25. August 2022

75 Jahre Hilfskomitee: Beistand und Begleitung unserer Landsleute, Teil 3

Der dritte und zugleich letzte Teil des Artikels zum 75-jährigen Gründungsjubiläum des Hilfskomitees – Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD ist zuerst in der Beilage „Kirche und Heimat“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2022, Seite 16, erschienen. Der erste Teil des Artikels von Prof. Dr. Berthold Köber wurde in der SbZ Online vom 18. April 2022, der zweite Teil in der SbZ Online vom 6. Juli 2022 veröffentlicht.
35. Siebenbürgischer Kirchentag in Mannheim, ...
35. Siebenbürgischer Kirchentag in Mannheim, 2019. Foto: Hans Ehrlich

Zusammenarbeit mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. ab 1981

Ein wichtiges Anliegen des 1981 neu gewählten Vorstandes war es, die Spannungen zwischen dem Hilfskomitee und der Landsmannschaft der Siebernbürger Sachsen – seit 2007 heißt sie wieder, wie anfänglich, „Verband“ – abzubauen und ein gutes Einvernehmen herzustellen. Das geschah durch zahlreiche Begegnungen und vertrauensbildende Gespräche der Vorsitzenden und Verantwortlichen auf einer Grundlage gegenseitigen Respekts und der gemeinsamen Sorge um das Schicksal unserer siebenbürgisch-sächsischen Glaubens- und Volksgemeinschaft.

Es wurde vereinbart, dass die Vorsitzenden des Hilfskomitees und der Landsmannschaft wechselseitig an den jeweiligen Vorstandssitzungen mit Sitz und Stimme teilnehmen. Das wachsende gegenseitige Vertrauen und das gute Einvernehmen zwischen den Vorsitzenden machte auch eine gute Zusammenarbeit des Hilfskomitees mit den Landes- und Kreisgruppen möglich.

Säkularer Geist hatte auch im landsmannschaftlichen Leben Einzug gehalten. Angesichts dessen erinnerte das Hilfskomitee an die Verdienste unserer Kirche um die Erhaltung der sächsischen Gemeinschaft in den vielfachen Bedrohungen im Laufe der Zeiten. Gemäß unserer bewährten Tradition der Einheit von Kirche und Volk setzte sich das Hilfskomitee dafür ein, dass der Glaube und die Kirche ihren festen Stellenwert im landsmannschaftlichen Leben bekämen. Es ging ihm nicht um Macht und Einfluss, sondern um Bezeugung des Evangeliums in den gesellschaftlichen Herausforderungen und um Ausüben von Nächstenliebe.

Bei landsmannschaftlichen Veranstaltungen wurde nunmehr das Hilfskomitee zur Mitgestaltung herangezogen. Gottesdienste oder Andachten zu Beginn der Treffen wurden zur Regel. Es gelang, dem jährlich stattfinden Heimattag eine geistliche Ausrichtung zu geben, indem zu Beginn der Kundgebung vor der Schranne in Dinkelsbühl eine Andacht eingeführt wurde. Gehalten wird sie von aus Siebenbürgen stammenden oder auch in unserer Heimatkirche, der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) tätigen Geistlichen. Seitdem das möglich wurde, nehmen auch Vertreter der EKR sowie Gemeindeglieder aus Siebenbürgen an diesen Veranstaltungen teil.

Der neue Vorstand setzte sich dafür ein, dass das vom Hilfskomitee herausgegebene Mitteilungsblatt „Licht der Heimat“ wieder als Beilage in der Siebenbürgischen Zeitung erschien, nachdem die Leitung der Landsmannschaft das in den zurückliegenden Jahren wegen unüberbrückbarer Differenzen verweigert hatte. Da sich im Laufe der Zeit die Berichterstattung stärker auf den neuen Lebensbereich der Leser in Deutschland verlagerte, wurde es 1989 umbenannt in „Kirche und Heimat“.

Der Umbruch 1989/1990 und seine Folgen für die Tätigkeit des Hilfskomitees

Der blutige Umsturz im Dezember 1989 in Rumänien hatte dramatische Folgen für unsere Heimatkirche wie für unser Volk. Innerhalb von wenigen Jahren wanderten über 95 Prozent unserer Gemeindeglieder vor allem nach Deutschland aus. Die neuentstandene Situation erforderte vom Hilfskomitee eine Intensivierung seiner Tätigkeit in bestimmten Arbeitsbereichen und eröffnete ihm zugleich neue Betätigungsfelder.

Bereits am 23. Dezember 1990, als die revolutionären Aktionen in Rumänien noch in vollem Gang waren, startete ein erster Konvoi mit Hilfsgütern nach Rumänien. Weitere zahlreiche Hilfssendungen zur Unterstützung der Heimatkirche und der Gemeinden sind im Laufe der Jahre auf den Weg gebracht worden.

Angesichts der immensen Zahl der nach Deutschland ausgewanderten Landsleute sah es das Hilfskomitee als besonders dringliche Aufgabe an, sie bei ihrer Integration in eine andere, wenig bekannte Gesellschaft und Kirche seelsorgerlich und diakonisch zu begleiten, Orientierung zu geben und durch Rat und Tat zu unterstützen.

Das geschah auf vielfache Weise. Einen besonderen Stellenwert haben dabei die zu in dieser Absicht veranstalteten Rüstzeiten und Tagungen sowie die Siebenbürgischen Kirchentage wie auch Advent- und Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfeiern. Eine besondere Bedeutung kommt den unzähligen sog. Heimatgottesdiensten zu, die zumeist von ehemaligen siebenbürgischen Pfarrern gehalten werden.

Rüstzeiten und Siebenbürgische Kirchentage

Besonders zu erwähnen sind die vom damaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees, Pfr. Kurt Franchy, gemeinsam mit seiner Frau Renate organisierten und geleiteten 20 Rüstzeiten im Tagungszentrum „Sambachshof“ bei Bad Königshofen in Unterfranken. Sie dauerten jeweils von Freitag vor dem Karnevalssonntag bis Aschermittwoch und wurden durchschnittlich von über 50 Gästen besucht. Die letzten vier Rüstzeiten wurden von Pfr. Hans Schneider, die letzte davon (2011) zusammen mit Pfr. Norbert Kirr geleitet.

Eine gewisse Fortsetzung fanden sie in Gestalt von gemeinsam mit dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen veranstalteten Tagungen in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Heiligenhof“ in Bad Kissingen.

Erfahrung von Gemeinschaft, Gelegenheit zu Begegnung und Austausch sowie Stärkung des Glaubens und Vergewisserung der Identität boten und bieten die in der Regel jedes zweite Jahr vom Hilfskomitee veranstalteten Siebenbürgischen Kirchentage, bisher 35 an der Zahl. Sie erstrecken sich von Freitag bis Sonntag und werden meist in Orten abgehalten, in deren Umkreis viele Siebenbürger leben und wo es lebendige Kreisgruppen gibt. Diese gestalten die Kirchentage mit. Höhepunkte waren der von Pfr. Hans Schneider organisierte Kirchentag in Scheinfeld 2001 mit rund tausend Teilnehmern, an dem zahlreiche Kreisgruppen mit Chören, Tanz- und Theatergruppen und Blasmusikkapellen mitwirkten, sowie, ähnlich, der Kirchentag in Schwabach 2003. Höhepunkt und zugleich Abschluss ist immer der festlich gestaltete Gottesdienst.

Das Haus Lukas

Wir unterhalten das Haus Lukas in Sajtoskál in der Nähe des modernen Thermalbades Bük in Ungarn als Ort der Begegnung und als Ferienhaus. Allen, die daran Interesse haben, steht es kostengünstig zur Verfügung.

Zusammenarbeit mit anderen siebenbürgischen Institutionen

In einer ersten Tagung von ehemaligen Kuratoren und Presbytern in Drabenderhöhe stand das Hilfskomitee der Bildung der sog. Heimatortsgemeinschaften (HOG) gewissermaßen Pate. Nach einer zweiten von ihm ausgerichteten Tagung überließ der Vorstand die weiteren organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele der Landsmannschaft bzw. den von den HOGs gegründeten Gremien. (vgl. K. Franchy, 60 Jahre Hilfskomitee, Sonderdruck, S. 27). Es gehört dem Erweiterten Vorstand des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften an.

Das Hilfskomitee ist Mitbegründer und Mitglied des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates e.V., der sein 50-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Er ist ein Zusammenschluss überregional tätiger siebenbürgisch-sächsischer Organisationen und Institutionen. Auch sind wir Mitglied im Vorstand des Siebenbürgischen Museums sowie im Siebenbürgischen Kulturzentrum „Schloss Horneck e. V.“ in Gundelsheim, ein Verein, der sich ebenso wie die Siebenbürgische Bibliothek, das Archiv und das Siebenbürgische Museum, die auf Schloss Horneck ihren Sitz haben, für das siebenbürgische Kulturerbe einsetzt.

Wir unterstützen den Internetradiosender Radio Siebenbürgen, ein in privater Initiative errichteter Verein zur Pflege und Verbreitung siebenbürgisch-sächsischen Kulturguts, und gestalten darin regelmäßig das Wort zum Sonntag.

Zusammenarbeit mit kirchlichen Institutionen

Das Hilfskomitee war 1947 unter dem Dach des „Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland“, dem Vorläufer des späteren Diakonischen Werkes der EKD, gegründet worden. Innerhalb dieses Hilfswerks und später des Diakonischen Werkes (DW) entfaltete es seine Tätigkeit und wurde von ihm bis 1997 unterstützt. Seither sind wir ganz auf uns selbst gestellt. Das DW der EKD ist 2012 im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) aufgegangen.

Wir gehören dem „Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen“ an und beteiligen uns an dessen Arbeiten. Unser stellvertretender Vorsitzender, Pfr. i.R. Hans Schneider, ist seit vielen Jahren im Vorstand tätig. Wir sind auch Mitglied in der Evangelischen Konferenz für Mittel- und Osteuropa (EKMOE), im Badischen Ostkirchenkonvent wie auch im Württembergischen Konvent der zerstreuten Ostkirchen im DW der EKD. - Gemeinsam mit der EKR wirken wir am Deutschen Evangelischen Kirchentag mit.

Neues Verhältnis zur Heimatkirche

Durch das versöhnende Wirken des 1990 zum Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) gewählten Prof. D. Dr. Christoph Klein wurde ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen unserer Heimatkirche und dem Hilfskomitee wie auch dem Verband möglich. Bis heute ist eines der Hauptanliegen des Hilfskomitees, das Leben und die Probleme der Heimatkirche in Solidarität zu begleiten, ihre diakonischen, kulturellen und Bildungseinrichtungen sowie die in Rumänien verbliebenen, bedürftigen Gemeindeglieder ideell und materiell zu unterstützen.

Es finden ein regelmäßiger Austausch zwischen den Vertretern beider Institutionen sowie wechselseitige persönliche Besuche statt. Das Landeskonsistorium lädt den Vorsitzenden des Hilfskomitees zu den Landeskirchenversammlungen ein, während ein Vertreter der EKR regelmäßig an den Vorstandssitzungen des Hilfskomitees teilnimmt.

An den vom Hilfskomitee veranstalteten Siebenbürgischen Kirchentagen nehmen der Bischof und/oder andere hochrangige Vertreter der EKR und Gemeindeglieder teil. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag unterhalten wir gemeinsam einen Stand. Wir beteiligen uns an besonderen Aktionen der EKR und unterstützen sie, wie etwa die Aktion zum 500-jährigen Reformationsjubiläum „Zwölf Apfelbäumchen für ein klares Wort“ oder „Gesichter – Grenzen – Geschwister“. Neuerdings werden grenzübergreifende gemeinsame digitale Gottesdienste gefeiert.

Das Hilfskomitee unterstützt besonders das Schülerheim in Hermannstadt und das Altenheim in Schweischer sowie verschiedene notwendige Baumaßnahmen der EKR. Auch beteiligt es sich personell und finanziell an der Aufrechterhaltung des geistlichen Dienstes unserer Heimatkirche durch Entsenden von pensionierten Geistlichen für Vertretungsdienste und übernimmt die Reise- und ggf. Aufenthaltskosten.

Gegenwärtige Tätigkeit des Hilfskomitees

2004 trat Kurt Franchy aus gesundheitlichen Gründen vom Vorsitz zurück. Die Leitung übernahm Dekan i.R. Hermann Schuller zunächst kommissarisch, 2007 wurde er regulär zum Vorsitzenden gewählt und übte dieses Amt bis 2015 aus. Seither habe ich dieses Amt inne.

Unserer Tradition entsprechend und den veränderten Gegebenheiten Rechnung tragend, nennen wir uns seit 2011 „Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD– Hilfskomitee e.V.“

Auch unter veränderten Gegebenheiten entfaltet unsere Gemeinschaft ihre Tätigkeit in der bekannten Weise, die sich in ihrer doppelten Zielrichtung wie folgt zusammenfassen lässt:

1. Unterstützung unserer in Deutschland lebenden Landsleute bei ihrer Integration in die hiesige Gesellschaft und Kirche durch geistliche und seelsorgerliche Begleitung sowie durch Mithilfe bei Bewahrung, Pflege und Weitergabe unserer kirchlichen und kulturellen Überlieferungen und Werte;

2. Begleitung und Unterstützung unserer Heimatkirche in ihrem Leben und Wirken auf vielfache Weise.

Diesen Anliegen dient nicht zuletzt auch unsere publizistische Tätigkeit.

Publizistische Tätigkeit

Neben der bereits erwähnten Beilage „Kirche und Heimat“ in der Siebenbürgischen Zeitung erscheint regelmäßig unser Jahrbuch, dessen Redaktion mir als Vorstandsvorsitzenden obliegt. Da wir leider sehr verstreut leben, soll es helfen, unseren Glauben an Gott zu stärken sowie unsere Gemeinschaft und Verbundenheit und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu fördern und uns unserer Identität vergewissern.

Diesem Ziel sollen geistliche Beiträge wie auch Beiträge aus dem gegenwärtigen Leben unserer Kirche und Gemeinschaft wie auch aus ihrer Geschichte, Kultur und Tradition dienen. Es möchte dazu beitragen, dass eventuell noch vorhandene ideologische und mentale Grenzen zwischen unseren hier und unseren in Rumänien lebenden Landsleuten überwunden werden. Wichtig ist auch, was unsere Landsleute persönlich erlebt und erfahren haben und wie große geschichtliche Ereignisse sich im persönlichen Leben des einzelnen widerspiegeln. Dadurch bekommen und nehmen wir zugleich Anteil an dem, was uns gegenseitig bewegt, was wir glauben, denken und fühlen.

Wir geben auch Bücher und Schriften mit kirchlichen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Themen heraus, die unsere Gemeinschaft betreffen, wie letztlich die von Hermann Schuller redigierten beiden Bände „Aus dem Schweigen der Vergangenheit“. In den Beiträgen schildern die Verfasser ihre persönlichen Erlebnisse mit dem rumänisch-kommunistischen repressiven Staatsapparat, i. Bes. der berüchtigten „Securitate“.

Abschluss

Abschließend möchte ich unseren Landsleuten und Freunden für alle ihre bisherige Unterstützung als Mitgliedsbeiträge oder Spenden herzlich danken. Dadurch haben sie unseren Dienst an unseren Landsleuten möglich gemacht.

Damit wir diese Ausgaben auch in Zukunft wahrnehmen können, sind wir auf Ihre ideelle, personelle und finanzielle Unterstützung weiterhin angewiesen; andere Einnahmen haben wir nicht. Sie können dafür gerne den beigelegten Überweisungsträger verwenden. Herzlichen Dank im Voraus.

Da die Zahl unserer Mitglieder, vor allem altersbedingt, stetig abnimmt, würden wir uns besonders freuen, wenn Sie unserer Gemeinschaft beitreten würden.

Prof. Dr. Berthold Köber, Vorstandsvorsitzender

Schlagwörter: Hilfskomitee, Verband, EKR, Kirche und Heimat

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