4. Juni 2020

Anekdoten vom Heimattag in Dinkelsbühl – Teil 2

In der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 7 vom 5. Mai 2020 (siehe auch SbZ Online), rief Kulturreferentin Dagmar Seck die Leserinnen und Leser dazu auf, ihr die schönsten, lustigsten, beeindruckendsten oder interessantesten Erlebnisse aus fast 70 Jahren Heimattag in Dinkelsbühl zuzusenden. Es meldeten sich daraufhin vor allem aktive und ehemalige Funktionsträger des Verbandes, doch nicht nur. Vom langjährigen Besucher bis zur erstmaligen Besucherin war alles vertreten. Eine erste Auswahl wurde in der SbZ Online bereits veröffentlicht, hier folgen (zum Teil leicht gekürzt) die restlichen Anekdoten.
Der Ehrenvorsitzende Dr. Wolfgang Bonfert hielt ...
Der Ehrenvorsitzende Dr. Wolfgang Bonfert hielt 2019 die Rede an der Gedenkstätte. Foto: Günther Melzer
Pfingsten 2019 war ich mit meinem Mann zum ersten Mal beim Heimattag in Dinkelsbühl – wahrscheinlich aber nicht zum letzten Mal. Obwohl wir schon 1990 aus Großpold in Siebenbürgen nach Seewalchen in Oberösterreich ausgewandert sind, haben wir es bis dahin noch nie zum Heimattag geschafft.

Wir waren begeistert vom Trachtenumzug und den vielen interessanten und abwechslungsreichen Programmpunkten. Das muss ich wohl niemandem erzählen!

Was mich allerdings besonders beeindruckt hat, war die Stimmung beim Fackelzug am Abend. Eigentlich wollten wir nur der Menge folgen, da der Parkplatz, auf dem unser Auto stand, sowieso in derselben Richtung lag. Doch statt zum Parkplatz abzubiegen, sind wir dem Fackelzug gefolgt. Es war wie ein Sog, der uns mitgerissen hat. Wir gingen so weit wie möglich nach vorne zum Ort des Geschehens und konnten alles gut sehen und hören. Ich weiß nicht mehr, wer gesprochen hat, auch nicht mehr genau, was er gesagt hat. Ich weiß aber noch gut, dass ich tief berührt war im Herzen. Meine Tränen hat in der Dunkelheit zwar niemand gesehen, aber ich hätte mich auch bei Tageslicht ihrer nicht geschämt. Es war so eine andächtige Stille, dann wundervolle Klänge der Musik und eine berührende Stimmung, die ich nie vergessen werde. Augenblicke, die ich zwar nicht anhalten konnte, auch mit keiner Kamera einfangen, die jedoch im Herzen lebendig werden, sooft ich daran denke!

Lieselotte Pitter

Am Heimattag 2005 gehörte ich zu jenen Trachtenträgern, die bei der Kundgebung vor der Schranne neben dem Rednerpult standen. Wir waren eine Gruppe von Agnethlern und Karin Zinz sowie meine Frau Doris Hutter hatten die Aufgabe übernommen, die Redner von ihren Plätzen auf der Tribüne zum Rednerpult und wieder zurück zu begleiten. Der Hauptredner 2005 war der damalige bayerische Innenminister Dr. Günther Beckstein. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, in jedem Fall gab es vor seiner Ansprache einen kurzen Moment Leerlauf und er stand wartend zwischen den Agnethler Trachtenträgern. Er sollte in wenigen Augenblicken ans Mikrofon treten. Was sagt man in solch einem Moment am besten, um nicht wortlos vor dem Innenminister zu stehen? Da er Nürnberger ist und ich Herzogenauracher bin, sprach ich ihn darauf an, dass wir ja beide aus Franken kämen. Er freute sich und wollte mir sofort eine andere Siebenbürger Sächsin aus Franken vorstellen, die er bereits vom Haus der Heimat in Nürnberg kannte. Er holte also meine Frau Doris herbei, die ebenfalls in der Gruppe stand, und sagte: „Darf ich Ihnen vorstellen, das ist die Frau Hutter.“

Georg Hutter

Bei seinem ersten Trachtenumzug in Dinkelsbühl ...
Bei seinem ersten Trachtenumzug in Dinkelsbühl flogen dem kleinen Jonas auf dem Arm seines Vaters zahlreiche Herzen zu. Foto: Petra Reiner
Meine bisher schönste Heimattagsgeschichte fand letztes Jahr an Pfingsten statt. Nachdem ich im Juli 2018 zum ersten Mal Mama geworden war, war ich 2019 das erste Mal mit meiner eigenen kleinen Familie in Dinkelsbühl dabei.

Im Vorfeld gab es einige Punkte zu klären und Vorbereitungen zu treffen. Mein Mann Benny, der kein Siebenbürger Sachse ist, musste noch endgültig überzeugt werden. Zwar war er schon einmal in Dinkelsbühl beim Heimattag dabei gewesen, aber bisher noch nie beim Trachtenumzug mitmarschiert. Und für mich machte eine Teilnahme am Trachtenumzug natürlich nur als gesamte Familie Sinn. Ich freute mich sehr, als er sich bereit erklärte, diesmal aktiv mit dabei zu sein.

Dann ging es um die Trachten: Ein Trachtenhemd für meinen Mann war schnell gefunden, aber für meinen damals elf Monate alten Sohn Jonas war dies nicht ganz so leicht. Doch da die Cousine meiner Mutter einige Trachtenpuppen besitzt, konnten wir uns von ihr ein schickes Trachtenhemd mit Krawatte für Jonas leihen. Zudem kauften meine Eltern noch einen Bollerwagen, in dem Jonas während des Umzuges sitzen sollte. Doch das stellte uns vor ein neues Problem: denn wie sollte unser aktives Kind dort still sitzen? Zu der Zeit saß Jonas sowieso lieber auf den Knien als auf dem Po. Bei der ersten Sitzprobe drehte er sich sofort und wollte am liebsten aus dem Bollerwagen klettern. Wir versuchten es erst mit unserem Gurt, den wir für unseren Hochstuhl verwendeten, doch auch das klappte nicht richtig. So fuhren wir, ohne das Problem gelöst zu haben, nach Dinkelsbühl los und ich hatte etwas Bauchweh, wie das am nächsten Tag beim Trachtenumzug klappen sollte. Dort angekommen, war die Lösung auch schon da! Meine Eltern Hanni und Werner Franz, die bereits seit Freitag in Dinkelsbühl waren, hatten am Samstagvormittag Ines Wenzel bei ihrer Ausstellung zur Kopftracht getroffen. Ines, selbst Mama und erfahren mit Bollerwagen beim Umzug, gab uns einen super Tipp: wir sollten einfach den oberen Aufsatz des Kinderwagens in den Bollerwagen stellen und Jonas wie gewohnt dort anschnallen. Gesagt, getan, es funktionierte und unser kleiner Jonas fühlte sich so wohl, als ob er im Kinderwagen säße. Da war ich sehr erleichtert. Dann noch den Bollerwagen siebenbürgisch hübsch geschmückt und alles war perfekt.

Dann war der große Tag gekommen. Benny und ich sollten mit Jonas im Bollerwagen gemeinsam mit Familie Betina und Thomas Nikolaus ganz vorne hinter den Kindern mit dem Heldsdorf-Schild sowie dem Fahnenträger laufen. Pünktlich, als die Heimatgemeinschaft Heldsdorf mit der Zugnummer 47 loslaufen durfte, wachte auch Jonas im Bollerwagen auf. Zu Beginn ließen wir ihn im Wagen sitzen, von dem aus er das bunte Treiben in der Altstadt Dinkelsbühls interessiert beobachtete. Kurz vor der Zuschauertribüne nahmen wir Jonas aus dem Bollerwagen und mein Mann Benny trug ihn weiter auf dem Arm. In diesem Moment war er der kleine Star und die Zuschauer waren begeistert. Ich hörte, wie manch einer der Ehrengäste tuschelte: „Oh, ist der Kleine süß.“ Wir strahlten alle um die Wette: Wir Trachtenträger, die Ehrengäste auf der Tribüne sowie die Zuschauer am Straßenrand, und es war eine große Freude in diesem Moment mit dabei zu sein. Ich fühlte mich sehr glücklich und war voller Stolz. Auch mein Mann war zufrieden und kein bisschen skeptisch mehr, und Jonas gefiel es bei Papa auf dem Arm, so dass der komplette Umzug ohne Gequengel ablief.

Es war wirklich ein sehr schönes und besonderes Erlebnis für uns, und vermutlich wird es nicht das einzige Mal bleiben, dass wir uns als gesamte Familie am Trachtenumzug beteiligt haben.

Ines Fucker

Festzelt mit Nachwirkung

Der Heimattag 2019 begann für mich wie jedes Jahr mit einem Besuch am Freitag im Festzelt, endete aber anders: Als ich am Samstag aufwachte, hatte ich keine Stimme mehr!

Manche Freunde fanden es gar nicht schlecht, dass ich neuerdings recht still war, für mich entstand aber ein Problem: Ich sollte mich im Namen des Bundesvorstandes in der Schranne erst beim Nachwuchs und dann auch für die Brauchtumsveranstaltung „Pfingstbräuche in Siebenbürgen“ bedanken.
Da die Vorstellung der Pfingstbräuche in Mundart ...
Da die Vorstellung der Pfingstbräuche in Mundart war, suchte Doris Hutter jemanden, der sich auch in Mundart dafür bedanken konnte. Foto: Günther Melzer
Während die Nachwuchskünstler auftraten, wurde mir klar, dass ich nicht mehr als einen Satz hervorbringen können würde. So schrieb ich meine Dankesworte auf einen Zettel und bat Karline Folkendt, die in der Nähe war, um Hilfe: Wir gingen beide auf die Bühne, ich sagte, dass ich meine Stimme im Festzelt verloren hätte, die kollektive Belustigung im Saal signalisierte Verständnis und Karline las dankenswerterweise meine Worte vor.

Schwieriger wurde es bei der Brauchtumsveranstaltung. Da sie ausschließlich in Mundart stattfand, erschien mir der Dank auf Deutsch nicht angebracht. Also schrieb ich während der Veranstaltung die Dankesworte auf „hochsächsich“ (im städtischen Dialekt) und bat Annette Folkendt, sie vorzulesen. Annette sprang kurzfristig ins kalte Wasser und las den Text, gleichzeitig übersetzend, in ihrem Roder Dialekt vor. Ich war wieder gerettet!

Doris Hutter

In der Landesgruppe Hessen unserer damals noch „Landsmannschaft“ genannten Organisation war ich länger als acht Jahre Landeskulturreferentin. Ich habe mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen siebenbürgisches Kulturgut gepflegt und Öffentlichkeitsarbeit gemacht, war auch Leiterin der siebenbürgischen Kulturgruppen aus Hessen mit unserem Programm zum Kulturaustausch bei unseren Landsleuten in USA und Kanada und habe auf Englisch, Deutsch und Sächsisch unsere Darbietungen vorgestellt.

So war es nicht verwunderlich, dass der Bundesvorstand uns gebeten hatte, wir sollten beim Heimattag in Dinkelsbühl 1992 Mitausrichter sein. Bei unseren Vorstandssitzung hieß es dann auch: „Und wer soll die Gedenkansprache nach dem Fackelzug halten?“ Ohne zu zögern sagte ich: „Ich.“ Innerlich war ich schon darauf eingestellt und hatte mir auch schon Gedanken über den Inhalt gemacht.

In Dinkelsbühl war dann Treffpunkt vor der Schranne. Die Fackeln wurden verteilt und der Zug formierte sich. Vorne dran ging ich, natürlich in meiner Kleinscheuerner Tracht, zur Gedenkstätte im Lindendom. Meine vorbereitete Gedenkansprache hatte ich gleich in doppelter Ausfertigung mit, damit ich sie nach der Feierstunde sofort an die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung geben konnte. Meine Ansprache ist dann auch in vollem Wortlaut veröffentlicht worden, was wohl sonst nicht der Fall war.

Etwas aufgeregt war ich dann doch, zumal mir gesagt wurde, ich sei die erste Frau, die diese wichtige Gedenkansprache halten dürfe. Diese Ehre war offenbar bisher ausschließlich Männern vorbehalten worden. Also kam es auf mich drauf an, ob dann später wieder Frauen diese Aufgabe wahrnehmen dürften. Das war mir sehr wichtig.

Als Kinder- und Jugendleiterin, Kulturreferentin, Lehrerin, Schulleiterin und ordinierte Pfarrervertreterin, die alle Amtshandlungen eines Pfarrers vornehmen darf, war ich ja gewohnt vor vielen Leuten zu sprechen. Ich habe ganz bewusst langsam und deutlich gesprochen, damit alles, was ich sagte, überall gut zu verstehen war und sich nicht überschlug durch die lange Reihe der Mikrofone. Das war nicht leicht abzuschätzen, denn eine Mikrofonprobe vorher war nicht möglich.

Im Anschluss an die Feier bekam ich dann viele positive Rückmeldungen, dass alles überall gut zu verstehen war, der Inhalt wurde gelobt, mir wurde gratuliert von hochrangigen Persönlichkeiten. Das war schon schön. Zuletzt kam ein älterer Mann auf mich zu und sagte: Leider fehlte am Schluss das „Amen“, sonst wäre das die beste Predigt gewesen, die er je gehört hätte. Welch ein Lob! Ich konnte ihm nur danken und musste ihm sagen: „Ich durfte leider keine Predigt halten, sondern nur eine Gedenkansprache.“

Dieses Dinkelsbühl war schon ein einmaliges Erlebnis, an das ich bis zu meinem Lebensende gerne denken werde. Leider habe ich von mir bei der Ansprache kein einziges Foto erhalten. Wer mir eines geben möchte, schicke es bitte an: Dr. Roswita Guist, Kirschkamp 22, 51674 Wiehl-Hillerscheid.

Dr. Roswita Guist

Zwei Anekdoten von Alfred Mrass

Alfred Mrass hat seit 1987 an allen Heimattagen unseres Verbandes teilgenommen. Als Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg (1998-2015) und als stellvertretender Bundesvorsitzender (2007-2019) hat er auch mehrere lustige Episoden in Dinkelsbühl erlebt. Hier zwei davon.

1. Im Gedränge
Zu Pfingsten 1987, wir waren erst seit ein paar Monaten in Deutschland, gingen wir mit unserer Tochter Ursula nach der Kundgebung durch die Straßen von Dinkelsbühl. Dabei hofften wir, viele Bekannte und Verwandte zu treffen. Das war auch so, auf Schritt und Tritt begrüßte man Leute und freute sich, ehemaligen Hermannstädtern oder Agnethlern die Hände zu schütteln.

Ursula, damals 7 Jahre alt, wurde des vielen Stehenbleibens und Redens der Eltern überdrüssig. Sie hätte lieber irgendwo in einer Konditorei ein Eis gegessen. Diesen Wunsch hatten wir ihr (und den zwei Brüdern) aus verschiedensten Gründen jedoch abgeschlagen. Wütend sagte sie: „Wenn der Tata so viel Geld in der Tasche hätte, wie er Freunde hat, wäre alles besser.“
Die wenigsten Zuschauer auf der Tribüne konnten ...
Die wenigsten Zuschauer auf der Tribüne konnten sich 2008 mit einem Schirm vor der Sonne schützen. Glück hatte das Ehepaar Johannis (links im Bild). Foto: Lukas Geddert
2. Auf der Tribüne
Als stellvertretender Bundesvorsitzender saßen meine Frau Brigitte und ich während der sonntäglichen Kundgebung in der zweiten Tribünenreihe, hinter den Ehrengästen. Dort erbrachten wir oft auch kleine Hilfeleistungen.

2008 war der Pfingstsonntag ein äußerst heißer Sommertag mit gleißendem Sonnenschein. Vor uns saßen Klaus Johannis und seine Ehefrau Carmen. Sie litten unter der Sonnenstrahlung stark. Ich erkannte die Notlage und holte aus unserem Hotel Goldene Rose mehrere Regenschirme. Meine Frau und ich spannten die Schirme über dem Ehepaar Johannis auf.

Schlimmer erging es ein paar Jahre später dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Während der Kundgebung hatte es stark zu regnen begonnen. Seine Personenschützer (Bodyguards) waren darauf nicht vorbereitet und hatten keine Schirme bereitgestellt. Brigitte und ich spannten folglich unsere Regenschirme auch über Horst Seehofer und seine Frau Karin. Aber da zwei Regenschirme vier Personen schlecht schützen können, kam es immer wieder dazu, dass das Wasser von meinem Schirm Herrn Seehofer direkt in den Nacken und Hemdkragen floss. Bald war das nicht mehr erträglich und Herr Seehofer floh in die Schranne, noch vor dem offiziellen Abbruch der Kundgebung.

Die Nähe meines Sitzplatzes zu den Honoratioren führte einmal zu einer netten Verwechselung. Ein Mann, den ich kannte, Hermannstädter und derzeit in Nürnberg wohnend, kam ganz aufgeregt zu meinem Tribünenplatz und sprach mich an:

„Guten Tag, Herr von Pierer, ich freue mich Sie hier zu sehen, haben Sie Verbindungen zu Siebenbürgen“?

Ich antwortet dem Herrn: „Nein, Herr Hatzack, ich bin nicht Heinrich von Pierer, sondern Alfred Mrass und komme auch aus Hermannstadt, wie Sie.“

Uwe Hatzack hatte scheinbar bei mir eine Ähnlichkeit zu Heinrich von Pierer, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden des Siemens-Konzerns, festgestellt und dachte, ich wäre von Pierer. Er war über meine Antwort perplex und enttäuscht.

Schlagwörter: Heimattag, Dinkelsbühl, Anekdoten

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