer Rathauses ist zu lesen: „Bistrița este atestată documentar prima oară ca oraș în anul 1264 și iși datorează intr-o mare măsură geneza, evoluția și caracteristicile fizice, colonizării germane medievale. Așezarea este amplasată într-o zonă cu resurse naturale deosebit de bogate, iar conjunctura favorabilă, libertățile obținute de coloniști de la Coroana Maghiară, legislația urbană germană, calitatea si cultura grupului uman așezat aici, Biserica catolică (mai tîrziu evanghelică) și alți factori, au făcut ca orașul să se dezvolte rapid.”

Deutsch: „Bistritz ist urkundlich erstmals als Stadt 1264 erwähnt und verdankt in bedeutendem Maße seine Entstehung, Entwicklung und seine physische Charakteristik der mittelalterlichen deutschen Kolonisation. Der Ort liegt in einem Gebiet mit besonders reichen natürlichen Ressourcen, die günstige Konjunktur, die Freiheiten, die die Kolonisten von der ungarischen Krone erhalten hatten, das deutsche Stadtrecht, die Qualität und Kultur der hier angesiedelten Menschengruppe, die katholische Kirche (später die evangelische) und andere Faktoren, führten zu einer raschen Entwicklung der Stadt.”

Auf dieser Basis erschien es möglich, offen und klar die Vorzüge der deutschen Stadt Bistritz bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Rolle der Deutschen in der rumänischen Stadt Bistritz bis zur Gegenwart nachzuzeichnen. Dabei hob Göbbel – auch im Hinblick auf das für den nächsten Tag geplante gewichtige Gespräch zur Renovierung der evangelischen Kirche – u.a. hervor, dass es für ihn neben dem Umbau und der Fertigstellung des imposanten Kirchenbaus – Länge: 45 m, Breite: 20 m, Höhe des spätgotischen Gewölbes: 28 m – mit einmaliger Renaissance-Westfassade innerhalb von nur drei Jahren (von 1560 bis 1563) bei einer Bevölkerungszahl von rund 4500 Menschen ein noch größeres Wunder gäbe: Die tadellose Erhaltung und jeweilige Renovierung der Kirche 400 Jahre lang durch eine kleine Gemeinschaft von Bistritzer Sachsen, beseelt von ihrem kraftvollen Glauben, ihrer Energie, ihrem Fleiß, von ihrem unbändigen Willen, im Sinne der christlichen, im Sinne der städtischen Gemeinschaft zu handeln.

Sorgen um die evangelische Kirche breit erörtert

Der Montag nach Palmsonntag stand deutlich im Zeichen der Ev. Kirche im Stadtzentrum. Die von Dr. Hans Franchy, dem energischen Bistritzer HOG-Vorsitzenden, angeregte Besprechung im Pfarrhaus mit hochrangigen Teilnehmern bot die seltene Gelegenheit, offen und klar „den Finger in die Wunde“ – so die Schlagzeile mit großem Bild der evangelischen Kirche im „Mesagerul“ („Degetul pe rană) – zu legen. Notwendig erscheint seit langem ein echter Schulterschluss aller Verantwortlichen, wenn gelingen soll, was gelingen muss: die Restaurierung des architektonischen Aushängeschilds, des Symbols des Munizipiums Bistritz, seiner evangelischen Kirche. Nach der kurzen Einführung mit einer bildhaften Darstellung der Geschichte der Kirche durch Horst Göbbel präsentierte Stadtpfarrer Krauss präzise die bisherigen Bau- und Reparaturmaßnahmen und deren aktuellen Stand. Architekt Prof. Dr. ing. Bálint Szabó von der Firma Utilitas Klausenburg, eines der wenigen Zentren für die Untersuchung und Projekterstellung im Bereich der Rehabilitierung von gebautem Kulturgut, zugleich technischer Experte des Bukarester Kultus- und Kulturministeriums, erinnerte an die einzelnen Schritte der wissenschaftlichen und technischen Maßnahmen der strukturellen Konsolidierung und Restaurierungsarbeiten seit 1992, ohne bisherige Fehler und Versäumnisse auszusparen. Besonders problematisch erscheine dabei nach wie vor das Fehlen eines Gesamtplans zur Sanierung dieses architektonischen und kunsthistorischen Kleinods. Bis 2002 wurden die einzelnen Arbeiten fast nur von der evangelischen Kirchengemeinde Bistritz (natürlich auch mit Mitteln aus dem Ausland) beglichen, seither auch durch das Nationale Denkmalschutzamt, das Kultus- und Kulturministerium und besonders der Stadt Bistritz.

Evangelische Kirche in Bistritz, von Westen aus ...
Evangelische Kirche in Bistritz, von Westen aus gesehen, März 2008.
2005 gelang es dem Rathaus, die ev. Kirche in das „Interventionsprogramm der höchsten Dringlichkeitsstufe von Bauten die durch ihren bedrohlichen Bauzustand eine öffentliche Gefahr darstellen“ einordnen zu lassen. Im gleichen Jahr wurden mit Mitteln der Stadt die Restaurierungsarbeiten an der Westfassade bis auf einige Teilbereiche am Eingangsportal abgeschlossen und das dreizehnjährige Gerüst endlich abgebaut. Prof. Szabó geht davon aus, dass alle wesentlichen und unbedingt notwendigen Projektierungs- und Durchführungsarbeiten für die nächsten fünf Jahre ein Volumen von 3,5 Millionen Euro benötigen.

Bürgermeister Vasile Moldovan zeigte Möglichkeiten der Beschaffung von öffentlichen Mitteln von der Nationalen Investitionsbehörde und der Stadt Bistritz, speziell für die Restaurierungsarbeiten am zurzeit eingerüsteten Turm, der im Dezember 2007 mit neuen Kupferplatten gedeckt wurde, wobei derzeit die Finanzierung der gleichen Arbeit an den vier Türmchen leider in den Sternen stehe. Gheorghe Marinescu, der Vorsitzende des Kreisrates Bistritz-Nassod, erinnerte daran, dass es nie möglich sein würde, die gesamte notwendige Summe in einem Betrag zu erhalten, weil die einzelnen Regionen Rumäniens aus dem gleichen Topf bedient werden müssten. Deswegen sei nur eine Mischfinanzierung realistisch, wie dies auch bei der gelungenen Restaurierung der ältesten romanischen Kirche in Nordsiebenbürgen, derjenigen in Mönchsdorf oder der gotischen Kirche in Treppen der Fall gewesen sei. Friedrich Gunesch, unser Landeskirchenhauptanwalt, sehr gut vorbereitet, erläuterte den Weg zur Bereitstellung von Restaurierungsmitteln durch das Land, durch Stiftungen, sonstige Organisationen und Behörden sowie aus entsprechenden Fonds der Europäischen Union. Sehr radikal in einer kurzen Stellungnahme kritisierte Präfekt Ioan Szilágyi die bisherige Vorgehensweise der Restaurierungstätigkeiten. Ebenfalls kritisch äußerte sich Landeskirchenkurator Architekt Dr. Paul Niedermayer, der auch die Qualität durchgeführter Arbeiten deutlich bemängelte. Sehr nützlich erschien im Gesamtkonzert der Wortmeldungen auch der Vorschlag der Generalsekretärin des Bistritzer Rathauses Floare Gaftone, die für die Phase nach der Kommunalwahl am 1. Juni 2008 eine gemeinsame Sitzung des Stadt- und Kreisrates mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Renovierung der evangelischen Kirche – Finanzmittel und autorisierte Baufirmen für die Kirchenrenovierung“ vorschlug.

Rettet die wertvolle Prause-Orgel!

Anschließend referierte Pfarrer Krauss sehr überzeugend über die Renovierungsvorhaben an der 1795 gebauten wertvollen Prause-Orgel, über bisherige Erfolge (etwa das Sammeln von bis zu 8000 Euro bei Konzerten des Jugendbachchors Kronstadt unter der Leitung von Steffen Schlandt oder 2000 Euro, gesammelt vom Journalisten und Künstler Florin Săsărman, Gründer einer Stiftung zur Rettung des mittelalterlichen Stadtkerns und Begründer der mittelalterlichen Festspieltage Bistritz – er war auch anwesend) und die weiteren notwendigen Anstrengungen, um die von Experten veranschlagten 100.000 bis 160.000 Euro zusammenzubringen. Dr. Hans Franchy mahnte sehr eindringlich alle Verantwortlichen, Ihre Zusagen einzuhalten, die Renovierungsarbeiten substantiell und zeitnah voranzubringen. Bischof Dr. Klein, an das jahrzehntelange friedliche Zusammenleben aller ethnischen und konfesionellen Gruppen erinnernd, betonte zusammenfassend die überregionale Bedeutung des gewichtigen Bistritzer Renovierungsprojekts, wofür auch seine persönliche Teilnahme an dieser Besprechung stünde, und gab seiner Hoffnung in positive künftige Entwicklungen Ausdruck.

Immer wieder wurde während der über dreistündigen Besprechung betont, dass diese Kirche zwar Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde sei, jedoch der Stadt, all ihren Bürgern gehöre und in deren gemeinsamer Verantwortung stünde. Treffend stellte anderntags in seinem Zeitungsbeitrag im „Mesagerul“ am Ende Victor Știr fest: „Totuși, sașii sunt cei mai stăruitori pentru ca imobilul să nu fie o rușine pentru oraș.“ – „Und dennoch, die Sachsen sind die beharrlichsten, damit die Immobilie kein Schandfleck für die Stadt sein soll.“ Wie wahr!

Horst Göbbel

Schlagwörter: Stadtpfarrkirche Bistritz, Nordsiebenbürgen, Kirchenrenovierung, HOG

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