9. Oktober 2008

Im Zeichen von Glaubenskraft und Brauchtumstreue

Die einzelnen Programmpunkte des Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Österreich in Wels waren am ersten Veranstaltungstag inhaltlich darauf ausgerichtet, den Teilnehmern zum Leitgedanken „Angekommen – Angenommen“ mit einer Ausstellung kulturelle Informationen, mit dem Vortrag von Bischof Dr. Michael Bünker eine Auslegung des Leitgedankens aus kirchlicher Sicht und mit der Vorstellung einer DVD eine historische Analyse des Heimatverlustes zu bieten (diese Zeitung berichtete). In dem Festabend dieses Tages wurde die Dimension unserer Gemeinschaft und ihre politische und kulturelle Akzeptanz in der neuen Heimat vermittelt.Demgegenüber und ergänzend dazu waren die Veranstaltungen am zweiten Tag des Treffens am Sonntag, dem 28. September, deutlich einer Vertiefung der Gemeinschaftseindrücke und dem inneren Erleben dieser Tage gewidmet.
Bei den Siebenbürger Sachsen weltweit gehört zu einem Treffen in heimatlichem Geist der Gottesdienst. Bei den Treffen in Wels wird ihm seit jeher ein Totengedenken bei dem 1961 vom donauschwäbischen Bildhauer Peter Wittman geschaffenen Denkmal vor der Sigmarkapelle am Zwinger vorangestellt. Wegen der Morgenstunde dieser Feier nahmen auch diesmal nur die Spit­zen unseres Verbandes und wenige Landsleute daran teil.

Sie wurden aber durch die Stimmung des Herbstmorgens in der historischen Anlage und durch die von der Nachbarschaft Wels sorg­fältig vorbereitete und von der siebenbürgischen Blasmusikkapelle Laakirchen unter Kapellmeis­ter Siegfried Weber musikalisch umrahmten kurzen Andacht für ihr frühes Aufstehen reichlich belohnt. Pfarrer Georg Grager (Traun) fand in einer prägnanten Predigt sofort den Zugang zu allen Empfindungen, die uns mit unseren auf der Flucht oder im Krieg oder durch Gewalt und Verschleppung Verstorbenen verbinden, und wies auf den Sinn und die Bedeutung der oft umstrittenen Gedenkstätten hin. Sie dienen dazu, „mit den Verstorbenen verbunden zu bleiben auch über den Tod hinaus, als eine Ge­mein­schaft“ und „sie sind und bleiben wichtige Orte, wohin wir unsere Not, aber auch unsere Nach­denklichkeit hintragen können“. Mit dem Text des Kapitels 21 der Offenbarung und einem aus­drucksstarken Gebet und dem Va­terunser fand die Gedenkfeier ihren Abschluss.
Die Trauner beim Trachtenumzug in Wels. Foto: ...
Die Trauner beim Trachtenumzug in Wels. Foto: Josef Napokoj
Der eine halbe Stunde später beginnende Fest­gottesdienst in der eleganten Welser Stadthalle beeindruckte vor allem durch die große Zahl der teilnehmenden Trachtenträger aller Jahrgänge. Sie vermittelten, wie auch der mit einer kostbaren sächsischen Stickereien dekorierte Altar und die ebenso geschmückte Kanzel, eine feierliche, heimatliche Stimmung, der sich niemand entziehen konnte. Die Liturgie gestaltete Pfarrer Gerhard Grager, die Choräle führte die Blasmu­sikkapelle Laakirchen, das Graduale und Lied­beiträge nach der Predigt wurden vom Chor der Siebenbürger Sachsen der Kreisgruppe Schwä­bisch Gmünd (Leitung Wilhelm Ehrlich) vorgetragen. Auf der Grundlage des Textes aus dem Markus-Evangelium, Kapitel 12, Verse 28-34, behandelte Dr. Gerold Lehner, Superintendent von Oberösterreich, in einer tiefschürfenden Predigt den Heimatbegriff aus biblischer Sicht.

Für die vielen Nordsiebenbürger im An­dachts­raum war vor der Kollekte die Kurz­ansprache des stellvertretenden Vorsitzenden der Heimat­ortsgemeinschaft Bistritz-Nösen über die Brand­katastrophe an der Kirche ihrer Heimatstadt besonders erschütternd. Studiendirektor Horst Göbbel gab Details über den Brandausbruch und die laufenden Wiederaufbauarbeiten und schilderte eindrucksvoll, wie die Bistritzer Bür­ger bei früheren Bränden und Schäden dieses Gotteshauses (zuletzt 1857) immer wieder die Kraft und die Mittel zu seinem Wiederaufbau aufgebracht haben. Deutlich spürbar war das Vertrauen des Redners in die Kraft der heutigen Bistritzer und der sächsischen Gemeinschaft, dieses Wunder auch in der Gegenwart zu vollbringen und dementsprechend fiel auch die diesem Zweck gewidmete Kollekte recht ansehnlich aus.
Die Blaskapelle Landshut beim Trachtenumzug in ...
Die Blaskapelle Landshut beim Trachtenumzug in Wels. Foto: Josef Napokoj
Treue zum sächsischen Brauchtum beherrsch­ten in der Folge an diesem Sonntag den gesamten Bereich der Stadthallenanlage im Mes­sege­lände Wels. Über 400 Trachtenträger aus Öster- ­reich und Deutschland versammelten sich zu dem vom Bundesjugendreferenten Manfred Schul­ler organisierten Trachtenzug, der ein optisches und seelisches Erlebnis bot. Angeführt von der Blas­musikkapelle Landshut und in weiteren Marsch­­blöcken von den Mu­sikkapellen Mun­der­fing, Traun, Rosenau und Laakirchen im Schritt gehalten, zogen die Ehrengäste und die Grup­pen aus Salzburg, Nürnberg, Schwäbisch Gmünd, Ingolstadt, Hermannstadt und die Nach­bar­schaften Traun, Bad Hall, Vöcklabruck, Ro­se­nau und Wels mit ihren Volkstanzgruppen in einer bunten Reihe in ih­ren wunderschönen säch­sischen Trachten in einem kurzen Rund­gang durch die Stadt und nach Querung des Stadt­platzes wieder zur Stadt­halle.

Hier bot Bundesobmann Mag. Volker Petri in seinem Festvortrag zum Leitgedanken des Heimattages „Angekommen – Angenommen“ den Teilnehmern eine Gesamtschau über die schick­salshaften Ereignisse der Nordsie­benbürger Sachsen ab September 1944, über die Mühsal der Flucht und des Ankommens sowie über das schwierige Anpassen gewachsener Strukturen an eine neue, oft unfreundliche Umwelt. Der Weg der Siebenbürger Sachsen in Österreich bis zum Angenommen-Sein war lang und für eine ganze Generation prägend, letztendlich aber erfolgreich, weil die mitgebrachten sozialen und kulturellen Werte der Neuankömmlinge, ihr Ge­meinschaftssinn und ihre Brauchtumstreue von der Bevölkerung erkannt und in der Folge auch von den Behörden gewürdigt wurden (Lesen Sie den Festvortrag von Volker Petri in der morgigen Siebenbürgischen Zeitung Online).
Beim Heimattag in Wels: Brautpaar aus Waltersdorf ...
Beim Heimattag in Wels: Brautpaar aus Waltersdorf in Originaltracht, dargestellt von Ingrid und Max von der Siebenbürger Jugend Traun. Foto: Josef Napokoj
Mit dieser gedanklichen Ausrichtung folgten im Programm weitere Höhepunkte: Während 107 Blasmusiker mit ihren Instrumenten auf der Bühne der Stadthalle „eingeordnet“ wurden, tra­ten vor der Halle im herbstlichen Sonnenschein die Volkstänzer in Aktion: Die Gastgruppen führ­ten mit 38 Trachtenpaaren den Neppendorfer Landler vor und die österreichische Volkstanz­gruppe (acht Paare) gab zwei anspruchsvolle Rei­gen zum Besten. In der Halle sammelten sich inzwischen Gäste und Ehren­gäste zu einem Früh­schoppen-Konzert. Die Kapellmeister E. Arz (Landshut), W. Zilles (Ro­senau), Ph. Harant (Munderfing), S. Weber (Laakirchen), G. Schädl und W. Krebelder (Traun) unterhielten unter der Ansage von Siegfried Weber, der auch die Organisation dieses Programmpunktes innehatte, das Publikum in höchstem Maße. Ihre Vor­träge reichten von der Europahymne über alte österreichische Mär­sche zu zeitgemäßen Liedern und endeten nach einer Stunde mit der Bundes­hymne. Diese Dar­bietung beeindruckte durch die Sicherheit der zum Teil recht jungen Musiker und durch die Routine der Verant­wort­lichen, bei denen dieser Teil des sächsischen Brauchtums in guten Hän­den ist.

Nach dem Mittagessen traten zu aller Freude die Volkstanzgruppen aus Hermannstadt, Ingol­stadt, Nürnberg und Schwäbisch Gmünd noch einmal auf. Man konnte den Ehrgeiz der jungen und die Beweglichkeit der älteren Volkstänzer bewundern und hatte seine Freude an den von ihnen getragenen schönen und wertvollen Trachten. Dies Kulturgut zu pflegen, bleibt eine der edelsten Aufgaben der Siebenbürger Sach­sen. Die Anwesenden fanden sich zum Ausklang einmal mehr in dem vom Chor Schwäbisch Gmünd geleiteten Siebenbürgen-Lied und dann verkündete – es war schon reifer Nachmittag – Obmann Konsulent Hans Waretzi das Ende des 12. Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Der erlebte Gemeinschaftssinn und die Brauchtumstreue haben uns alle gestärkt und bereichert.

Dr. Fritz Frank

Schlagwörter: Heimattag, Verbandspolitik, Föderation

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