19. März 2013

Bundeskanzlerin spricht beim BdV-Jahresempfang

Berlin - Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat den Bund der Vertriebenen (BdV) für sein vielfältiges Engagement im Geist der europäischen Verständigung gewürdigt. Auf dem Jahresempfang des BdV am 12. März in Berlin bescheinigte sie den deutschen Vertriebenen „zugleich eine Erfolgsgeschichte des Neustarts und der Integration in Deutschland“. An ihr historisches Schicksal will die Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung erinnern. Die Planungsarbeiten für das Dokumentationszentrum im Deutschlandhaus in Berlin seien weit vorangeschritten, sagte Dr. Merkel. Bei der feierlichen Veranstaltung wurde dem Historiker Prof. em. Dr. Horst Möller die Ehrenplakette des BdV verliehen.
Zum traditionellen Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, der in der Bayerischen Vertretung in Berlin stattfand, konnte BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB (CDU), zahlreiche Vertreter aus der Politik - neben Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auch Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich und den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner -, den Kirchen, der Wissenschaft, dem Diplomatischen Corps und den Medien begrüßen. Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland war durch den Bundesvorsitzenden und BdV-Vizepräsidenten Dr. Bernd Fabritius vertreten.

In ihrer Rede zum Jahresempfang dankte BdV-Präsidentin Erika Steinbach der ungarischen Nationalversammlung für die Schaffung eines nationalen Gedenktags (terminiert auf den 19. Januar, den Tag, an dem 1946 der erste Transport mit vertriebenen Ungarndeutschen startete; die Redaktion), um an die Vertreibung Deutscher ab 1945 zu erinnern. Diese Entscheidung, die Ungarn „als erstes und einziges Land“ getroffen habe, sei „nicht nur für die Ungarndeutschen und den BdV, sondern für die Menschenrechte insgesamt“ bedeutsam und habe auch für andere Länder Vorbildcharakter. Steinbach zufolge sei es jetzt an Deutschland, „diesen singulären Beschluss öffentlich zu würdigen, dafür zu danken und sich jetzt auch der eigenen Verantwortung und der Versprechen für einen Gedenktag in Deutschland zu erinnern“. (Anmerkung der Redaktion: Bundestagspräsident Norbert Lammert, der neben Erika Steinbach und Dr. Christoph Bergner als Ehrengast im ungarischen Parlament anwesend war, hat den Beschluss der ungarischen Nationalversammlung in seiner Festansprache als „eindrucksvolle Geste der Verständigung und Versöhnung“ gewürdigt.). An die vor Ort versammelten Medienvertreter adressierte die BdV-Präsidentin ihre Kritik an der aktuellen negativen Ungarn-Berichterstattung. Der „moralische Zeigefinger“ werde gegen Ungarn „in einer Intensität“ erhoben, wie es in Richtung anderer EU-Länder kaum je zuvor geschehen sei, wobei die Berichterstattung „gerade hier in Deutschland in einem erheblichen Maße nicht auf Fakten“ beruhe.

Als erfreulich wertete es BdV-Präsidentin Erika Steinbach, „dass sich nur noch eine absolute Minderheit von Ländern ihrer historischen Verantwortung für die Vertreibung der Deutschen entzieht“. Es gebe seitens der betroffenen Staaten in Osteuropa inzwischen „Zeichen des Mitgefühls und der Zuwendung“. So habe der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas kürzlich im Bayerischen Landtag die Vertreibung der Sudetendeutschen und das damit verbundene Leid und Unrecht ausdrücklich bedauert.

Im Anschluss an diese Rede erhielt der Historiker und frühere Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Prof. em. Dr. Horst Möller, die Ehrenplakette, die höchste Auszeichnung des BdV. In ihrer Laudatio würdigte Erika Steinbach Horst Möller als „einen der kompetentesten Historiker der Gegenwart“, der in seinen wissenschaftlichen Arbeiten, Aufsätzen und Vorträgen „ zu den Problemen der Gegenwart und Geschichte kompetent Stellung bezogen“ habe. Im Rahmen seiner Arbeitsschwerpunkte in der deutschen und europäischen Geschichte der Neuzeit während seiner Zeit als Direktor des Instituts für Zeitgeschichte habe er insbesondere zu Fragen von Flucht und Vertreibung „klar und eindeutig – und das war häufig mutig - auf Basis von Fakten seine Meinung vertreten“.

Bundeskanzlerin würdigt „Erfolgsgeschichte der Integration“


Eingangs ihrer Rede bewertete Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Petr Nečas im Bayerischen Landtag als „wichtiges historisches Ereignis“. Erlittenes lasse sich nicht ungeschehen machen, doch eine gemeinsame Sicht auf das Geschehene könne sich als „Grundstock eines neuen Miteinanders“ erweisen.

Mit dem Hinweis auf das diesjährige Leitwort des BdV, „Unser Kulturerbe - Reichtum und Auftrag“, erklärte die Bundeskanzlerin, dass der Geschichte und den früheren Lebensumständen der Russlanddeutschen ein aktueller Förderschwerpunkte der Bundesregierung gewidmet sei. Anlass ist ein historisches Jubiläum: Vor 250 Jahren legte Zarin Katharina II. mit einem Manifest den Grundstein für die deutsche Besiedlung vor allem der Wolga-Region. Die jahrhundertelangen Traditionen Deutscher im Osten Europas seien Teil unseres gemeinsamen kulturellen Erbes, dessen Erforschung und Bewahrung Merkel als eine „gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern“ erkannte.
Dr. Angela Merkel (rechts) hielt beim ...
Dr. Angela Merkel (rechts) hielt beim Jahresempfang des BdV in Berlin eine Rede. Die Aufnahme zeigt neben der Bundeskanzlerin von links nach rechts: BdV-Präsidentin Erika Steinbach, den Vorsitzenden des BdV-Landesverbandes Niedersachsen, Otto Dix, den Bundesvorsitzenden und BdV-Vizepräsidenten Dr. Bernd Fabritius, den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Adolf Fetsch. Bildquelle: BdV
Wie die Bundeskanzlerin weiter ausführte, würden wir Antworten auf Fragen von Identität und Heimat auch in unserer Erinnerungskultur finden. Es bedürfe eines wachen Blickes auf das Leid der Vergangenheit, den Schmerz und die Trauer von Vertriebenen, ebenso wie des Werbens für Verständigung. Daran wolle die Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung erinnern, bekräftigte die Bundeskanzlerin. Die Planungsarbeiten für einen modernen Museumsbau im Deutschlandhaus in Berlin seien weit vorangeschritten. Die Sanierungs- und Neubaumaßnahmen könnten bald beginnen. Die Bundesregierung habe die Mittel aus dem Bundeshaushalt für die Stiftung für das laufende Jahr um 50 Prozent auf 3,75 Millionen Euro aufgestockt. Das Schicksal der deutschen Vertriebenen werde besonders im Fokus der künftigen Dauerausstellung stehen. Die meisten, die ihre Heimat verlassen mussten, hätten „mit viel Einsatz, Fleiß und Geduld dann ihren Platz im Nachkriegsdeutschland gefunden“ und „eine einzigartige Erfolgsgeschichte des Neustarts und eine Erfolgsgeschichte der Integration geschrieben“.

Der Staat habe dabei unterstützend gewirkt. Dr. Merkel erinnerte an das vor 60 Jahren in Kraft getretene Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge. Zusammen mit dem Lastenausgleichsgesetz sei es das Fundament für die Kriegsfolgenrechte der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesvertriebenengesetz ermögliche es Menschen, in das Land ihrer Vorfahren zurückzukehren – „das ist eine ganz wichtige Brücke“. Seit 1950 habe Deutschland auf diese Weise 4,5 Millionen Aussiedler, Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen aufgenommen, eine „gewaltige Integrationsleistung“, betonte Merkel.

Die Bundeskanzlerin warb um unsere Aufmerksamkeit auch für diejenigen mit deutschen Wurzeln, die in Ost- und Südosteuropa geblieben sind und ihre Sprache und kulturelle Identität pflegen können sollten.

Die Mitglieder des BdV, der Landesverbände und Landsmannschaften unterstützten sowohl die Kommenden, als auch die Bleibenden, stellte Dr. Merkel fest. Auch das zeichne die Arbeit der BdV-Mitglieder aus, unterstrich die Bundeskanzlerin: „Sie beraten und betreuen Vertriebene und Spätaussiedler. Sie unterstützen deutsche Volksgruppen und Minderheiten, die in ihrer Heimat geblieben sind. Und Sie bewahren die Erinnerung an Flucht und Vertreibung – dadurch, dass Sie diese Erinnerung bewahren, bewahren Sie sich auch immer ein ganz klares Gefühl dafür, wo solche Ungerechtigkeiten heute wieder geschehen. Und Sie arbeiten im Geist der europäischen Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn zusammen. Ich weiß, dass sich die allermeisten von Ihnen unermüdlich ehrenamtlich engagieren und Sie damit Brückenbauer im wahrsten Sinne des Wortes sind. Das ist einer der Gründe, dass ich jedes Jahr so gern hierherkomme, um dafür einfach danke zu sagen. Denn Sie ermöglichen uns damit einen ganz speziellen und mit der deutschen Geschichte ganz eng verbundenen Blick auf unsere gemeinsame europäische Geschichte, in der wir die Dinge beim Namen nennen müssen und trotzdem nach vorn blicken wollen.“ Mit diesem Fazit beschloss die Bundeskanzlerin ihre Rede. Der weitere Verlauf des Abends bot Gelegenheit zum angeregten Meinungsaustausch.

Christian Schoger


Schlagwörter: BdV, Berlin, Empfang, Fabritius

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