5. Juli 2012

Heimattag – übers Smartphone auf den PC

„Noch nie haben so viele Menschen auf der Erde gelebt, noch nie haben sie so viel Energie verbraucht wie heute, noch nie war die Wirtschaft so global vernetzt, noch nie war die Mobilität so groß, war das Reisen so leicht wie heute ...“ Zu den Superlativen, mit denen unser Zeitalter assoziiert wird, zählt natürlich auch dieser: Noch nie wurde so viel und so schnell kommuniziert wie heute.
Noch vor weniger als 200 Jahren gab es außer dem direkten Gespräch nur den Brief, den eine Postkutsche oder ein berittener Bote mehr oder weniger schnell von A nach B beförderte. Dahingegen schwirrt heute eine unübersehbare Flut von Informationen, in bits und bites zerhackt, in Sekundenschnelle mehrmals um den Globus. In Zeiten von Smartphone, E-Mail und Social Media ist es schick, immer online, immer erreichbar zu sein. Von den meisten der Älteren noch misstrauisch beäugt, kann sich die junge Generation ein Leben, in dem nicht ständig Information in Form von Bild und Text konsumiert wird, praktisch kaum mehr vorstellen. Welch eine gewaltige Veränderung!

Schnitt: Dinkelsbühl, Pfingsten 2012. Festlich gekleidete Menschen, viele in den althergebrachten Trachten aus der Gegend von Burzen, Kokel und Zibin, wogen durch die Stadt. Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen, eigentlich ein „Heimatwochenende“, hat wieder Tausende zusammen kommen lassen. Seit Jahrzehnten ist er aus dem Leben unserer in Deutschland neu geformten Gemeinschaft nicht wegzudenken, seit eben so langer Zeit für zahlreiche Menschen, die Siebenbürgen verlassen haben, ein wesentlicher Anlass für Begegnungen, Gespräche, Brauchtumspflege und Besinnung auf sich selbst. Er steht aber auch symbolisch für die tiefe Veränderung in unserem Leben, dem Leben einer Gruppe aus ihrer Heimat ausgesiedelten Menschen. Überlegen wir mal: Vor zweihundert Jahren, ja noch vor 70 Jahren brauchte keiner von uns Sachsen einen Heimattag, und schon gar nicht in Deutschland. War nicht jeder einzelne Tag ein „Heimattag“ für die Menschen, die in einer Gemeinschaft und in ihrer angestammten Heimat ein Leben führten, das sich seit Jahrhunderten nicht nennenswert verändert hatte, wenn man an das Wesentliche denkt? Doch dann brachen die Stürme von Nationalsozialismus, Weltkrieg und kommunistischem Terror über diese Gemeinschaft herein und zerstreuten ihre Glieder in alle Winde. In einer neuen Heimat angekommen und dort im öffentlichen wie privaten Leben rasch genau so erfolgreich wie die Nachbarn, war ihnen dennoch eines unwiederbringlich verloren gegangen – die räumliche Nähe und das Nestwärme und Sicherheit verströmende Gemeinschaftserlebnis. Natürlich bietet ein Heimattag, bieten drei in festlich gehobener Stimmung verbrachte Tage in Dinkelsbühl keinen Ersatz für das Verlorene, doch ist das traditionsreiche Treffen für viele mehr als nur ein Ort der Begegnung, eine Möglichkeit zur Pflege alter Bräuche und dem Genießen neuer kultureller Produktionen. Er ist für sie ein Ankerpunkt geworden, der zugleich für die grundlegende Veränderung steht, die unsere Gemeinschaft im 20. Jahrhundert erlebt hat, wie auch für die Sehnsucht, nicht alles verloren gehen zu lassen, was sie viele Jahrhunderte hindurch kennzeichnete.
Robert Sonnleitner (Mitte) im Gespräch mit Paul ...
Robert Sonnleitner (Mitte) im Gespräch mit Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, links Günther Melzer. Foto: Lukas Geddert
Doch was hat das jährliche Treffen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen mit Smartphone und Facebook zu tun, wie es der Titel dieses Beitrags suggeriert? Für die Veranstalter des Dinkelsbühler Treffens, ja für den ganzen Verband der Siebenbürger Sachsen stellen die modernen Medien und Kommunikationstechniken eine Herausforderung und eine Chance zugleich dar, wenn es darum geht, den Bestand des Verbandes und den Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen in der Diaspora zu sichern, in einer Zeit, in der die Menschen individuelle Interessen immer mehr über den Gemeinschaftsgedanken stellen. Eine Möglichkeit könnte mit der bewusst reißerisch formulierten Schlagzeile ausgedrückt werden: „Dinkelsbühl goes Smartphone.“ Wenn man die junge Generation der Siebenbürger Sachsen beim Verband halten möchte und ihre Bereitschaft zu entwickeln trachtet, sächsische Traditionen in einer schnelllebigen Zeit nicht aufzugeben, sondern aktiv weiter zu leben, dann muss man sie dort abholen, wo sie abgeholt werden kann, ja oft geradezu abgeholt werden will. So ist zum Beispiel zu erwarten, dass diese Zielgruppe gut auf eine umfangreiche Videodokumentation der zahlreichen Veranstaltungen des Heimattages im Internet ansprechen wird.

Eine solche hat auch in diesem Jahr Günther Melzer erstellt, zum sechsten Mal in Folge seit 2007. Günni, wie ihn seine Freunde nennen, hat bisher 32 Videos vom Heimattag 2012 veröffentlicht, wenn das gesamte Material vorliegt, rechnet er mit 70 Videos. Doch kommt es ja nicht auf die Videominuten allein an. Robert Sonnleitner, Bundesreferent für Internet und Online-PR des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, weist darauf hin, dass die Videoberichterstattung 2012 auf eine deutlich breitere Basis gestellt werden konnte als in den Jahren zuvor: „Neu ist, dass wir dieses Mal drei Interviewer waren. Neu war, dass wir mit mehreren Kameras gefilmt haben. Super finde ich, wie Günni den Videoschnitt ‚Wahre Freundschaft‘ vom ‚Sachsesch Owend‘ hinbekommen hat. Das Besondere daran war, dass er Videomaterial aus drei Kameraperspektiven verwendet hat. Und neu war auch, dass diesmal sieben Handyreporter mit Smartphones bewaffnet unterwegs waren, deren Videos und Fotos von den unterschiedlichsten Veranstaltungsorten zeitnah und direkt auf www.siebenbuerger.de-Onlinemedien publiziert werden konnten.“

Die Videos 2012 sind (so wie jene der vergangenen Jahre) von der Startseite und von der eigenen Videoübersichtseite zugänglich: www.siebenbuerger.de/medien/audio-video/videos/heimattag-2012/

Wer sich hier einklickt, den erwartet ein bunter Strauß aus Reportagen und Interviews, die vollständigen Reden der Festgäste und Impressionen von den zahlreichen Veranstaltungen in optisch hervorragender Qualität. Es kann nicht Aufgabe dieser Besprechung sein, dem geneigten Leser aufzuzählen, was ihn beim Besuch der Videothek erwartet, vielmehr soll darauf eingegangen werden, warum sich ein solcher Besuch lohnt. Sicher ist eins: Videos können einen Heimattag nie ersetzen, ihnen fehlt natürlich das sinnliche Erleben, und auch der sich aus dem Zusammentreffen von Menschen und Orten ergebende spiritus loci kommt nur beschränkt zur Geltung. Dennoch; der eine oder andere, der gar nicht teilnehmen konnte, oder mancher, der bei der Fülle der Veranstaltungen nicht alles zu besuchen und erleben konnte, was er gerne hätte sehen wollen, sie alle erhalten durch die Videos die Gelegenheit, Verpasstes nachzuholen. Doch es ist weit mehr: Reden können im Wortlaut nachvollzogen werden, manche sprachliche Feinheit fällt erst hinterher auf. Interviews sind originelles Material, das Hintergründe erklärt und Zusammenhänge aufzeigt. Und nicht zuletzt ist ja die Perspektive des Filmemachers eine andere als die eigene. Dadurch und durch das simultane Filmen aus verschiedenen Perspektiven wird aus der schieren Bildaufzeichnung ein Kunstwerk, eine Reportage, die den Betrachter einlädt, sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen, ja, vielleicht die Perspektive zu wechseln.

Lassen wir zu guter Letzt noch einmal Robert Sonnleitner zu Wort kommen: „Durch den Einsatz moderner Medientechnik, durch Multimedia-Storytelling, Liveberichterstattung mit Smartphones, Interviews mit Organisatoren, Mitwirkenden, Prominenten und das Einfangen von Besucherstimmen leisten Günther Melzer und sein Team gute Öffentlichkeitsarbeit für den Verband. Wir hoffen, dadurch das Interesse am Heimattag hoch zu halten, mehr und neue Besucher nach Dinkelsbühl zu locken, das Engagement der Mitwirkenden aufrecht zu halten und nicht zuletzt weitere Siebenbürger Sachsen, vor ­allem der jüngeren Generation, zum Eintritt in den Verband einzuladen.“

Noch hat Günther Melzer längst nicht das ganze Videomaterial des Heimattages veröffentlich, ist er immer noch mit Schneiden und Aufbereiten beschäftigt. Man darf gespannt sein – auf die Bilder dieses und jene von kommenden Heimattagen.

Hansotto Drotloff


Alle Videos und Interviews von den Heimattagen 2012

Schlagwörter: Heimattag 2012, Internet, Siebenbuerger.de

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