22. Mai 2008

Sozialgerichte verbieten Rentenbehörden den Fiktivabzug

Rentenbehörden in Deutschland haben im Rahmen der Anwendung von Vorschriften des Euro­päischen Sozialrechts nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union einen gesetzlich nicht vorgesehenen Abzug einer fiktiven Rente aus Rumänien von der Deutschen Rente geplant. Erste Kürzungsbescheide wurden seit Ende 2007 erlassen. Nun haben Sozialgerichte die­se unzulässige Praxis der Rentenbehörden verboten und die Rechtsauffassung unseres Ver­ban­des bestätigt.
Wie mehrfach in dieser Zeitung berichtet, besteht im Falle der Antragstellung auf Alters­ren­ten in Deutschland die Möglichkeit, den im Eu­ro­päischen Sozialrecht vorgesehenen gleichzei- tigen Beginn der Renten in allen anderen EU-Län­dern, also auch in Rumänien, aufzuschieben. Die meisten Landsleute haben zu Recht von dieser Möglichkeit durch Abgabe der Auf­schub­erklärung gegenüber der Deutschen Ren­ten­behörde Gebrauch gemacht, um einen Ren­tenbezug in Lei aus Rumänien mit gleichzeitiger Kürzung ihrer deutschen Rente zu verhindern. Dies war für die Rentenbehörde Anlass, einen gesetzlich nicht zugelassenen fiktiven Abzug von der deutschen Rente vorzunehmen. Nun sind die ersten Gerichtsverfahren entschieden, den Rentenbehörden wurde diese rechtswidrige Praxis verboten.

In einer am 6. Mai 2008 zugestellten Ent­scheidung hatte zuerst das Sozialgericht Lands­hut entschieden, dass „... die Altersrente der Klä­gerin ohne Abzug im Sinne von § 31 Fremd­rentengesetz zu zahlen ist, solange die Klägerin eine Rente vom rumänischen Versicherungs­trä­ger nicht bezieht“. Die Rentenbehörde wurde auch verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu erstatten (SG Landshut, S 5 R 1053/07 vom 10. Dezember 2007). Das Gericht begründete diese Entscheidung damit, dass eine Anwendung des § 31 FRG auf den uns betreffenden Sachverhalt nicht erfolgen dürfe: „Die Kammer folgert letzteres aus dem unzweideutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung, in welcher ausdrücklich die Voraussetzung aufgestellt wird, dass durch den ausländischen Versicherungsträger eine Ren­te oder andere Leistung ‚gewährt’ und ‚ausgezahlt’ wird. Angesichts des Wortlautes, der in keiner Weise auslegungsbedürftig ist, sondern viel­mehr eine zweifelsfreie Regelung trifft, ha­ben die der Auffassung der Beklagten (Renten­be­hörden) zugrunde liegenden Bedenken rechts­politischer Art letztendlich zurückzustehen.

Stützen lässt sich die Ansicht der Beklag­ten schließlich auch nicht auf die Vorschriften des § 46 Abs. 2 Sozialgesetzbuch I, wonach ein Verzicht auf eine Sozialleistung unwirksam ist, soweit andere Personen oder Leistungsträger durch ihn belastet werden. Im Sinne des § 46 SGB I liegt ein Verzicht alleine dann vor, wenn dieser eine bereits bewilligte Sozialleistung betrifft...“, so die wörtliche Urteilsbegründung.

Diese Auffassung wurde am 7. Mai 2008 vom Sozialgericht Koblenz bestätigt: „Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, auf die Altersrente der Klägerin aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 31 Abs. 1 FRG eine in Euro umgerechnete fiktive Rente der Klägerin aus der rumänischen Ren­ten­versicherung anzurechnen und die deutsche Rente in Höhe der fiktiven rumänischen Rente nicht auszuzahlen“ (Urteil vom 7. Mai 2008, AZ. S 1 R 1232/07).

Auch das Sozialgericht Stuttgart hat sich durch Beschluss vom 16. Mai 2008 (AZ. S 9 R 3257/08 ER) dieser Auffassung in einer ersten Beur­tei­lung angeschlossen und festgehalten: „nach sum­marischer Prüfung der Kammer lässt sich für die Vorgehensweise der Antragsgegnerin kei­ne Ermächtigungsgrundlage finden. Entge­gen der Auffassung der Antragsgegnerin kann die fiktive Anrechnung auch nicht auf den Wort­laut des § 31 FRG gestützt werden“.

Damit ist die Position unseres Verbandes bestätigt und die Unzulässigkeit der Praxis der Rentenbehörde festgestellt worden. Es ist zu erwarten, dass die Rentenbehörden trotz dieser Entscheidungen ihre unzulässige Praxis vorerst weiter fortsetzen werden, weil in allen Fällen, in denen Betroffene sich nicht dagegen wehren, eine Kürzung bestandskräftig wird. Wir empfeh­len daher allen Betroffenen, gegen die Kür­zungsbescheide vorzugehen und fristgerecht Wi­dersprüche und dann Klagen zu den Sozial­gerichten einzulegen. Die Kosten dafür tragen bei Erfolg in der Sache die Rentenbehörden. Hil­festellung erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung im Fremdrentenrecht.

Dr. Bernd Fabritius

Schlagwörter: Rente, Rechtsfragen

Bewerten:

59 Bewertungen: ++

Neueste Kommentare

  • 09.09.2008, 18:04 Uhr von Marilena43: Geehrter Herr Fabritius, am 1.Oktober erhalte ich meine Altersrente. Nach Aufschiebung des rum. ... [weiter]
  • 13.06.2008, 12:25 Uhr von Fabritius: In Ergänzung zu dem obigen Artikel weise ich darauf hin, dass sich zwischenzeitlich sehr viele ... [weiter]

Artikel wurde 2 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.