6. Juni 2008

Heiter-packendes Mundarttheater

Zur ersten kulturellen Großveranstaltung nach der feierlichen Eröffnung des Heimattages waren am Pfingstsamstag hunderte Besucher in den Schrannen-Festsaal gekommen. Auch wenn der Ort des Geschehens des siebenbürgisch-sächsischen Theaterstückes "Tichtig wore se dennich!" von Bernddieter Schobel kein griechisches Amphitheater war und – Gott sei Dank – keine antiken Rachegötinnen durch ihren ekstatischen Tanz zur Aufklärung eines Mordes beitragen mussten, wirkte die Handlung des Stückes dennoch so packend, dass die sehr zahlreichen Theatergäste ihre ganze Aufmerksamkeit dem Bühnengeschehen widmeten.
Nach der Begrüßung und den einführenden Worten des stellvertretenden Bundesvor­sitzenden Alfred Mrass ist es soweit: Ein Mann tritt vor den Vorhang – es ist der Autor des Stückes – und begrüßt sein pfingstlich eingestimmtes und erwartungsvolles Publikum, erzählt dann eine Anekdote, die das Thema des Stückes aufscheinen lässt, erwähnt auch die Geburtsstunde seines Lustspiels in zwei Bildern und nennt die wichtigsten Namen derer, die sich während der letzten anderthalb Jahrhunderte in ihren volkskundlichen Schriften mit dem Thema der Necknamen beschäftigt haben: neben Joseph Haltrich sind es Misch Orend, Helmut Kelp und Hanni Markel.
Die Theatergruppe Crailsheim mit dem Autor des ...
Die Theatergruppe Crailsheim mit dem Autor des Theaterstückes "Tichtig wore se dennich!", Pfarrer i.R. Bernddieter Schobel (Mitte).
Die Anekdote: Vor langer Zeit studierte ein junger Mann aus Michelsberg in Wien. Als er mit seinen Kommilitonen im Hörsaal den Professor erwartete, pfiff jemand in die Stille hinein, genauso wie der Vogel „Patcharus“ pfeift, mit dem man die Michelsberger bis heute neckt. Da stand unser Michelsberger auf, drehte sich um und rief in den Saal hinein: „Ist auch hier so ein nichtsnutziger Hermannstädter Stieglitzfresser? Man erzählte sich nämlich, dass besonders sparsame Hermannstädter Bürgersfrauen das Kraut statt mit fettem Schweinefleisch mit Stieglitzen gekocht hätten.

Zum Entstehungshintergrund des eigens für die Aufführung beim Heimattag geschriebenen Stückes: Der Gedanke, Orts-Necknamen zu thematisieren, war im Stuttgarter Haus der Heimat bei einer Arbeitssitzung des geschäftsführenden Vorstands der Landesgruppe aufgekommen. Diesen Vorschlag griff Bernddieter Schobel auf und baute ihn in eine eigenständige Handlung ein, die ihre Komik nicht nur aus der Erwähnung etlicher Necknamen beziehungsweise der ihnen zugrunde liegenden Anekdoten bezieht, sondern durch zahlreiche komödiantische Einfälle wie Situationskomik, sprechende Namen oder Wortspiele belebt wird.

Erwähnenswert ist auch die lokale wie temporale Ansiedlung der Handlung: Das Stück spielt nicht in Siebenbürgen! Ort der Handlung ist eine beliebige mittelgroße Stadt in Deutsch­land. Dies ist das eigentlich Neue an dieser Mundartkomödie: Die handelnden Personen sind Aussiedler unserer Tage, die in der neuen Heimat jeweils auf ihre Weise zurechtkommen und dabei stolz auf die Tüchtigkeit ihrer Vorfahren sind.

Eine dichterische Lizenz ist das Tüpfelchen auf dem i: In dem Stück kommt auch der Ort „Pelsendref“ vor, eine Gemeinde, die der Autor vor längerer Zeit erfunden hat. Mehrere Gedichte über die „Trenjemahn vu Pelsendref“ hat er schon veröffentlicht und vorgetragen. Die ihm derart vertraute Trenjemahn wird auch im Lustspiel als Katharina Figuli zur zentralen weiblichen Rolle, überzeugend dargestellt von Mathilde Klein. In weiteren elf Rollen – sechs weiblichen und fünf männlichen – wirkten mit: Hannelore Schneider als Malvine Schönauer, Bernddieter Schobel als Rudolf Leutkenner, Gustav Krauss als Michael Scholtes, Karin Winzel als Maria Scholtes, Anita Jäger als Heidrun Scholtes, Thomas Schenker als Karl-Heinz Scholtes, Friedrich Wegendt als Peter Scholtes, Gerhard Bruckner als Johann Kloos, Karin Schenker als Sara Grommes, Christine Klein als Susanna Schneider und Marion Jäger als Claudia Schmückle.

Die Theatergruppe Crailsheim unter der Lei­tung von Renate Jäger besteht seit November 2001. Seither hat die Gruppe drei Theater­stücke in Crailsheim und auswärts aufgeführt. Dass sie nun ein „eigenes“ Stück, nämlich das ihres ebenfalls in Crailsheim lebenden Lands­mannes Bernddieter Schobel aufführen kann, erfüllt sie mit besonderer Freude. Für die reife Leistung der Truppe dankten abschließend die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter und Siegfried Habicher.

S.H.

Schlagwörter: Heimattag 2008, Mundart, Theater

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