21. Oktober 2008
Die Störche kehren immer wieder zurück
Ich muss es mir schon ehrlich eingestehen: Zu Beginn des Reisevorhabens verband ich mit Siebenbürgen nur Hermannstadt, die europäische Kulturhauptstadt 2007, die Kirchenburg in Tartlau und die Figur des Dracula. Ein wenig voreingenommen also. Die Straßen waren vollgestopft, hoffnungslos überlastet und die rumänischen Pkw, auch die Trucks, überholten uns an uneinsehbaren Stellen waghalsig. Oft war nur Schritttempo möglich.
Aber mit einem sehr guten Reiseführer und die Landkarte griffbereit, kamen wir nach fast zwei Tagen Autofahrt in Reußmarkt, unserer ersten Station in Siebenbürgen, an. Wir waren nach Siebenbürgen unterwegs, um uns Kirchenburgen anzusehen und die im Land gebliebenen Siebenbürger Sachsen kennen zu lernen.
Die schlechten Straßenverhältnisse waren eine Erfahrung am Rande, jedoch für die Zeitplanung nicht unwesentlich, denn Verbindungen zwischen zwei Dörfern, die auf der Karte nur wenige Kilometer entfernt schienen, erforderten oft lange Fahrtzeiten. Schöne Erfahrungen waren dagegen die Gastfreundschaft in den evangelischen Pfarrämtern, die uns oft eine preiswerte Herberge boten, und so haben wir, dank der Recherchen unseres orts- und sprachkundigen Reisebegleiters Pitt, auf diese Weise in Reußmarkt, Honigberg und Fogarasch einfach und gut geschlafen. Mir bleiben von dieser Reise drei Kirchenburgen in besonderer Erinnerung: Reußmarkt war die erste Kirchenburg in Siebenbürgen, die ich betrat. Der freundliche Burghüter hieß Adolf Hüter. Die Kirchenburg Meschen, in der wir kurzzeitig eingesperrt waren, weil eine übereifrige Burghüterin sich nicht von der Anwesenheit neuer Besucher überzeugte und die schwere Eichentür verschloss, so dass wir die Wehrhaftigkeit der Anlage im wahrsten Sinne des Wortes spüren konnten; und in Waldhütten, weil mir hier, in der verfallenden Kirchenburg, die Endzeitstimmung dieser einst von Deutschen geprägten Kulturlandschaft bewusst wurde – ein Gefühl, das auch meine Reisebegleiter mehrfach ergriff. Mehr Hoffnung spürte man in den Orten, deren Kirchen zum Weltkulturerbe zählen, wie Birthälm, Wurmloch, Tartlau oder Deutsch-Weißkirch. So war diese Reise nicht nur eine wichtige Erfahrung in Sachen Baukultur, sondern vor allem waren es Dialoge, zuweilen auch Monologe zwischen unserem aus Hermannstadt stammenden Reisebegleiter und uns – darüber hinaus Gespräche, die wir mit den „Daheimgebliebenen“ führten.
Berührt, manchmal auch fassungslos, lauschten wir ihren Erzählungen, ihren Lebensgeschichten. So ist die Erinnerung an den 81-jährigen Herrn Thome in der Kirchenburg in Hamruden für mich noch allgegenwärtig, der sich als junger Mann, nach Kriegsende, im Januar 1945, im Wald versteckte, um so der Deportation zu entgehen. Er weinte zum Abschied und ich war sehr betroffen, als er zum Schluss die Bitte äußerte: „Vergesst uns Deutsche hier nicht!“
Die ehemals sächsischen Dörfer wirken wie Enklaven in einem fremden Land. Die einstige Ordnung, der Fleiß ihrer ehemaligen Bewohner, die fruchtbaren Böden, alles ist spürbar und in der Dorfstruktur noch sichtbar. Vermutlich ist das Ende einer blühenden Epoche in Siebenbürgen durch die Siebenbürger Sachsen längst besiegelt und es gilt Wege zu finden und Chancen zu nutzen, um an die kulturellen Leistungen dauerhaft zu erinnern. Zuversicht, dass es sich lohnt, die Erinnerung an diese Zeit wach zu halten, haben wir u. a. in Birthälm am Bücherstand einer sehr gut deutsch sprechenden Rumänin erfahren, die uns mit strahlenden Augen das baukünstlerische Erbe der Siebenbürger Sachsen erklärte und auch Reisen für deutsche Touristen organisiert – oder in Deutsch-Weißkirch, wo das Interesse des englischen Königshauses an der Kirchenburg die gesamte Ortschaft ergriffen hat, so dass Touristen aus ganz Europa den beschwerlichen Fahrweg dorthin auf sich nehmen, um ein nahezu sächsisches „Bilderbuchdorf“, ein Denkmalensemble zu erleben, indes sich die Bewohner ganz langsam auf den wachsenden Tourismus einstellen. Frau Schneider, die rührige Burghüterin in Deutsch-Weißkirch, berichtete voller Stolz von der im Mai wiedereingeweihten restaurierten Orgel. An manchen Tagen drängen sich die Touristen in die Kirchenburg, so dass sie den Ansturm oft nicht mehr allein bewältigen kann. Noch gibt es keine konkreten Überlegungen, wie man dieses neue touristische Interesse, auch an anderen Kirchenburgen, zukünftig organisiert.
Als Resümee der vielen intensiv erlebten Augenblicke dieser Reise bleibt mein Wunsch, dass die Nachfahren der ausgewanderten Siebenbürger Sachsen gemeinsam mit jenen Rumänen, die sich für die siebenbürgische Geschichte interessieren, eine europäische Zukunft anstreben und vielleicht dadurch der alten siebenbürgischen Kultur neue Impulse geben. Das wäre auch für das Selbstverständnis und den Mut, der in Siebenbürgen gebliebenen Deutschen, die in den Dörfern die Kultur bewahren und sie weitergeben wollen, angemessen. Es heißt ja: Störche kehren immer wieder an ihren Geburtsort zurück. Dazu ist mir ein Bild von Großau besonders in Erinnerung, wo auf nahezu jedem Strommast im Dorf Störche nisteten.
Die schlechten Straßenverhältnisse waren eine Erfahrung am Rande, jedoch für die Zeitplanung nicht unwesentlich, denn Verbindungen zwischen zwei Dörfern, die auf der Karte nur wenige Kilometer entfernt schienen, erforderten oft lange Fahrtzeiten. Schöne Erfahrungen waren dagegen die Gastfreundschaft in den evangelischen Pfarrämtern, die uns oft eine preiswerte Herberge boten, und so haben wir, dank der Recherchen unseres orts- und sprachkundigen Reisebegleiters Pitt, auf diese Weise in Reußmarkt, Honigberg und Fogarasch einfach und gut geschlafen. Mir bleiben von dieser Reise drei Kirchenburgen in besonderer Erinnerung: Reußmarkt war die erste Kirchenburg in Siebenbürgen, die ich betrat. Der freundliche Burghüter hieß Adolf Hüter. Die Kirchenburg Meschen, in der wir kurzzeitig eingesperrt waren, weil eine übereifrige Burghüterin sich nicht von der Anwesenheit neuer Besucher überzeugte und die schwere Eichentür verschloss, so dass wir die Wehrhaftigkeit der Anlage im wahrsten Sinne des Wortes spüren konnten; und in Waldhütten, weil mir hier, in der verfallenden Kirchenburg, die Endzeitstimmung dieser einst von Deutschen geprägten Kulturlandschaft bewusst wurde – ein Gefühl, das auch meine Reisebegleiter mehrfach ergriff. Mehr Hoffnung spürte man in den Orten, deren Kirchen zum Weltkulturerbe zählen, wie Birthälm, Wurmloch, Tartlau oder Deutsch-Weißkirch. So war diese Reise nicht nur eine wichtige Erfahrung in Sachen Baukultur, sondern vor allem waren es Dialoge, zuweilen auch Monologe zwischen unserem aus Hermannstadt stammenden Reisebegleiter und uns – darüber hinaus Gespräche, die wir mit den „Daheimgebliebenen“ führten.
Berührt, manchmal auch fassungslos, lauschten wir ihren Erzählungen, ihren Lebensgeschichten. So ist die Erinnerung an den 81-jährigen Herrn Thome in der Kirchenburg in Hamruden für mich noch allgegenwärtig, der sich als junger Mann, nach Kriegsende, im Januar 1945, im Wald versteckte, um so der Deportation zu entgehen. Er weinte zum Abschied und ich war sehr betroffen, als er zum Schluss die Bitte äußerte: „Vergesst uns Deutsche hier nicht!“
Die ehemals sächsischen Dörfer wirken wie Enklaven in einem fremden Land. Die einstige Ordnung, der Fleiß ihrer ehemaligen Bewohner, die fruchtbaren Böden, alles ist spürbar und in der Dorfstruktur noch sichtbar. Vermutlich ist das Ende einer blühenden Epoche in Siebenbürgen durch die Siebenbürger Sachsen längst besiegelt und es gilt Wege zu finden und Chancen zu nutzen, um an die kulturellen Leistungen dauerhaft zu erinnern. Zuversicht, dass es sich lohnt, die Erinnerung an diese Zeit wach zu halten, haben wir u. a. in Birthälm am Bücherstand einer sehr gut deutsch sprechenden Rumänin erfahren, die uns mit strahlenden Augen das baukünstlerische Erbe der Siebenbürger Sachsen erklärte und auch Reisen für deutsche Touristen organisiert – oder in Deutsch-Weißkirch, wo das Interesse des englischen Königshauses an der Kirchenburg die gesamte Ortschaft ergriffen hat, so dass Touristen aus ganz Europa den beschwerlichen Fahrweg dorthin auf sich nehmen, um ein nahezu sächsisches „Bilderbuchdorf“, ein Denkmalensemble zu erleben, indes sich die Bewohner ganz langsam auf den wachsenden Tourismus einstellen. Frau Schneider, die rührige Burghüterin in Deutsch-Weißkirch, berichtete voller Stolz von der im Mai wiedereingeweihten restaurierten Orgel. An manchen Tagen drängen sich die Touristen in die Kirchenburg, so dass sie den Ansturm oft nicht mehr allein bewältigen kann. Noch gibt es keine konkreten Überlegungen, wie man dieses neue touristische Interesse, auch an anderen Kirchenburgen, zukünftig organisiert.
Als Resümee der vielen intensiv erlebten Augenblicke dieser Reise bleibt mein Wunsch, dass die Nachfahren der ausgewanderten Siebenbürger Sachsen gemeinsam mit jenen Rumänen, die sich für die siebenbürgische Geschichte interessieren, eine europäische Zukunft anstreben und vielleicht dadurch der alten siebenbürgischen Kultur neue Impulse geben. Das wäre auch für das Selbstverständnis und den Mut, der in Siebenbürgen gebliebenen Deutschen, die in den Dörfern die Kultur bewahren und sie weitergeben wollen, angemessen. Es heißt ja: Störche kehren immer wieder an ihren Geburtsort zurück. Dazu ist mir ein Bild von Großau besonders in Erinnerung, wo auf nahezu jedem Strommast im Dorf Störche nisteten.
Sabine Berner
Schlagwörter: Reisebericht
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Neueste Kommentare
- 31.01.2009, 14:35 Uhr von Karl: Ich hab gedacht, du denkst immer noch in den alten Strukturen, gloria. [weiter]
- 24.01.2009, 22:58 Uhr von gloria: @Karl Sie nehmen sich sehr wichtig,Vorsicht: Hochmut kommt vor den Fall! Ignorieren kann und ... [weiter]
- 22.01.2009, 16:56 Uhr von getkiss: Hi, Bankban, neidisch, wofür? Ich bin doch nicht mehr im Hamsterrad, lach... [weiter]
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