16. Januar 2006

Zeit der Besinnung und des Neuanfangs

Die oft beschworene Finis Saxoniae, das Ende der Sachsentums, ist noch lange nicht in Sicht. Die vielen, auch in dieser Zeitung umfassend dokumentierten Veranstaltungen zum Jahreswechsel zeigen, wie reichhaltig das siebenbürgisch-sächsische Kultur- und Vereinsleben in der neuen Heimat ist. Damit die Landsmannschaft jedoch Bestand hat, ist die jüngere und mittlere Generation stärker als bisher gefragt mitzumachen.
Im Mittelpunkt der siebenbürgisch-sächsischen Vorweihnachtsfeiern steht die alte und jedes Jahr neue Botschaft des Weihnachtsfestes. Das Geburtsfest Jesu wird in guter christlicher Tradition als das Fest der Zuwendung Gottes und damit als das Fest der Liebe gefeiert. Weihnachten kündet von der Nähe Gottes zu jedem einzelnen Menschen. "Jeder kann sich von der Freude anstecken lassen, die von dem Licht ausgeht, das in der Finsternis leuchtet", sagt Altbundespräsident Johannes Rau. In einer krisenhaften Welt ist Frieden mehr denn je vonnöten. Frieden muss zunächst in den Herzen der Menschen einkehren und wachsen, um Wirklichkeit zu werden. Wichtige Voraussetzung dabei ist, dass wir den anderen in seinem Denken, Empfinden und Handeln als gleichwertig respektieren.

Gerade zu Weihnachten rücken die Familie und Gemeinschaft, die Hilfe und Unterstützung gegenüber Schwächeren in der Gesellschaft stärker in den Mittelpunkt. Die Gedanken schweifen in die alte Heimat, man hält inne und fragt sich, was im zurückliegenden Jahr gelungen ist oder auch nicht. Und ein Bestandteil des christlichtlichen Weihnachtsfestes ist es, Perspektiven aufzuzeigen, Wege zu korrigieren und Hoffnung zu stiften. So kann Weihnachten zu einem Augenblick des Innehaltens und der Besinnung in unserer hektischen und oft so oberflächlichen Welt werden.

D. Dr. Christoph Klein, Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, zitiert in seinem "Wort zum Jahreswechsel" die Jahreslosung für 2006 aus Josua 1, 5b: "Gott spricht: ‚Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht'". Hoffnung auf Zukunft gründe immer auch auf den Erfahrungen der Vergangenheit, schreibt der Sachsenbischof in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien. Er erinnert an das Kriegsende vor 60 Jahren und die schweren darauf folgenden Zeiten. Unsere Landsleute waren 1945 verzweifelt, verarmt, entwürdigt, selbst die Kirche, die althergebrachten Gemeindestrukturen und traditionellen Lebensäußerungen liefen Gefahr zusammenzubrechen. "Doch die Verheißung Gottes, uns nicht fallen zu lassen und nicht von uns zu weichen, auf die unsere Altvorderen immerfort vertraut und auf die hin sie den Weg in die Zukunft gewagt haben, ist wahr geworden. Wie viel Gutes haben Menschen dann doch in diesen Jahrzehnten erfahren. Was ist doch nach den bitteren Leiden und Entbehrungen der Nachkriegszeit alles wieder aufgebaut worden an Gemeinschaftsordnungen im Geiste der Liebe", betont Bischof Klein.

Ein starkes Kultur- und Vereinsleben haben die Siebenbürger Sachsen mittlerweile in ihrer neuen Heimat aufgebaut, vor allem in Deutschland, Österreich, Kanada und den USA. Die zahlreichen Adventsfeiern, Weihnachts- und Silvesterbälle sind geeignete Anlässe zusammenzukommen, Traditionen zu pflegen und an die jüngere Generation weiterzugeben. Kinder und Jugendliche werden somit früh an die Gemeinschaft herangeführt, die sie eines Tages mit neuen Leben füllen werden. Unser besonderer Dank gilt jenen Eltern und Großeltern, die ihre Kinder bzw. Enkel aufmuntern, bei siebenbürgisch-sächsischen Veranstaltungen mitzumachen. Faszinierende Adventsfeiern fanden bundesweit statt. Allein an der Vorweihnachtsfeier in St. Sebald in Nürnberg nahmen 1 200 Siebenbürger Sachsen, darunter 250 Kinder, teil, berichtet Horst Göbbel in dieser Zeitung. Eine beispielhafe Aktion plant die Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Alle Eltern der beteiligten Kinder werden je eine Beitrittserklärung und ein Gratisexemplar der Siebenbürgischen Zeitung erhalten und aufgefordert, falls nicht schon geschehen, Mitglied der Landsmannschaft zu werden. Dadurch soll unsere Gemeinschaft gestärkt werden. Der Verband verzeichnet bekanntlich einen altersbedingten, wenn auch geringfügigen Mitgliederschwund. Umso mehr ist die jüngere und mittlere Generation gefordert, sich in die Vereinsarbeit einzubringen und die Zukunft zu gestalten. Es geht um nicht weniger und nicht mehr als den Erhalt unserer Identität und des kulturellen "Gepäcks", das wir aus Siebenbürgen mitgebracht haben. Menschlichkeit, Geradlinigkeit und Toleranz sind nur einige der Werte, die wir in das neue Umfeld einbringen. Viele siebenbürgische Kreis- und Kulturgruppen wirken an öffentlichkeitswirksamen Umzügen, Ausstellungen und Verkaufsständen mit und ernten dabei große Sympathie unter unseren Mitbürgen.

Das neue Jahr ist mit guten Vorsätzen verbunden. Am besten gelingt das in der Gemeinschaft. Diese ist aber nur so stark, wie die Landsleute, die sich dafür engagieren.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 20. Januar 2006, Leitartikel)

Schlagwörter: Weihnachtsfeiern, Brauchtum

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