17. Februar 2014
Entschädigungsgesetz für politisch Verfolgte wird umgesetzt
Auf Initiative des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und der anderen rumäniendeutschen Landsmannschaften wurde das Entschädigungsdekret 118/1990 auf alle Betroffenen ausgeweitet, die nicht mehr im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit sind. Das geschieht durch das Gesetz 211/2013, das seit der Veröffentlichung im Amtsblatt Rumäniens „Monitorul Oficial“ vom 2. Juli 2013 in Kraft ist. Die wichtigsten Anwendungsfälle für die Deutschen aus Rumänien sind die Zwangsdeportationen in die Sowjetunion und die Zwangsumsiedlungen (Bărăgan, Szeklerland etc.). Praktische Fragen zu diesem Gesetz beantwortet im Folgenden Rechtsanwalt Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbandes.
Wird das Gesetz 211/2013 inzwischen umgesetzt?
Ja, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die nicht notwendig gewesen wären und verbesserungsbedürftige Defizite in den rumänischen Verwaltungsstrukturen aufzeigen, wird das Gesetz nun in vielen Landkreisen in Rumänien umgesetzt. Es war zuweilen ein Kampf mit Windmühlen, der aber in den wesentlichen Punkten nun geklärt ist. In Einzelfällen wird man weiter gegen Unverständnis und auch Unwillen einzelner Behörden angehen müssen, aber im Wesentlichen läuft es seit einigen Wochen.
Welches waren in der Vergangenheit die größten Umsetzungshemmnisse?
Am meisten hat uns eine verwunderliche Rechtsauffassung in Rumänien zu schaffen gemacht, die eine „persönliche Antragstellung“ wörtlich aufgefasst und eine persönliche Vorsprache der Betroffenen an den Schaltern der Behörden gefordert hatte. Danach war ein Auslegungsunwillen und eine sehr verwunderliche Denkstarre bezüglich des Begriffs „Deportation ins Ausland“ auszuräumen: Viele Behördenvertreter in den Landkreisen hatten keinerlei Kenntnis von den historischen Geschehnissen in den Wintermonaten des Jahres 1945 und waren nicht bereit, entsprechende Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn z.B. im Arbeitsbuch – wie damals üblich – nur „Wiederaufbauarbeit in der UdSSR“ eingetragen war, lehnten die Behörden eine Anerkennung ab, weil dieses nach deren verwunderlicher Auffassung nicht auf eine „Deportation“ oder auf „Unrecht“ hinweise. Andere Behörden, die zu dieser Frage zwar besser informiert waren, bestanden auf einer Übersendung von Unterlagen, die entweder gar nicht erforderlich gewesen wären oder die in Deutschland anders als in Rumänien erstellt werden. Unterlagen so zu akzeptieren, wie diese in Deutschland erstellt werden, war für sie vorerst nicht vorstellbar.
Was für Fälle meinen Sie konkret?
Einige Behörden forderten z.B. Übersetzungen deutschsprachiger Urkunden durch einen Notar. Dass in Deutschland Notare keine Übersetzungen fertigen, sondern dafür öffentlich bestellte Übersetzer bei den Landgerichten ernannt werden, die auch Übersetzungen beglaubigen dürfen, wollten diese Behörden zuerst nicht zur Kenntnis nehmen. Andere begnügten sich nicht mit amtlich beglaubigten Kopien, wie diese für Sozialzwecke nach den gesetzlichen Vorschriften in Deutschland von jeder Behörde beglaubigt werden dürfen, sondern wollten auch hier zwingend Beglaubigungen der Kopien durch einen Notar. Dieses stellte jedoch eine unnötige Komplizierung und Verteuerung dar, weil Notare in Deutschland Übersetzungen der zu beglaubigenden rumänischen Urkunden in die deutsche Sprache fordern, die man bei der beabsichtigten Vorlage in Rumänien jedoch überhaupt nicht benötigt. Das sind nur einige der Hürden, die es zu bewältigen galt. Die Liste ist viel länger.
Was wurde unternommen, um die Umsetzung zu erleichtern und zu beschleunigen?
Zunächst durch viele schriftliche Eingaben und dann sogar durch drei Arbeitsgespräche in Bukarest wurde dafür gesorgt dass, dass die Anträge schriftlich per Post nach Rumänien gesendet werden dürfen und die Anreise der oft schon sehr betagten Betroffenen nach Rumänien nicht mehr gefordert wird. Bei den Gesprächen in Bukarest wurde erreicht, dass das Arbeitsministerium und die Aufsichtsbehörde in Bukarest eine Weisung an die nachgeordneten Dienststellen erließen, so dass Anträge der Betroffenen in schriftlicher Form per Post akzeptiert und entschieden werden. Auch die Frage, ob „Aufbauarbeit in der UdSSR“ als Tatbestand der Deportation ins Ausland im Sinne des Gesetzes 118/1990 anzuerkennen ist, wurde erfolgreich geklärt. Ein persönliches Gespräch mit Premierminister Victor Ponta brachte letztlich den Durchbruch und führte dazu, dass die rumänische Regierung in einem „Memorandum“ diese Frage ausdrücklich im Sinne der Betroffenen entschieden hat (vgl. „Verband setzt sich energisch für Mitglieder ein“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2013, Seite 2). Auch die Frage der vorzulegenden Unterlagen und Beglaubigungen konnte geklärt werden. In Zusammenarbeit mit der rumänischen Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in München wurde ein klärendes Schreiben an das zuständige Ministerium in Bukarest gerichtet, in welchem über die Gepflogenheiten in Sozialverfahren in Deutschland informiert wurde. Dabei wurde dargelegt, dass Übersetzungen durch beeidigte Übersetzer zulässig und Bestätigungen von Kopien in Sozialverfahren durch alle Behörden, Sozialeinrichtungen und durch zugelassene Berufsträger möglich seien. Diese Informationen hat das zuständige Ministerium dann ebenfalls als interne Weisung an alle Dienststellen im Lande übermittelt und eine eilige Umsetzung angeordnet. Damit sind die schwierigsten Probleme gelöst. Es wird nötig sein, eventuell auftauchende Probleme in Einzelfällen anzugehen, um Betroffenen kurzfristig zu den ihnen zustehenden Leistungen zu verhelfen.
Was muss man bei der Antragstellung beachten?
Es handelt sich um ein zweistufiges Antragsverfahren. Zuerst muss der Antrag auf Feststellung der Berechtigung („calitatea de beneficiar“) gestellt werden. Diese Anträge können schriftlich an die zuständige Sozialbehörde (Agenția Județeană pentru Plăți și Inspecție Socială – AJPIS) am letzten Wohnort in Rumänien gestellt werden. Beifügen muss man beglaubigte Kopien aller belegenden Unterlagen (Personenstandsurkunden, Personalausweis und Nachweis über Beginn und Ende der Verschleppungszeit, alles in rumänischer Sprache) sowie eine Lebensbescheinigung nach dem amtlichen zweisprachigen Vordruck. Die erforderlichen Vordrucke sind im Internet unter www.siebenbuerger.de zu finden. Es ist wichtig, die Anträge sorgfältig und genau auszufüllen und alle Sachverhalte zu belegen. Jede Ungenauigkeit oder jede fehlende Kopie führt dazu, dass der Antrag nicht entschieden werden kann. Wenn die AJPIS den Antrag positiv entscheidet, muss unter Vorlage des Originals der „Decizie“ noch die Auszahlung der Rente bei der zuständigen Rentenbehörde (Casa Județeană de Pensii) beantragt werden. Dort sind ebenfalls Kopien der Personenstandsurkunden, die Entscheidung der AJPIS im Original, eine Lebensbescheinigung und eine Zahlungserklärung (declarație de transfer) nebst einem Kontoauszug als Beleg für die Existenz des Bankkontos vorzulegen. Wenn jemand bereits über einen „persönlichen Nummerncode“ (Cod numeric personal – CNP) verfügt, sollte dieser angegeben werden, weil es die Bearbeitung in Rumänien beschleunigen kann. Unterlagen, die nach Rumänien gesendet werden, sollte man vorher unbedingt kopieren und aufheben, damit nachher nachvollzogen werden kann, was eingereicht worden ist.
Sind bereits konkret Zahlungen erfolgt?
Ja, seit wenigen Wochen gehen vermehrt Bescheide über die Berechtigung (von der AJPIS) und auch über die Aufnahme der Zahlung (von der CJP) ein. Das ist für Betroffene sehr erfreulich, weil die Renten sogar ab dem Monat der Antragstellung und unabhängig von der Bearbeitungsdauer nachgezahlt werden.
Muss man erhaltene Zahlungen auf andere Leistungen anrechnen oder versteuern?
Bei dieser Zahlung handelt es sich um eine „Entschädigungsrente“ für Kriegs- und Kriegsfolgeschicksal. Solche Zahlungen sind nach deutschem Recht weder auf eine andere Leistung anzurechnen, noch zu versteuern. Die einschlägige Vorschrift im Sozialrecht (§ 11 a SGB II) privilegiert solche Zahlungen und nimmt diese von der Anrechenbarkeit aus. Das wurde aus Gründen der Gleichbehandlung nach der Intention des Gesetzgebers ausdrücklich auch für vergleichbare ausländische Leistungen entschieden (BSG, Urteil v. 5.9.2007, B 11b AS 49/06 R, NZS 2008 S. 443). Im Steuerrecht regelt § 3 EStG in Ziff. 6-8a vergleichbare Ausnahmetatbestände, so dass ich auch von Steuerfreiheit ausgehe.
Was können Antragsteller tun, wenn die Behörde gar nicht antwortet oder ihren Antrag ablehnt?
Dafür gelten die gleichen Grundsätze wie in Deutschland: Bei ausbleibender Antwort sollte höflich und schriftlich(!) an den Antrag erinnert und nach den Hinderungsgründen gefragt werden. Wenig hilfreich oder gar kontraproduktiv sind Anrufe oder Vorsprachen „durch Bekannte“ bei den Behörden, weil dieses ein Abwimmeln erleichtert. Zu beachten ist auch, dass in Rumänien aufgrund der erwähnten Verzögerungen nun ein Aktenstau vorliegt, der dort zuerst abgearbeitet werden muss. Zu häufiges „Mahnen“ führt in Rumänien (wie auch in Deutschland) nicht unbedingt zur Beschleunigung, weil dadurch nur zusätzliche Arbeit entsteht. Wer mit einem Ablehnungsbescheid nicht einverstanden ist, sollte ihn unter Beachtung der im Bescheid genannten Fristen angreifen. Auf jeden Fall sind die Ablehnungsgründe genau zu prüfen und gegebenenfalls zu beseitigen. Wurde z.B. abgelehnt, weil ein Nachweis gefehlt hat (z.B. der Beleg über das Ende der Verschleppungszeit), dann muss dieser nachgereicht oder beispielsweise durch Zeugenaussagen ersetzt werden.
Welches sind „geeignete Nachweise“?
Das Gesetz lässt den Beweis in jeder möglichen Form zu. Wichtig ist, sowohl Beginn als auch Ende der Maßnahme zu belegen. Wurde die Verschleppung erst auf „Umwegen“ – z.B. durch die DDR – beendet, kommt es auf die Rückkehr in der Heimat an. Normalerweise wurde für die Russlandverschleppung nach 1950 eine Bescheinigung des Innenministeriums oder des Arbeitsministeriums erstellt. Wenn diese noch vorliegt, ist es das beste Nachweismittel. In den meisten Fällen wurde die Zeit als „muncă de reconstrucție URSS“ in das Arbeitsbuch eingetragen. Dann reicht auch eine Vorlage der Kopie des Arbeitsbuches. Liegt das alles nicht vor, können alle anderen Dokumente vorgelegt werden, aus denen sich etwas zur Deportation ergibt. Da die Kirchengemeinden oft Aufzeichnungen zu den Verschleppungssachverhalten geführt und diese aufbewahrt haben, können auch solche Bescheinigungen (in rumänischer Sprache!) weiter helfen. Im Bereich der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien können solche Bescheinigungen im Landeskirchenamt in Hermannstadt angefordert werden. Fehlt alles, können Zeugenaussagen beigebracht werden. Zweisprachige Formulare dazu können in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes in München angefordert werden.
Wie kann ich das Verfahren beschleunigen?
Am besten beschleunigen Sie das Verfahren, indem Sie den Antrag sorgfältig ausfüllen und alle Belege in der notwendigen Art beifügen. Wenn der Beamte in der Behörde den Antrag einfach „abhaken“ kann, weil alles vorliegt, werden Sie die Genehmigung schnell bekommen. Kann der Beamte das aber nicht, weil Sie bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt haben, dann treten Verzögerungen ein.
Selbstverständlich. Es gibt (noch) keine Ausschlussfristen. Sie sollten sich die erforderlichen Vordrucke besorgen, die nötigen Unterlagen beifügen und die Anträge an die zuständige Behörde einsenden. Je länger Sie damit warten, desto mehr an Leistung geht Ihnen verloren, weil die monatliche Entschädigung erst ab Antragstellung gezahlt wird.
Ich habe im August eine Entscheidung (Decizie) von der Kreisbehörde erhalten. Dabei wurde mir mitgeteilt, dass die Zahlung ab 1. September 2013 fällig wären. Bis heute habe ich jedoch noch keinen Geldeingang von den Behörden aus Rumänien. Was ist zu tun?
Hier müssen Sie prüfen, von welcher Kreisbehörde die „Decizie“ stammt. Ist es nur die Entscheidung der AJPIS (Feststellung der Berechtigung), dann müssen Sie noch die Zahlung bei der Rentenbehörde (CJP) beantragen. Handelt es sich schon um eine Entscheidung der Rentenbehörde (CJP), kann die Verzögerung daran liegen, dass die Zahlungserklärung oder die Lebensbescheinigung nicht vorliegt. In diesem Fall sollten Sie schriftlich nach dem Verzögerungsgrund fragen.
Meine Oma hat im Juli 2013 einen Antrag gestellt, ist jedoch im Februar 2014 leider verstorben. Ist mit einer Zahlung von Juli 2013 bis Januar 2014 zu rechnen?
Ja, die Leistung wird für die Zeit ab Antragstellung bis zum Ableben an die Erben ausgezahlt. Das muss unter Nachweis der Erbenstellung beantragt werden.
Die Rentenbehörde, die die Auszahlung tätigen soll, teilte mir telefonisch mit, dass sie auf eine Nummer aus Bukarest wartet und die Entschädigungsrente daher nicht auszahlen kann. Ist das eine neue Ausrede?
Nein, die Behörde benötigt einen „internen Ident-Code“. Wenn jemand bereits einen CNP zugeteilt bekommen hat (erfolgte in Rumänien etwa ab Mitte der 80er Jahre), beschleunigt dieses die Auszahlung. Sonst sollten Sie nach 30 Tagen schriftlich mahnen und auf eine Auszahlung bestehen.
Ich habe meinen Antrag, mit allen erforderlichen Unterlagen vollständig und mit beglaubigten Kopien an die Kreisbehörde im Juli 2013 versendet. Die Zahlung wurde aber erst ab Oktober 2013 genehmigt. Laut Gesetz ist jedoch eine Zahlung ab Antragstellung fällig.
Das ist leider ein häufiger Fehler. Behörden setzen oft ein falsches Datum ein (z.B. das der Bearbeitung). Hier sollten Sie Widerspruch (Contestație) einlegen und das Datum des Beginns angreifen. So erreichen Sie meist ohne Probleme eine Änderung und rückwirkende Zahlung.
Ich habe meinen Antrag im Januar 2013 schon vor Inkrafttreten des Gesetzes 211/2013 gestellt. Die Kreisbehörde hat bis heute nicht geantwortet. Was soll ich tun?
Hier ist schriftlich zu mahnen. Wenn die Behörde sich darauf berufen sollte, dass bei Antragstellung das Gesetz 211/2013 noch nicht gegolten habe, dann ist darauf hinzuweisen, dass es auf die Geltung zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt und daher eine Genehmigung zu erfolgen hat. Das den Anspruch dem Grunde nach schaffende Gesetz ist das Gesetz 118/1990, welches seit 1990 gilt. Lediglich der Verzicht auf die Staatsangehörigkeit wurde durch das Gesetz 211/2013 geklärt, so dass nun auch ohne diese das Gesetz 118/1990 anzuwenden ist.
Ja, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die nicht notwendig gewesen wären und verbesserungsbedürftige Defizite in den rumänischen Verwaltungsstrukturen aufzeigen, wird das Gesetz nun in vielen Landkreisen in Rumänien umgesetzt. Es war zuweilen ein Kampf mit Windmühlen, der aber in den wesentlichen Punkten nun geklärt ist. In Einzelfällen wird man weiter gegen Unverständnis und auch Unwillen einzelner Behörden angehen müssen, aber im Wesentlichen läuft es seit einigen Wochen.
Welches waren in der Vergangenheit die größten Umsetzungshemmnisse?
Am meisten hat uns eine verwunderliche Rechtsauffassung in Rumänien zu schaffen gemacht, die eine „persönliche Antragstellung“ wörtlich aufgefasst und eine persönliche Vorsprache der Betroffenen an den Schaltern der Behörden gefordert hatte. Danach war ein Auslegungsunwillen und eine sehr verwunderliche Denkstarre bezüglich des Begriffs „Deportation ins Ausland“ auszuräumen: Viele Behördenvertreter in den Landkreisen hatten keinerlei Kenntnis von den historischen Geschehnissen in den Wintermonaten des Jahres 1945 und waren nicht bereit, entsprechende Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn z.B. im Arbeitsbuch – wie damals üblich – nur „Wiederaufbauarbeit in der UdSSR“ eingetragen war, lehnten die Behörden eine Anerkennung ab, weil dieses nach deren verwunderlicher Auffassung nicht auf eine „Deportation“ oder auf „Unrecht“ hinweise. Andere Behörden, die zu dieser Frage zwar besser informiert waren, bestanden auf einer Übersendung von Unterlagen, die entweder gar nicht erforderlich gewesen wären oder die in Deutschland anders als in Rumänien erstellt werden. Unterlagen so zu akzeptieren, wie diese in Deutschland erstellt werden, war für sie vorerst nicht vorstellbar.
Was für Fälle meinen Sie konkret?
Einige Behörden forderten z.B. Übersetzungen deutschsprachiger Urkunden durch einen Notar. Dass in Deutschland Notare keine Übersetzungen fertigen, sondern dafür öffentlich bestellte Übersetzer bei den Landgerichten ernannt werden, die auch Übersetzungen beglaubigen dürfen, wollten diese Behörden zuerst nicht zur Kenntnis nehmen. Andere begnügten sich nicht mit amtlich beglaubigten Kopien, wie diese für Sozialzwecke nach den gesetzlichen Vorschriften in Deutschland von jeder Behörde beglaubigt werden dürfen, sondern wollten auch hier zwingend Beglaubigungen der Kopien durch einen Notar. Dieses stellte jedoch eine unnötige Komplizierung und Verteuerung dar, weil Notare in Deutschland Übersetzungen der zu beglaubigenden rumänischen Urkunden in die deutsche Sprache fordern, die man bei der beabsichtigten Vorlage in Rumänien jedoch überhaupt nicht benötigt. Das sind nur einige der Hürden, die es zu bewältigen galt. Die Liste ist viel länger.
Was wurde unternommen, um die Umsetzung zu erleichtern und zu beschleunigen?
Zunächst durch viele schriftliche Eingaben und dann sogar durch drei Arbeitsgespräche in Bukarest wurde dafür gesorgt dass, dass die Anträge schriftlich per Post nach Rumänien gesendet werden dürfen und die Anreise der oft schon sehr betagten Betroffenen nach Rumänien nicht mehr gefordert wird. Bei den Gesprächen in Bukarest wurde erreicht, dass das Arbeitsministerium und die Aufsichtsbehörde in Bukarest eine Weisung an die nachgeordneten Dienststellen erließen, so dass Anträge der Betroffenen in schriftlicher Form per Post akzeptiert und entschieden werden. Auch die Frage, ob „Aufbauarbeit in der UdSSR“ als Tatbestand der Deportation ins Ausland im Sinne des Gesetzes 118/1990 anzuerkennen ist, wurde erfolgreich geklärt. Ein persönliches Gespräch mit Premierminister Victor Ponta brachte letztlich den Durchbruch und führte dazu, dass die rumänische Regierung in einem „Memorandum“ diese Frage ausdrücklich im Sinne der Betroffenen entschieden hat (vgl. „Verband setzt sich energisch für Mitglieder ein“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2013, Seite 2). Auch die Frage der vorzulegenden Unterlagen und Beglaubigungen konnte geklärt werden. In Zusammenarbeit mit der rumänischen Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in München wurde ein klärendes Schreiben an das zuständige Ministerium in Bukarest gerichtet, in welchem über die Gepflogenheiten in Sozialverfahren in Deutschland informiert wurde. Dabei wurde dargelegt, dass Übersetzungen durch beeidigte Übersetzer zulässig und Bestätigungen von Kopien in Sozialverfahren durch alle Behörden, Sozialeinrichtungen und durch zugelassene Berufsträger möglich seien. Diese Informationen hat das zuständige Ministerium dann ebenfalls als interne Weisung an alle Dienststellen im Lande übermittelt und eine eilige Umsetzung angeordnet. Damit sind die schwierigsten Probleme gelöst. Es wird nötig sein, eventuell auftauchende Probleme in Einzelfällen anzugehen, um Betroffenen kurzfristig zu den ihnen zustehenden Leistungen zu verhelfen.
Was muss man bei der Antragstellung beachten?
Es handelt sich um ein zweistufiges Antragsverfahren. Zuerst muss der Antrag auf Feststellung der Berechtigung („calitatea de beneficiar“) gestellt werden. Diese Anträge können schriftlich an die zuständige Sozialbehörde (Agenția Județeană pentru Plăți și Inspecție Socială – AJPIS) am letzten Wohnort in Rumänien gestellt werden. Beifügen muss man beglaubigte Kopien aller belegenden Unterlagen (Personenstandsurkunden, Personalausweis und Nachweis über Beginn und Ende der Verschleppungszeit, alles in rumänischer Sprache) sowie eine Lebensbescheinigung nach dem amtlichen zweisprachigen Vordruck. Die erforderlichen Vordrucke sind im Internet unter www.siebenbuerger.de zu finden. Es ist wichtig, die Anträge sorgfältig und genau auszufüllen und alle Sachverhalte zu belegen. Jede Ungenauigkeit oder jede fehlende Kopie führt dazu, dass der Antrag nicht entschieden werden kann. Wenn die AJPIS den Antrag positiv entscheidet, muss unter Vorlage des Originals der „Decizie“ noch die Auszahlung der Rente bei der zuständigen Rentenbehörde (Casa Județeană de Pensii) beantragt werden. Dort sind ebenfalls Kopien der Personenstandsurkunden, die Entscheidung der AJPIS im Original, eine Lebensbescheinigung und eine Zahlungserklärung (declarație de transfer) nebst einem Kontoauszug als Beleg für die Existenz des Bankkontos vorzulegen. Wenn jemand bereits über einen „persönlichen Nummerncode“ (Cod numeric personal – CNP) verfügt, sollte dieser angegeben werden, weil es die Bearbeitung in Rumänien beschleunigen kann. Unterlagen, die nach Rumänien gesendet werden, sollte man vorher unbedingt kopieren und aufheben, damit nachher nachvollzogen werden kann, was eingereicht worden ist.
Sind bereits konkret Zahlungen erfolgt?
Ja, seit wenigen Wochen gehen vermehrt Bescheide über die Berechtigung (von der AJPIS) und auch über die Aufnahme der Zahlung (von der CJP) ein. Das ist für Betroffene sehr erfreulich, weil die Renten sogar ab dem Monat der Antragstellung und unabhängig von der Bearbeitungsdauer nachgezahlt werden.
Muss man erhaltene Zahlungen auf andere Leistungen anrechnen oder versteuern?
Bei dieser Zahlung handelt es sich um eine „Entschädigungsrente“ für Kriegs- und Kriegsfolgeschicksal. Solche Zahlungen sind nach deutschem Recht weder auf eine andere Leistung anzurechnen, noch zu versteuern. Die einschlägige Vorschrift im Sozialrecht (§ 11 a SGB II) privilegiert solche Zahlungen und nimmt diese von der Anrechenbarkeit aus. Das wurde aus Gründen der Gleichbehandlung nach der Intention des Gesetzgebers ausdrücklich auch für vergleichbare ausländische Leistungen entschieden (BSG, Urteil v. 5.9.2007, B 11b AS 49/06 R, NZS 2008 S. 443). Im Steuerrecht regelt § 3 EStG in Ziff. 6-8a vergleichbare Ausnahmetatbestände, so dass ich auch von Steuerfreiheit ausgehe.
Was können Antragsteller tun, wenn die Behörde gar nicht antwortet oder ihren Antrag ablehnt?
Dafür gelten die gleichen Grundsätze wie in Deutschland: Bei ausbleibender Antwort sollte höflich und schriftlich(!) an den Antrag erinnert und nach den Hinderungsgründen gefragt werden. Wenig hilfreich oder gar kontraproduktiv sind Anrufe oder Vorsprachen „durch Bekannte“ bei den Behörden, weil dieses ein Abwimmeln erleichtert. Zu beachten ist auch, dass in Rumänien aufgrund der erwähnten Verzögerungen nun ein Aktenstau vorliegt, der dort zuerst abgearbeitet werden muss. Zu häufiges „Mahnen“ führt in Rumänien (wie auch in Deutschland) nicht unbedingt zur Beschleunigung, weil dadurch nur zusätzliche Arbeit entsteht. Wer mit einem Ablehnungsbescheid nicht einverstanden ist, sollte ihn unter Beachtung der im Bescheid genannten Fristen angreifen. Auf jeden Fall sind die Ablehnungsgründe genau zu prüfen und gegebenenfalls zu beseitigen. Wurde z.B. abgelehnt, weil ein Nachweis gefehlt hat (z.B. der Beleg über das Ende der Verschleppungszeit), dann muss dieser nachgereicht oder beispielsweise durch Zeugenaussagen ersetzt werden.
Welches sind „geeignete Nachweise“?
Das Gesetz lässt den Beweis in jeder möglichen Form zu. Wichtig ist, sowohl Beginn als auch Ende der Maßnahme zu belegen. Wurde die Verschleppung erst auf „Umwegen“ – z.B. durch die DDR – beendet, kommt es auf die Rückkehr in der Heimat an. Normalerweise wurde für die Russlandverschleppung nach 1950 eine Bescheinigung des Innenministeriums oder des Arbeitsministeriums erstellt. Wenn diese noch vorliegt, ist es das beste Nachweismittel. In den meisten Fällen wurde die Zeit als „muncă de reconstrucție URSS“ in das Arbeitsbuch eingetragen. Dann reicht auch eine Vorlage der Kopie des Arbeitsbuches. Liegt das alles nicht vor, können alle anderen Dokumente vorgelegt werden, aus denen sich etwas zur Deportation ergibt. Da die Kirchengemeinden oft Aufzeichnungen zu den Verschleppungssachverhalten geführt und diese aufbewahrt haben, können auch solche Bescheinigungen (in rumänischer Sprache!) weiter helfen. Im Bereich der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien können solche Bescheinigungen im Landeskirchenamt in Hermannstadt angefordert werden. Fehlt alles, können Zeugenaussagen beigebracht werden. Zweisprachige Formulare dazu können in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes in München angefordert werden.
Wie kann ich das Verfahren beschleunigen?
Am besten beschleunigen Sie das Verfahren, indem Sie den Antrag sorgfältig ausfüllen und alle Belege in der notwendigen Art beifügen. Wenn der Beamte in der Behörde den Antrag einfach „abhaken“ kann, weil alles vorliegt, werden Sie die Genehmigung schnell bekommen. Kann der Beamte das aber nicht, weil Sie bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt haben, dann treten Verzögerungen ein.
Fragen zu einigen häufigen Einzelfällen
Ich habe noch keinen Antrag gestellt, weil ich bisher keine Kenntnis davon hatte, dass wirklich eine Entschädigung gezahlt wird. Kann ich den Antrag noch stellen?Selbstverständlich. Es gibt (noch) keine Ausschlussfristen. Sie sollten sich die erforderlichen Vordrucke besorgen, die nötigen Unterlagen beifügen und die Anträge an die zuständige Behörde einsenden. Je länger Sie damit warten, desto mehr an Leistung geht Ihnen verloren, weil die monatliche Entschädigung erst ab Antragstellung gezahlt wird.
Ich habe im August eine Entscheidung (Decizie) von der Kreisbehörde erhalten. Dabei wurde mir mitgeteilt, dass die Zahlung ab 1. September 2013 fällig wären. Bis heute habe ich jedoch noch keinen Geldeingang von den Behörden aus Rumänien. Was ist zu tun?
Hier müssen Sie prüfen, von welcher Kreisbehörde die „Decizie“ stammt. Ist es nur die Entscheidung der AJPIS (Feststellung der Berechtigung), dann müssen Sie noch die Zahlung bei der Rentenbehörde (CJP) beantragen. Handelt es sich schon um eine Entscheidung der Rentenbehörde (CJP), kann die Verzögerung daran liegen, dass die Zahlungserklärung oder die Lebensbescheinigung nicht vorliegt. In diesem Fall sollten Sie schriftlich nach dem Verzögerungsgrund fragen.
Meine Oma hat im Juli 2013 einen Antrag gestellt, ist jedoch im Februar 2014 leider verstorben. Ist mit einer Zahlung von Juli 2013 bis Januar 2014 zu rechnen?
Ja, die Leistung wird für die Zeit ab Antragstellung bis zum Ableben an die Erben ausgezahlt. Das muss unter Nachweis der Erbenstellung beantragt werden.
Die Rentenbehörde, die die Auszahlung tätigen soll, teilte mir telefonisch mit, dass sie auf eine Nummer aus Bukarest wartet und die Entschädigungsrente daher nicht auszahlen kann. Ist das eine neue Ausrede?
Nein, die Behörde benötigt einen „internen Ident-Code“. Wenn jemand bereits einen CNP zugeteilt bekommen hat (erfolgte in Rumänien etwa ab Mitte der 80er Jahre), beschleunigt dieses die Auszahlung. Sonst sollten Sie nach 30 Tagen schriftlich mahnen und auf eine Auszahlung bestehen.
Ich habe meinen Antrag, mit allen erforderlichen Unterlagen vollständig und mit beglaubigten Kopien an die Kreisbehörde im Juli 2013 versendet. Die Zahlung wurde aber erst ab Oktober 2013 genehmigt. Laut Gesetz ist jedoch eine Zahlung ab Antragstellung fällig.
Das ist leider ein häufiger Fehler. Behörden setzen oft ein falsches Datum ein (z.B. das der Bearbeitung). Hier sollten Sie Widerspruch (Contestație) einlegen und das Datum des Beginns angreifen. So erreichen Sie meist ohne Probleme eine Änderung und rückwirkende Zahlung.
Ich habe meinen Antrag im Januar 2013 schon vor Inkrafttreten des Gesetzes 211/2013 gestellt. Die Kreisbehörde hat bis heute nicht geantwortet. Was soll ich tun?
Hier ist schriftlich zu mahnen. Wenn die Behörde sich darauf berufen sollte, dass bei Antragstellung das Gesetz 211/2013 noch nicht gegolten habe, dann ist darauf hinzuweisen, dass es auf die Geltung zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt und daher eine Genehmigung zu erfolgen hat. Das den Anspruch dem Grunde nach schaffende Gesetz ist das Gesetz 118/1990, welches seit 1990 gilt. Lediglich der Verzicht auf die Staatsangehörigkeit wurde durch das Gesetz 211/2013 geklärt, so dass nun auch ohne diese das Gesetz 118/1990 anzuwenden ist.
Schlagwörter: Rechtsfragen, Entschädigung, Entschädigungszahlung, Russlanddeportation
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- 23.02.2014, 09:36 Uhr von rosicos: Hallo liebe Landsleute, Es tut sich was, mein Onkel hat am 14.07.2013 einen Antrag gestellt und ... [weiter]
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