31. August 2011

Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Nordamerika

Vom 15. bis 17. Juli fand unter dem Motto „Unsere Jugend – unsere Zukunft“ der Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Nordamerika in Aylmer, einem kleinen Städtchen im Süden des kanadischen Bundesstaats Ontario, statt. Das Begegnungstreffen findet alljährlich im Wechsel in Kanada und den USA statt. Über den Heimattag berichten gemeinsam Volker Petri, Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, und Käthe Paulini, ehemalige Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada.
In 11 000 Metern Höhe braust monoton der Jumbojet über den Atlantik. Immer wieder fallen meine Augen zu und meine Gedanken fliegen in vergangene Zeiten.

Vor mir sehe ich unsere verunsicherten Landsleute, wie sie sich ab 1948 aus den Flüchtlingslagern in Österreich auf den Weg in eine fremde und unbekannte Heimat nach Kanada und in die USA aufmachten. Die Schifffahrt räumte ihnen noch ein wenig Zeit ein, um sich auf das Unbekannte vorzubereiten. Was es für unsere in der Heimat verwurzelten Landsleute damals bedeutete, aufzubrechen und in der Nachkriegszeit ganz neu zu starten, ahnt man mit ein wenig Phantasie und den Berichten von Zeitzeugen. Der englischen Sprache nicht mächtig, waren die ersten Schritte in der Fremde schwierig. Von Heimweh geplagt, verunsichert, ob es die richtige Entscheidung war, stellten sie sich den neuen Herausforderungen. In der Neuen Welt half uns unser nachbarschaftlicher Gemeinschaftssinn durch die erste schwere Zeit. Unsere Sparsamkeit, Verlässlichkeit und der sprichwörtliche Fleiß führten bald zu Erfolg und Anerkennung. Hilfsbereite Kanadier, oft waren es die deutsch sprechenden Mennoniten, standen einigen unserer Landsleute mit Rat und Tat zur Seite. In der fruchtbaren Provinz Ontario fanden viele Siebenbürger eine neue Heimat und einige Bauern übernahmen Farmen in Aylmer, wo sie Tabak anpflanzten. Schon in den 1920er Jahren wurden die ersten siebenbürgischen Vereine in Ontario gegründet. Die sächsischen Vereine in Kanada standen ihren Mitgliedern von Anfang an zur Seite und halfen mit Heimatabenden, sich im neuen Zuhause immer besser zurechtzufinden.
Teilnehmer des Föderationsjugendlagers im Festzug ...
Teilnehmer des Föderationsjugendlagers im Festzug zum Gottesdienst. Foto: Alfred Löwrick
Am 14. Juli lande ich in Toronto, werde vom Bundesvorsitzenden John Werner abgeholt und bei der liebenswerten und gastfreundlichen Familie Paulini in Kitchener untergebracht. Am Freitag geht es dann nach Aylmer, wo der diesjährige Heimattag ausgerichtet wird. In der „Saxonia Hall“, dem mit vielen siebenbürgischen Schätzen ausgestatteten Clubhaus, treffen wir auf die ersten Landsleute und tauschen Erfahrungen aus, „olles of Socksesch“, denn groß an der Bühne und auf den T-Shirts steht „Socksesch as mai Mottersproch“. Die Alten freuen sich, ihren vertrauten Dialekt zu sprechen und aus ihrem Leben zu erzählen. In Kürze ist man vertraut miteinander, findet viele gemeinsame Bekannte und fühlt sich gut aufgehoben in dieser kanadischen Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen. Die hier noch so lebendige siebenbürgische Gastfreundschaft kommt von Herzen. Die Jugendgruppe, die beim internationalen Jugendaustausch in Kanada unterwegs ist, trifft fröhlich und beschwingt ein und trägt mit ihrer Unbeschwertheit zum guten Gelingen bei. Viele fleißige Hände haben ein gutes Essen vorbereitet, zu welchem wir – über 100 Personen – am Freitag erwartet werden.
Auftritt des Transylvania Club Chors unter der ...
Auftritt des Transylvania Club Chors unter der Leitung von Dieter Konrad. Foto: Alfred Löwrick
Am Abend lautet das Motto „Pink Panther Party“. Rebecca Horth hat ein sehr ansprechendes Quiz zum Thema siebenbürgische Geschichte erstellt. In Gruppen sollen die etwa 30 Fragen schriftlich beantwortet werden. Nach der Prämierung der Sieger, legt der DJ Musik auf, und bald ist der Tanzboden von Tänzern besetzt.

Die laute Tonstärke erschwert die Gespräche, doch der Bassrhythmus und die Melodien heben die Stimmung. Bei Bier und Wein lösen sich die Zungen, und alte Freundschaften werden erneuert. Nachts fahren wir ins Hotel und liegen bald schon in Morpheus Armen.

Samstagvormittag ist Zeit, um auszuspannen, und für einen kleinen Rundgang durch St. Thomas. Nach einem kurzen Besuch bei den „Sächsischen Fußballmeisterschaften“ in Aylmer kehren wir ins Hotel zurück und bereiten uns für den Festabend, das Bankett, vor.

Zu den Klängen der Transylvania Blaskapelle unter der Leitung von Steve Schatz senior folgt der Einmarsch der Fahnen und Ehrengäste. Wir erleben die weltweite Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen: Aus Rumänien, Deutschland, Österreich, den USA und Kanada sind Vertreter gekommen, und man fühlt sich wohl unter „seinen Landsleuten“, einer Gemeinschaft, die die Grenzen von Sprache, Konfession und Politik überwindet.

John Penteker, der erste Stellvertreter des Bundesvorsitzenden in Kanada, heißt uns willkommen und erklärt den Heimattag für eröffnet. Bill Ungar, Präsident des Clubs in Aylmer, sagt seinen Willkommensgruß und mit einem Tischgebet beginnen wir das mit viel Liebe und Können zubereitete Festessen.
Jugendgruppe des Transylvania Club Kitchener. ...
Jugendgruppe des Transylvania Club Kitchener. Foto: Alfred Löwrick
Es folgen die Grußworte von Thomas Manning, Präsident der Alliance of Transylvanian Saxons (ATS – zu deutsch: Zentralverband der Siebenbürger Sachsen) in den USA, Anita Pavel aus Hermannstadt als Vertreterin des Siebenbürgenforums, und Volker Petri, Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und Vertreter der weltweiten Föderation. Der Transylvania Club Chor tritt auf und singt bekannte Lieder gekonnt und einfühlsam unter der Leitung des Musikers Dieter Konrad. Die Saxonia Tanzgruppe begeistert mit klassischen Volkstänzen und in eigener Regie einstudierten modernen rhythmusstarken Tänzen. Auch die Jugendtanzgruppe des Transylvania Clubs zeigt ihr Können. Man merkt, dass sie mit Leib und Seele dabei sind. Das Publikum ist begeistert, großer Applaus.

Um halb zehn geht es mit gemeinsamem Tanz in unbeschwerte Stunden. Die Transylvanian Hofbräu Band unter der Leitung von Steve Schatz senior spielt auf und reißt uns mit. Um Mitternacht fahren wir zum Hotel. Dort geht es noch ein wenig weiter mit dem unbeschwerten Zusammensein.

Am Sonntagmorgen marschieren etwa 200 Trachtenträger und 150 weitere Gäste von der Saxonia Hall zum East Elgin Community Komplex, in dem wir den Festgottesdienst feiern, den Pfarrer Volker Petri hält. In Deutsch und Englisch wird abwechselnd der Gottesdienst gestaltet. Mit Beethovens „Die Himmel rühmen“ stimmt die Transylvania Blasmusik uns auf den Gottesdienst ein. Anita Pavel vom Deutschen Forum liest den 23. Psalm und Helgard Werner das Evangelium. Die Predigt über 1. Korinther 13,13 weist darauf hin, dass wir alle, von der Liebe Gottes erfüllt, dem Glauben getragen und der Hoffnung beflügelt, als beschenkte Menschen leben dürfen. Diese Gaben sind mithin auch das Herzblut unserer Gemeinschaft, Partnerschaften und Familien. Der Chor begleitet und unterstreicht die Gedanken musikalisch mit zwei wunderschönen Chorälen „Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel geht” und dem „Vater unser”. Mit dem Segen und dem Choral „Nun danket alle Gott”, beschließen wir den Festgottesdienst und gehen zur Kundgebung über.

Nach dem Einmarsch der Fahnen und Redner begrüßt John Werner, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, die Teilnehmer und weist auf die Geschichte und den Segen unserer Gemeinschaft hin. Weiter übermittelt Werner die Grüße vom Ehrenvorsitzenden Deutschland, Dr. Wolfgang Bonfert. Werner erinnert auch an das erste Jugendlager 1971 in Deutschland, an dem er und seine Frau Helgard teilgenommen haben. Danach würdigt ATS-Präsident Thomas Manning würdigt die Zusammenarbeit zwischen Kanada und der weltweiten Gemeinschaft und spricht eine Einladung für den Heimattag im Juli 2012 in Salem (Ohio) aus. Anita Pavel vom Siebenbürgerforum überbringt gute Wünsche von Dr. Paul Jürgen Porr und den Landsleuten aus Siebenbürgen, die sich uns verbunden fühlen. In der Festansprache weist Bundesobmann Volker Petri auf die intensiven Beziehungen zwischen den österreichischen und kanadischen Siebenbürger Sachsen hin.

Die Volkstanzgruppe aus Cleveland (Ohio) unter der Leitung von Stefanie Hanek erfreut das Publikum mit einer willkommenen Einlage. Als Nächstes überraschen uns die Teilnehmer des Jugendlagers mit einer musikalisch humorvollen Darbietung. In einem Lied mit Gitarrenbegleitung tragen sie ihre Erlebnisse der ersten Woche vor. Es war großartig.

Bundesvorsitzender John Werner dankt allen Kulturgruppen für ihren Beitrag zum Gelingen des Heimattags. Alle erhalten eine Urkunde für ihre Teilnahme. Mit dem Siebenbürgenlied schließt die festliche Kundgebung, und wir gehen zum gemeinsamen Mittagessen. Das kulturelle Programm am Nachmittag gestalten der Transylvania Chor und die beiden Tanzgruppen aus Kanada und den USA und finden viel Applaus und Anerkennung. Zum Abschluss tanzen alle gemeinsam den Siebenschritt. Außerdem gibt es Lesungen von Dr. Waldemar Scholtes aus „Das Gesamtwerk, Lustige Geschichten in Bistritzer Mundart“ (Otto Gunesch) und aus „Nösner Bilderbuch“(Max Gross) sowie von Judy Penteker aus dem siebenbürgischen Kinderbuch „Das Ameisenvolk“ (Anne Junesch), das ins Englische übersetzt wurde.

Den vielen Mitwirkenden, den treuen Helfern und Organisatoren sagen wir Dank. Die Tage sind schnell entflogen, man kann kaum glauben, dass das Wochenende schon vorüber ist. So war es eine willkommene Geste, als das Ehepaar Ungar die Einladung aussprach, noch ein wenig in ihrem Garten gemütlich beisammen zu sitzen. Bei einem kühlen Getränk und gutem Nussstrudel lacht man und plaudert. Dann aber heißt es Abschied nehmen. Bis wir uns irgendwo, irgendwann wiedersehen.

Volker Petri, Käthe Paulini

Schlagwörter: Kanada, Heimattag 2011, ATS

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Neueste Kommentare

  • 31.08.2011, 20:29 Uhr von Melzer, Dietmar: Transylvanian Saxons from USA and Canada are so wonderfull..... Es ist lobenswert, dass die ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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