7. März 2012

Nachruf auf den Sport- und Turnlehrer Günther Hugo Wagner

Ein Leben, das große Erfolge, aber auch das Leid kannte, ging am 19. Februar zu Ende. Günther Hugo Wagner war der Sportlehrer in Zeiden, von 1954 bis zur Rente 1988. Eine schöne Zeitspanne, die er voll genutzt hat, um sein „Sportimperium“ aufzubauen.
Geboren wurde Günther Wagner am 14. Juni 1928 in Mühlbach als ältestes von fünf Geschwistern. 1930 zog die Familie nach Schäßburg um, wo der Vater als Gerbermeister eine gute Arbeitsstelle fand. Günther Wagner war vielseitig begabt: Schon in der Gymnasialzeit nahm er an überregionalen Sportwettkämpfen in Leichtathletik und Schwimmen teil. Seine künstlerische Begabung lebte er beim Theaterspielen und Zeichnen aus. Wer ihn in der Seminarzeit als Musikus Miller in Schillers „Kabale und Liebe“ gesehen hat, weiß, dass für „Züna“ durchaus auch eine Schauspielerkarriere offen war. Seinem Zeichentalent verdankt er, der mit noch nicht einmal 17 Jahren nach Russland deportiert wurde, vielleicht sein Überleben in den unmenschlichen Bedingungen dieser Zeit. Für eine Extraportion Brot zeichnete er Postkarten und malte die Offizierskantine aus. Diese Begabung hätte er gern in einem Architekturstudium angewendet. Das war jedoch in den Nachkriegsverhältnissen für ihn unmöglich.

Als er nach fünf Jahren Zwangsarbeit zurück in seine Heimatstadt Schäßburg kam, war es ein Glücksfall, dass er im Schäßburger Seminar die letzte Klasse und die Matura nachholen und so Lehrer werden konnte. Bevor er jedoch den Lehrerberuf ausüben konnte, wurde er für weitere drei Jahre zur Zwangsarbeit geholt. Wie anders soll man den dreijährigen Militärdienst nennen, zu dem die Deutschen, damals als Kriegsverbrecher gestempelt, einige Ungarn und einige Rumänen, die als „Ausbeuter“, als Feinde des Vaterlandes galten, eingezogen wurden?

Günther Hugo Wagner (1928-2012) ...
Günther Hugo Wagner (1928-2012)
Erst 1953 kam Günther Wagner dazu, über seinen Lebensweg selbst zu entscheiden. Er heiratete die Lehrerin Anna Hildegard Schneider, und sie zogen nach Zeiden, wo beide an der „Deutschen Siebenklassen-Schule Nr. 2“ eine Lehrerstelle erhielten. Nun konnte Günther Wagner daran gehen, eines seiner Talente zum Beruf auszubilden: Im Fernunterricht studierte er Sport und wurde so Sportlehrer.

Schon in seinem zweiten Jahr an der Schule Zeiden unterrichtete er nur noch Turnen und Sport. In den ersten Jahren trainierte er auch erfolgreich die Zeidner Frauenhandballmannschaft, die damals in der ersten Liga spielte, aber sein Interesse galt der Leichtathletik. Jahr für Jahr baute er sich in der Zeidner Schule starke Mannschaften auf, mit denen er nicht nur im Kreis Kronstadt, sondern auch auf nationaler Ebene zahlreiche Erfolge erkämpfen konnte. Es kam zur Gründung des Trainingszentrums und 1968 zu dessen Umgestaltung in den Schüler-Sport-Klub-Zeiden. Mit diesem Status war eine besondere Förderung verbunden.

Günther Wagner ist es zu verdanken, dass neben dem Schulgebäude der inzwischen zum „Zeidner Real-Human-Lyzeum“ herangewachsenen Schule eine Sportanlage mit Handball- und Basketballplatz mit Tribüne entstand und eine moderne Sporthalle gebaut wurde.

Die Erfolge seiner Tätigkeit sind auch in Medaillen zu messen: Er holte mit seinen Sportlern in den Landesfinalen insgesamt 53 Medaillen, davon 20 in Gold, 21 in Silber und 12 in Bronze. Trotzdem war er kein Verfechter einer zu starken Spezialisierung. Hans Königes, einer seiner erfolgreichen Schüler, sagt über ihn: „Wagner war nicht nur Sporttrainer. Er wollte seinen Schülern viel mehr auf den Weg geben, als aus ihnen ,nur‘ gute Sportler zu machen. Für ihn hatte Sport einen hohen gesellschaftlichen, erzieherischen und kulturellen Wert.“ Sowohl in den Gesprächen über die außergewöhnlichen Erfolge als auch in seiner Biografie betont Günther Wagner dankbar die fruchtbare Zusammenarbeit mit seinen Fachkollegen im Klub (Sektion Leichtathletik und Handball).

1998 erschien das Buch „Sport in Zeiden“, das Wagner zusammen mit Erwin Mieskes geschrieben hat. Damit kommen wir zu einer weiteren Stärke unseres Sportlehrers: Er war ein Datensammler. Mit Akribie hat er nicht nur alle Ergebnisse seiner Schüler gesammelt, aufgeschrieben und gewertet, sondern auch alle Daten über den Sport in Zeiden.

Wenn wir nun so viel Leistung aufgezählt haben, erscheint es nur eine natürliche Folge, dass Günther Wagner nicht nur in Zeiden, sondern auch im Kreis Kronstadt und auf Landesebene zu immer höheren Positionen aufstieg. So leitete er schließlich als Kampf- und Schiedsrichter der höchsten Kategorie nationale und internationale Wettkämpfe. Für seine Arbeit erhielt er viele Auszeichnungen, z.B. den Sportverdienstorden dritter Klasse (mit Präsidentialdekret).

Bei so viel Tätigkeit für die Gemeinschaft konnte es leicht passieren, dass zu wenig Zeit blieb für die Familie, obwohl sie ihm viel bedeutet hat. Er beschäftigte sich mit der Familiengeschichte und pflegte den Kontakt zu Familienmitgliedern. Auf Familienfesten waren seine auswendig vorgetragenen Gedichte beliebt. Aber es konnte vorkommen, dass sein voller Terminkalender es ihm unmöglich machte, bei dem ein oder anderen Familienfest dabei zu sein, weil er als Schiedsrichter irgendwo im Land eingeteilt war.

Dem Ehepaar wurden drei Kinder geboren, die Töchter Christa und Ortrun und der Sohn Günther. Die beiden haben durch ihr Engagement in der Zeidener Theatergruppe viel für die kulturelle Erbauung der Zeidner geleistet.

Nach seiner Aussiedlung nach Deutschland ließ sich das Ehepaar 1990 in Rüsselsheim nieder. Auch hier hat Günther Wagner, mittlerweile Rentner, seinen Beruf, der längst eine Berufung war, weiter ausgeübt: In der TG 1862 hat er als Leichtathletiktrainer gewirkt und noch einmal Verbundenheit, Wärme und Wertschätzung gefunden.

Trotzdem sind die letzten Jahre unseres Verstorbenen überschattet von Sorge und Trauer. Sorge um die Ehefrau, die in letzter Zeit gänzlich auf seine Hilfe angewiesen war, und Trauer um den Sohn Günther, der im Jahr 2001 starb. Als er selbst krank wurde und die Verantwortung für die Ehefrau nicht mehr tragen konnte, ging sein spannungsreiches, erfülltes Leben schnell zu Ende.

Seine größte Leistung bestand wohl darin, dass er so viele Schüler vom Sport begeisterte. Immerhin 36 seiner Zöglinge sowie zwei seiner fünf Enkelkinder haben sogar Sport studiert. Viele ehemalige Schüler, Kollegen und Eltern denken dankbar und mit Hochachtung an ihn. Wir werden sein Andenken in Ehren halten.

Hans Unberath

Schlagwörter: Nachruf, Zeiden, Sport, Lehrer

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