8. Juli 2017

Frauentagung in Hessen: Siebenbürgische Bräuche pflegen und erleben

Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, stellten wir fest, als sich am 20. Mai blauer Himmel über der Hofreite der Familie Ilse und Walther Jakobi wölbte, wo die Tagung der siebenbürgischen Frauen in Hessen stattfand. Dort nutzten wir die Backstube und die Küche, um einen Brauch aus vergangenen Tagen, Brot und Hanklich backen, wieder aufleben zu lassen. Im weitläufigen Garten fand sich auch ein geeigneter Platz zum Singen.
Die Gesichter der eintreffenden Teilnehmerinnen strahlten mit der Sonne um die Wette, als sie dieses idyllische Plätzchen betrachteten. Während der Brotteig unter den geübten Händen von Helga Grail und Brigitte Gross kräftig geknetet wurde, begrüßte Hertha Tezel alle, die im Singkreis saßen. Ein flotter Kanon hob die Stimmung und in der Kennenlernrunde, angeleitet von Maria Rampelt, ging es fröhlich zu. Ihr anregender Vortrag zum Thema Brot lud uns ein, über das Brot als Symbol nachzudenken, was zu einem intensiven Gedankenaustausch führte. Schlussfolgernd stellten wir fest, dass Brot, das Grundnahrungsmittel aller Menschen, der Inhalt vieler Rituale ist, die uns auf unserem Lebensweg von der Geburt bis zum Tod begleiten. Auch Sprüche wie „Wes Brot ich esse, des Lied ich singe“, „Dunkles Brot macht Wangen rot“ fielen uns dazu ein.

Inzwischen hatte Angelika Meltzer, unsere Chorleiterin, das Keyboard aufgebaut, ihre Gitarre und Flöte bereitgestellt und wir stimmten die ersten Lieder an: „Af dieser Ierd“, „Das Karpatenlied“, „Det Frähjohr“. Zweistimmig mit und ohne Gitarrenbegleitung sangen wir aus dem Liederbüchlein, welches sie für diesen Anlass zusammengestellt hatte. Unser Repertoire von 18 Liedern musste am Nachmittag ergänzt werden – die Singbegeisterung war sehr groß. Dennoch unterbrachen wir unser Singen, als wir Pizza-Duft schnupperten. Die Probe-Pizza musste unbedingt gekostet werden. Die Arbeitsgruppe Pizza hatte sie inzwischen gebacken. Schmatzend und lachend wurde sie mit hervorragend bewertet.
Frauentagung in Hessen: gemeinsames Singen im ...
Frauentagung in Hessen: gemeinsames Singen im weitläufigen Garten der Hofreite von Familie Jakobi. Foto: Karin Scheiner
Mit deutschen Volksliedern wurde die etwas wehmütige Weise der sächsischen Lieder aufgefrischt. Die Mittagspause verbrachten wir plaudernd und essend in der Backstube und im Hof. Bald hieß es, der Brotteig müsse zu Brotlaiben geformt werden. Die Brotfrauen banden ihre Schürzen um und von vielen Augenpaaren begleitet, schwangen sie den Teig hin und her, bis er die Form eines Brotlaibes annahm. Das erforderte große Geschicklichkeit und wurde mit Zurufen unterstützt. Manche erlebten diesen Brauch zum ersten Mal und drängten mitmachen zu dürfen. Mit kräftigen Armen und den richtigen Platz im Backofen auslotend, schob unser Backofenmeister Walther Jakobi Brot für Brot in den mit Holz vorgeheizten Backofen. Staunend fotografierten viele jede Handbewegung.

Kurzweilig verging die Zeit mit Singen, während es backte. Mit einem gewissen Stolz nahmen später einzelne Frauen die auf Holzbrettchen gelegten knusprigen Brote und trugen sie ins Freie, wo ein Tisch und der Backtrog bereitstanden. Brot für Brot wurde abgeklopft und in den Backtrog gelegt. Er wurde mit einem sächsisch gestickten Tuch abgedeckt. Plötzlich trat erwartungsvolle Stille ein. Unser Gastgeber nahm ein Brot heraus und schlug feierlich ein Kreuz darüber. Darauf schnitt er es an. Wie das duftete! Bestrichen mit evangelischem Speck und Kräuterbutter, dazu Radieschen, Paprika und grüner Zwiebel schmeckte es wunderbar. Da uns die Kaffeezeit noch bevorstand, mussten wir uns zwingen aufzuhören. Die Hanklichfrauen waren schon fleißig dabei den Teig auszulegen, worauf sie den Guss aus Eiern und Rahm oder Grießbrei strichen. Danach wurde er in den Backofen geschoben. Warm und mit einem Hauch Puderzucker bestreut, ließen wir uns die Hanklich auf der Zunge zergehen. In der Abschlussrunde brachten alle Frauen mit leuchtenden Augen ihre Freude über diesen wunderschönen, an frühere Zeiten erinnernden Tag zum Ausdruck. Frau Meltzer verstand es ausgezeichnet, alle zum Singen anzuregen. Dankesworte für die reibungslose Organisation richteten sie auch an Frau Tezel und Frau Scheiner. Eine arbeitsreiche Tagung – 20 kg Mehl wurden zu zwölf Broten, fünf Hanklich und zehn Pizzen verarbeitet –, aufgelockert mit fröhlichem Gesang, ging zu Ende. Bis zum Schluss halfen emsige Hände beim Aufräumen.

Karin Scheiner

Schlagwörter: Hessen, Frauentagung, Brauchtumspflege

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