20. Februar 2006

Neue Zuständigkeiten im Rentenrecht

Das neue deutsch-rumänische Sozialversicherungsabkommen wird einen Kalendermonat nach Austausch der Ratifizierungsurkunden in Kraft treten, voraussichtlich am 1. Juni 2006. Unterzeichnet wurde es bereits am 8. April 2005. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat jetzt schon einige Änderungen bezüglich der Zuständigkeit zur Bearbeitung von Kontenklärungs- und Rentenverfahren in Kraft gesetzt.
Das neue Abkommen gilt unabhängig von einer Staatsangehörigkeit für alle Personen, bei welchen ein Tatbestand des Abkommens erfüllt ist (z.B. Versicherungszeiten in einem der Abkommensstaaten Deutschland oder Rumänien). Damit gilt das Abkommen auch für alle Landsleute, die nach der Aussiedlung in Deutschland leben und vorher Versicherungszeiten in Rumänien zurückgelegt haben. Nachfolgend sollen daher einige der wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit dieser neuen zwischenstaatlichen Regelung erläutert werden.

Die Frage, ab wann und in welcher Höhe eine Rente zusteht, richtig sich weiterhin nach dem jeweiligen nationalen Recht (also dem Recht des Staates, in welchem der Antrag gestellt wird). Verbesserungen ergeben sich jedoch bei der Prüfung einer erforderlichen Mindestzeit als Zugangsvoraussetzung: Hier werden nun Rentenanwartschaften in beiden Staaten zusammengerechnet. Zeiten werden in dem Umfang berücksichtigt, wie sie von dem Versicherungsträger des anderen Staates bescheinigt werden.

Beispiel 1): Hans A. hat in Rumänien 30 Jahre lang gearbeitet. 2001 reist er nach Deutschland aus und arbeitet hier noch vier Jahre = 48 Monate. Dann beantragt er Rente. Eine Spätaussiedlerbescheinigung hat er mangels Nachweis einer volkstumsbezogenen Benachteiligung in Rumänien nicht bekommen. Regelung bisher: Die Rente wird abgelehnt, da die Mindestwartezeit von 60 Monaten Versicherungszeit in Deutschland nicht erfüllt wird. Die Zeiten in Rumänien werden mangels Zugehörigkeit zum Personenkreis der Spätaussiedler nicht anerkannt. Regelung nach Geltung des Abkommens: Die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten werden bei Prüfung der Wartezeit berücksichtigt. Hans A. bekommt eine Rente aus den in Deutschland erworbenen Zeiten.

Beispiel 2): Hans B. lebt in Deutschland und bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zeiten aus Rumänien wurden mangels Spätaussiedlerbescheinigung bisher nicht anerkannt. Durch Zusammenrechnung der Versicherungszeiten aufgrund des Abkommens könnte die Wartezeit von 35 Jahren für eine Altersrente für langjährige Versicherte erfüllt werden, was zu einer höheren Rente führen würde.

Beispiel 3): Hans C. bezieht eine geringe Rente aus niedrigen Beiträgen in Deutschland aus der Zeit vor 1992. Eine Anhebung dieser Beiträge nach den Vorschriften über Mindestentgeltpunkte (§ 262 SGBVI) erfolgt bisher nicht, weil insgesamt keine 35 Jahre rentenrechtlicher Zeiten in Deutschland erworben wurden. Nach dem Abkommen werden hierfür jedoch auch Zeiten in Rumänien hinzugezählt, so dass nun eine Berechnung von Mindestentgeltpunkten möglich wird.

Festzuhalten ist hierbei, dass die Gleichwertung der Zeiten nur für die Wartezeit (also den Rentenzugang), aber nicht für die Entgeltpunkteberechnung (also die Rentenhöhe) gilt.

Änderungen aufgrund des neuen Abkommens gelten ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens. Betroffenen können dann einen Überprüfungsantrag stellen. Renten werden rückwirkend ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens gezahlt, wenn der Überprüfungsantrag innerhalb einer Frist von zwölf Monaten ab diesem Zeitpunkt gestellt wird.

Das Fremdrentengesetz bleibt auch nach In-Kraft-Treten des Abkommens anwendbar. In der deutschen Rente werden weiterhin Zeiten, die vom Fremdrentengesetz erfasst werden, berücksichtigt. Zu beachten ist jedoch nach wie vor, dass Rentenanteile aus Zeiten nach dem Fremdrentengesetz beim Umzug ins Ausland – z.B. zurück nach Rumänien – nicht mehr gezahlt werden.

Neben der Zahlung einer Rente in Deutschland kann auch ein Rentenanspruch in Rumänien (aus den rumänischen Zeiten) entstehen. Auch nach In-Kraft-Treten des Abkommens sind jedoch rumänische Renten auf die deutsche Rente anzurechnen, soweit die der rumänischen Rente zu Grunde liegenden Versicherungszeiten auch bei der deutschen Rente nach dem Fremdrentengesetz berücksichtigt worden sind. Bezieher von Renten aus Rumänien sind verpflichtet, diesen Rentenbezug der deutschen Rentenanstalt mitzuteilen.

Eine wesentliche Änderung hat sich hinsichtlich der Zuständigkeit ergeben. Für Rentner, die zuletzt als Angestellte gearbeitet haben, ist weiterhin die BfA (Deutsche Rentenversicherung Bund) in Berlin zuständig. Für Betroffene, die zuletzt als Arbeiter tätig waren, war die örtliche Landesversicherungsanstalt (LVA), jetzt Deutsche Rentenversicherung (Bundesland/Bezirk), zuständig. Diese Zuständigkeit wurde unabhängig vom Wohnsitz der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken (LVA Unterfranken) in Würzburg als „Verbindungsanstalt“ übertragen. Der Zuständigkeitswechsel wurde in einem Vorgriff auf die Abkommensbestimmung bereits umgesetzt. Sie gilt auch für bereits laufende, aber noch nicht entschiedene Verfahren.

Beispiele:
Arbeiter Hans D. wohnt in Augsburg. Unter Vorlage von Lohnlistenauszügen beantragt er eine Neufeststellung seiner Zeiten mit 6/6-Anrechnung bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben in Augsburg. Bisher wurde über diesen Antrag in Augsburg entschieden. Nach neuer Rechtslage gibt die Behörde in Augsburg die Bearbeitung an die Behörde in Würzburg ab, Hans D bekommt seinen Bescheid aus Würzburg.

Arbeiter Hans E. in Darmstadt beantragt unter Vorlage von Lohnlistenauszügen eine Neufeststellung seiner Zeiten mit 6/6-Anrechnung bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen in Frankfurt. Auch diese Behörde kann nicht mehr nach alter Praxis einen Ablehnungsbescheid erlassen, sondern wird den Fall unabhängig vom Wohnsitz an die Deutsche Rentenversicherung Unterfranken in Würzburg abgeben, wo unter Beachtung der allgemeinen Rechtsprechung der Landessozialgerichte entschieden wird. Seine Ehegattin war als Buchhalterin zuletzt in Angestelltenposition. Ihr Antrag ist unabhängig vom Wohnsitz von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin zu bearbeiten.

Rechtsmittelverfahren werden jedoch nach derzeitigen Informationen nicht abgegeben, sondern von der bisherigen Rentenbehörde fortgeführt. Werden die Verfahren beendet und im Rahmen des § 44 SGBX neue Anträge gestellt, gelten für die neuen Anträge auch die neuen Zuständigkeitsregeln.

40-Prozent-Kürzung in der FAZ


Das Verfahren gegen die Kürzung der Fremdrentenbewertung um vierzig Prozent vor dem Bundesverfassungsgericht ist kürzlich in das Interesse der großen Medien gerückt: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte am 2. Februar 2006 einen Artikel von Reinhard Müller mit dem Titel: „Abschlag von 40 Prozent. Die Kürzung der Fremdrenten“. Der Autor zeigt zutreffend die Entwicklung und Beweggründe des Gesetzgebers bei Schaffung des Fremdrentengesetzes auf. Bei Würdigung der aktuellen Rechtslage und besonders der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist dem Autor jedoch ein essentieller Fehler unterlaufen: Der Abschlag um 40 Prozent als Teil der Neuregelungen 1996 betrifft nämlich nicht nur „alle (Aussiedler), die nach 1996 nach Deutschland kamen“, sondern gerade auch diejenigen, die vor 1991 zugezogen und von den zu diesem Zeitpunkt geschaffenen Kürzungen (30 %) aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgenommen waren.

Novum der Regelungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBL. I S. 1461) war nämlich, dass der Abschlag in Höhe von 40 Prozent gerade nicht mehr vom Zeitpunkt des Zuzuges der Betroffenen abhängig gemacht wurde (Art 6 § 4c FANG). Dieser neuen Kürzung unterworfen wurden damit – anders als bei allen Kürzungen davor - auch Betroffene, die schon Jahre oder Jahrzehnte vor Einführung der Kürzung nach Deutschland zugezogen waren und amtliche Auskünfte über zu erwartende Rentenanwartschaften von den Rentenbehörden erhalten hatten. Diesen Auskünften und allen darauf gestützten Dispositionen der Betroffenen wurde durch die erstmalig mit „unechter Rückwirkung“ ausgestatteten Kürzungsregeln die Grundlage entzogen. Betroffene, denen bei den Kürzungsrunden 1991 und danach zutreffend noch Vertrauensschutz auf vorherige Auskünfte über erworbene Rentenanwartschaften zugebilligt wurde, wurden nun plötzlich kurz vor Rentenantritt mit einer Reduzierung der zugesagten und eingeplanten Alterssicherung um 40 Prozent konfrontiert. Dieses war der Grund für die breite Anfechtung der ungerechten Kürzungsregelung. In einem Leserbrief wurde der FAZ eine Richtigstellung mitgeteilt.

Rechtsanwalt Dr. Bernd Fabritius, München


Schlagwörter: Rechtsfragen, Rente

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