22. März 2007

Bundestag verabschiedet Übergangsregelungen für Fremdrenten

Am 9. März 2007 hat der Deutsche Bundestag das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz über die „Rente mit 67“ verabschiedet. Im Artikel 16 des Gesetzes wurden auch die Übergangsregelungen zur Anwendung der 40-Prozent-Kürzung für Fremdrenten beschlossen. Über Inhalte und Auswirkungen dieser Vorschriften sowie die Position unseres Verbandes soll der nachfolgende Artikel informieren.
Im Rahmen der „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ wurden nach Inkrafttreten der 40%-Kürzung für alle Mitglieder, die schon vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland zugezogen waren und die jetzt nur mehr erheblich reduzierte Renten zugesprochen bekamen, Widerspruchs- und Klageverfahren durch alle Instanzen geführt. Hierzu wurden zwei begleitende Rechtsgutachten in Auftrag gegeben und in den Verfahren vorgelegt. Nach Vorlage mehrerer Fälle durch das Bundessozialgericht entschied das Bundesverfassungsgericht im Juni 2006, dass die Kürzungsregelungen gegen das Grundgesetz verstoßen, weil sie die Betroffenen ohne geeignete Übergangsvorschriften sofort in die Kürzung der Rente einbeziehen und daher die Grundsätze des Vertrauensschutzes verletzen. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2007 geeignete Übergangsvorschriften zu erlassen. Über den jeweiligen Stand der Verfahren wurde in regelmäßigen Abständen in dieser Zeitung berichtet.

Durch eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 29. November 2006 wurde bekannt, dass der Entwurf eines umfangreichen Gesetzes zur Anhebung der allgemeinen Altersgrenzen in der Rentenversicherung – Stichwort „Rente mit 67“ – erarbeitet worden war, in welchen so nebenbei (Artikel 16) auch die Übergangsregelungen zur 40%-Kürzung eingefügt worden waren. Dies nahm unser Verband zum Anlass, sofort eine Stellungnahme an den zuständigen Bundesarbeitsminister zu erarbeiten, in welcher die Bedenken gegen die geplanten Übergangsregelungen formuliert wurden. Trotzdem brachte die Bundesregierung mit der Bundestagsdrucksache 16/3794 vom 12. Dezember 2006 den geplanten Entwurf ohne Änderung in den Bundestag ein. Daraufhin wurden Gespräche mit vielen Politikern des Bundestages und der Länder geführt, um sie für unser Problem zu sensibilisieren. Parallel dazu erarbeiteten die beteiligten Rechtsanwälte eine Petition, in welcher ein begründeter Alternativvorschlag unterbreitet wurde und in der rechtliche Bedenken gegen die geplanten Übergangsvorschriften formuliert wurden. Diese Petition wurde dem zuständigen Petitionsausschuss des Bundestages vorgelegt (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 16. Februar 2007). Zusätzlich wurde sie dem Bundesarbeitsminister und allen Sozialministern der 16 Bundesländer mit der Bitte um verständige Prüfung und Unterstützung zugeleitet. Ergänzend wurde sie an alle Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag und an andere Politiker, die einen Bezug zu diesem Thema haben und die ihren Beistand zugesagt hatten (BdV-Bundesvorstand, Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung etc.), übermittelt. Die Petition lag den zuständigen Ausschüssen des Bundestages bei deren Beratungen und Entscheidung vor. Zu einigen Rückfragen und Ergänzungsbitten wurden ergänzende Stellungnahmen erarbeitet und abgegeben.

Leider haben sich die Bundestagsabgeordneten mehrheitlich den Bedenken unserer Landsmannschaft gegen die geplanten Übergangsvorschriften nicht angeschlossen. Mit 408 Ja-Stimmen und nur 169 Gegenstimmen bei vier Enthaltungen hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung unverändert wie folgt beschlossen: Den Betroffenen, die vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland zugezogen und nach dem 1. Oktober 1996 in Rente gegangen sind, wird eine einmalige Ausgleichszahlung für Rentenbezugszeiten vor dem 1. Juli 2000 gewährt. Diese wird wie folgt errechnet: Für Rentenbezugszeiten vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 wird die Kürzung voll ausgeglichen. Vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 wird die Kürzung zu 75 % ausgeglichen, danach bis zum 30. Juni 1999 um 50 Prozent und bis zum 30. Juni 2000 nur noch um 25 Prozent. Ab dem 1. Juli 2000 erfolgt kein Ausgleich mehr, so dass ab diesem Zeitpunkt die 40%-Kürzung bei allen Betroffenen voll greift.

Die Wirkung der neuen Regelung wird anhand von drei Beispielen verdeutlicht:

1) Frau A ist seit dem 1.12.1996 in Rente. Bei ihr macht die Kürzung genau 100 € monatlich aus. Damit errechnet sich ihre einmalige Ausgleichszahlung wie folgt: 7 x 100 € (100%-Ausgleich für die Zeit vom 1.12.1996 bis 30.6. 1997) plus 12 x 75 € (75%-Ausgleich für 1.7.1997-30.6. 1998) plus 12 x 50 € (50%-Ausgleich für 1.7. 1998-30.6.1999) plus 12 x 25 € (25%-Ausgleich für 1.7.1999-30.6.2000) = 2500 €. Diese Zahlung bekommt Frau A einmalig, die 40%-Kürzung bleibt ansonsten ein Leben lang in ihrer Rente bestehen.

2) Herr B ist seit dem 1.9.1998 in Rente. Bei ihm macht die Kürzung genau 200 € monatlich aus. Er erhält folgende einmalige Ausgleichszahlung: 10 x 100 € (50%-Ausgleich für die Zeit vom 1.9.1998 bis 30.6.1999) plus 12 x 50 € (25%-Ausgleich für 1.7.1999-30.6.2000) = 1600 €. Ansonsten bleibt auch bei Herrn B die 40%-Kürzung ein Leben lang bestehen.

3) Frau C ist seit dem 1.7.2000 in Rente, die monatliche Kürzung beträgt 200 €. Frau C erhält keine Ausgleichszahlung, weil ihre Rente erst nach dem Zeitraum der Übergangsvorschrift (1.10.1996 bis 30.06.2000) beginnt. Die 40%-Kürzung bleibt auch hier weiter bestehen.

Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen hatte viel weitergehende Übergangsregelungen beantragt, die aber nach dem mehrheitlichen Willen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages leider nicht berücksichtigt wurden.

Nach unserer Überzeugung wird diese vom Bundestag getroffene Regelung der letztjährigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht gerecht. Wir werden daher in den bereits offenen Verfahren der „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ eine gutachterliche Prüfung vornehmen lassen und diese Verfahren gegebenenfalls erneut vor dem Bundesverfassungsgericht entscheiden lassen. Auch werden wir in Kontakt mit den bereits eingeschalteten Landesministern darauf hinwirken, dass die als ungerecht eingestufte Entscheidung des Bundestages in dieser Frage im Bundesrat noch einmal durchdacht wird. Auch wenn nicht viel Hoffnung bestehen dürfte, die Entscheidungsträger von der Unzulänglichkeit der Entscheidung zu überzeugen, soll damit auch die kleinste Chance zur Schaffung gerechter Übergangsvorschriften genutzt werden.

Über das weitere Vorgehen wird diese Zeitung berichten, sobald neue Entscheidungen vorliegen. Konkreter Handlungsbedarf für die Betroffenen besteht aus rechtlicher Sicht derzeit nicht, weil die Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens und dann die Umsetzung durch die Behörden abzuwarten sind.

Dr. Bernd Fabritius
Ernst Bruckner

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2007, Leitartikel)

Schlagwörter: Rente, Rechtsfragen, Landsmannschaft

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  • 23.04.2008, 18:47 Uhr von Brigitte: Hallo Herr Dr. Fabritius, herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort. Viele ... [weiter]
  • 23.04.2008, 09:22 Uhr von Fabritius: Hallo Brigitte, die 40 % Kürzung wird auf die Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten angewendet und ist eine ... [weiter]
  • 22.04.2008, 22:04 Uhr von Brigitte: Hallo, Erst mal herzliches Danke und Lob an alle Verantwortlichen und Beteiligten von ... [weiter]

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