8. September 2012

20 Jahre Elena Mureșanu Stiftung

Eine große Liebe war der Anfang für eine kleine Stiftung mit nachhaltiger Wirkung.

Dr. Ernst Weisenfeld und Elena Mureșanu

Der Journalist Ernst Weisenfeld aus dem westfälischen Gevelsberg hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine erfolgreiche Arbeit in Paris aufgenommen. Er hatte in jungen Jahren Journalistik studiert und über den frühen siebenbürgisch-deutschen Journalismus in Berlin promoviert. Gelegentlich seiner Rumänienaufenthalte lernte er Elena Mureșanu, seine spätere Ehefrau, kennen. Sie war das Kind einer ethnisch gemischten Ehe und war in Bistritz im Kreis der evangelischen und deutschsprachigen Gemeinde aufgewachsen. Zu Verwandten, die nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Bistritz lebten, unterhielt sie Verbindung. Sie unterstützte sie und kannte dadurch die allgemeine materielle Not sowie den Wunsch der deutschen Minderheit das Land zu verlassen.

Während seines Aufenthalts in Siebenbürgen lernte Weisenfeld den siebenbürgisch-deutschen Journalisten Dankwart Reissenberger kennen, den er viele Jahre später zum stellvertretenden Vorsitzenden seiner Stiftung erwählte. Zusammen mit seiner Gattin erarbeitete er ein kleines Vermögen. Dr. Weisenfeld war ein international geschätzter und mit Verdienstorden gewürdigter Buchautor. Seine Beiträge zur deutsch-französischen Versöhnung sind beachtenswert.

Als seine Gattin verstorben war, gab er sein Domizil in Paris auf und zog zunächst nach Bonn, später nach Hamburg. Nun sah er den Zeitpunkt für die Gründung einer Stiftung gekommen. Sie fördert Jugendliche, die in deutscher Sprache ihre Schul- bzw. Hochschulausbildung in Rumänien weiter verfolgten. Auch sollte sie bedürftigen, alten Menschen eine angemessene Fürsorge ermöglichen. Zum Andenken an seine Gattin war er entschlossen, die Hälfte des gemeinsam erarbeiteten Vermögens einer Stiftung zur Förderung der deutschen Sprache in Rumänien und zur Erhaltung der Kultur der Siebenbürger Sachsen zuzuführen. So konnte Dr. Weisenfeld seiner verstorbenen Gattin im Namen der Stiftung ein Andenken setzen: „Elena Mureșanu“.

Rumänien vor 20 Jahren

Der Sturz der Ceaușescu-Diktatur führte nicht zu den erhofften Veränderungen in Bezug auf die Minderheitenrechte. Das Vertrauen der weitgehend enteigneten und der wirtschaftlichen Grundlagen beraubten deutschen Minderheit in eine bessere Zukunft stellte sich nicht ein. So entschloss sich die überwiegende Mehrheit der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben zum lang ersehnten Exodus in die Bundesrepublik. Die im Land auf Hunderte Orte verstreute verbliebene kleine Zahl zumeist alter Menschen sah keine Aussicht auf ein wie einst gewohntes Leben in Sprach- und Glaubensgemeinschaft. Unter diesen für manche überraschend eingetretenen Diasporaverhältnissen litten insbesondere alte, gebrechliche Menschen, die sich einen Neuanfang in fremder Umgebung nicht zutrauten. Ebenso verblieben in Rumänien Kinder, deren Eltern aus unterschiedlichen Gründen das Land nicht verlassen hatten.

Wie entstand die Stiftung?

Im Jahr 1990 fanden erste Gespräche statt, die zur Gründung der Stiftung führten. Als ersten Berater zog Dr. Weisenfeld den ihm aus Siebenbürgen bekannten, inzwischen zum Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen avancierten Journalisten Dankwart Reissenberger in den Kreis der Verantwortlichen. Dieser empfahl Pfarrer Kurt Franchy hinzuzuziehen, er stammte wie Elena Mureșanu aus Bistritz. Albrecht Krause, ein pensionierter ehemaliger Ministerialdirigent des BMI, war als Kenner und Mittler zwischen Regierungsstellen in Bonn und der deutschen Minderheit in Rumänien ein weiteres Mitglied im zu bildenden Stiftungsvorstand. Pfarrer Franchy, damals Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, stand als Insider der Situation in Rumänien bei der weiteren Gestaltung der Aufgaben der Stiftung zur Verfügung. Als wichtigsten Partner und zugleich Empfänger und Vermittler der Fördermittel berief Dr. Weisenfeld den damaligen Bischof der Evangelischen Kirche A.B. aus Rumänien, D. Dr. Christoph Klein, ebenfalls in den ersten Vorstand der Stiftung. Die Elena Mureșanu Stiftung wurde am 1. September 1992 vom Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. Dr. Weisenfeld hinterlegte bei der Deutschen Bank in Bonn zunächst 320000 DM und verfügte in der Satzung der Stiftung:

„Die mit der Stiftung verfolgten Zwecke sollen sein: 1. Förderung von bedürftigen Schülerinnen und Schülern an deutschen höheren Schulen Rumäniens (Gymnasialausbildung oder vergleichbare Ausbildung), und zwar vornehmlich Förderung von Kindern deutscher Abstammung aus den Bereichen Siebenbürgen und Banat, was jedoch die Förderung von Kindern rumänischer Abstammung nicht ausschließt. 2. Unmittelbare Fürsorge für alte und bedürftige Menschen in denselben örtlichen Bereichen; hierbei sind Personen deutscher Abstammung und deren Ehegatten zu unterstützen.“
Sein Herz schlug für junge Menschen bis zu seinem ...
Sein Herz schlug für junge Menschen bis zu seinem Tod: Das Schülerwohnheim im „Haus mit den Karyatiden“ in der Fleischergasse trägt seit dem 30. September 2008 den Namen Ernst Weisenfeld. Die Aufnahme entstand Anfang Januar 2009. Foto: Konrad Klein

Was wurde getan?

Die seinerzeit hochverzinslichen Wertpapiere brachten eine Rendite, die zunächst ausreichend war, die anfangs eingeschränkten Möglichkeiten in Rumänien zu bedienen. So wurden in der ersten Periode Studenten der Germanistik und der Aufbau des landeskirchlichen Altenheims in Schweischer gefördert. Gleichzeitig musste ein System aufgebaut werden, das langfristig Erfolg versprach. Hilfe kam von einigen dem Stifter aus der Zeit seines Wirkens in Paris bekannten Persönlichkeiten. Das Auswärtige Amt und das Familienministerium in München unterstützten Weisenfelds Ziele.

Ein im Stil des Barock erbautes Haus der Evangelischen Kirche wurde von Mietern befreit und in Etappen zu einem Schülerwohnheim umgerüstet. Es war Dr. Weisenfeld selbst, der den Fortgang der Arbeiten in Hermannstadt trotz seines hohen Alters persönlich verfolgte. Als letzte Maßnahme wurde das marode Dachgeschoss so ausgebaut, dass dort ein Saal und eine Reihe von neuen Schlafräumen entstehen konnten. Im Jahr 2007 wurde dem Schülerwohnheim, das bundesdeutschen Ansprüchen entspricht, der Name „Ernst Weisenfeld“ verliehen. Leider konnte der Stifter wegen seines hohen Alters der Feier nicht selbst beiwohnen. Das Stiftungskapital konnte er noch auf mehr als eine halbe Million Euro aufstocken. Allerdings haben sich im Laufe von zwei Jahrzehnten die Verhältnisse stark verändert. Zwar stieg das mittlere Einkommen der Eltern, doch reicht es nicht aus, eines oder gar mehrere Geschwisterkinder im Schülerwohnheim unterzubringen. Darum sind Spenden und Zuwendungen Dritter an die Stiftung wünschenswert und erbeten.

Ganz im Sinne des Stifters

Dr. Weisenfeld verfolgte mit Interesse und Freude das Geschehen im Schülerwohnheim. Von anfangs 15 Kindern stieg die Zahl der Internatskinder kontinuierlich bis auf 60 an. Das Haus wird von qualifizierten Kräften geleitet. Es wird evangelisch-lutherischer Glaube in Wort und Musik vermittelt. Die Gemeinschaft und der Geist im Haus sind ein wichtiger Bestandteil der Förderung von Sprache und Kultur. Es ist eine Einrichtung, in der Deutsch gesprochen, gesungen und gebetet wird. Das, obwohl im Laufe der Jahre immer mehr Jugendliche aus ethnischen und kulturellen Mischehen im Schülerwohnheim leben. Doch das entspricht wohl im weitesten Sinne der Absicht des Stifters.

Im Jahr 2002 übertrug Dr. Weisenfeld den Vorsitz der Stiftung an Kurt Franchy, der bis dahin Geschäftsführer war. Stellvertretender Vorsitzender wurde Rudolf Herrmann, Leitender Verwaltungsrat a.D. der Deutsch-Französischen Juristenvereinigung.

Nach dem Ausscheiden von Dankwart Reissenberger wurde Studiendirektor a.D. Horst Göbbel in den Vorstand berufen. Klaus Hofmann, Direktor im Schottkonzern, war leider nur wenige Jahre Beisitzer. Die Herren Petr Kasper und Wilhelm Hietsch schieden als Geschäftsführer aus. Gegenwärtig ist der Steuerberater Erich Horwath Geschäftsführer. Die Evangelische Kirche ist im Vorstand der Elena Mureșanu Stiftung grundsätzlich durch ihren jeweiligen Bischof vertreten. Nach D. Dr. Christoph Klein folgte in dieser Funktion Reinhart Guib.

Im Laufe des 20-jährigen Bestehens der Stiftung sind das Altenheim in Schweischer und mehrere Hundert Jugendliche gefördert worden. Der Vorstand ist bemüht, die von Dr. Ernst Weisenfeld in der Satzung genannten Ziele zu erreichen. Trotz schwieriger Lage konnte der Vorstand auch in diesem Jubiläumsjahr 30000 Euro dem Schülerwohnheim zuwenden.

Kurt Franchy

Schlagwörter: Stiftung, Hermannstadt, Jubiläum

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