4. Februar 2006

Leserecho: Fragwürdiger Filmtitel

Kritische Anmerkungen zum Titel „Wir wollen bleiben, was wir sind“ des neuen Filmprojekts von Günter Czernetzky, angekündigt in der Siebenbürgischen Zeitung Online.
Im Subskriptionsaufruf für den Czernetzky-Film „Die Russen kommen“ wird darauf hingewiesen, dass der Filmemacher im Auftrag der Landsmannschaft zum Thema Abwanderung und Neuansiedlung einen neuen Film dreht mit dem Titel „Wir wollen bleiben, was wir sind“. Dieser Leitspruch, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam, passte hervorragend in die damalige politische Landschaft in Siebenbürgen, als der Magyarisierungsdruck immer stärker wurde und zu befürchten war, dass die Siebenbürger Sachsen von den Ungarn assimiliert werden. Stefan Ludwig Roths Sprachenkampf war bereits ein sichtbares Zeichen dieser Haltung „wir wollen bleiben was wir sind“. Allein dieser Leitsatz ist nicht siebenbürgischer Herkunft. Er ist dem Luxemburglied „Feierwôn“ von 1859 entnommen, der heutigen Hymne dieses Landes. Das kleine Luxemburg hatte ebenfalls Existenzängste, zwischen seinen zunehmend großnational eingestellten Nachbarn zerrieben zu werden. Dieser Leitsatz passt immer noch zu den in Siebenbürgen verbliebenen Sachsen, die einen mutigen Neuanfang wagen. Aber Neuansiedlung außerhalb Siebenbürgens unter dem Motto „wir wollen bleiben, was wir sind“ ist eine Utopie. Neuansiedlung heißt Integration, heißt Anpassung an eine neue Heimat mit Wahrung und Pflege mitgebrachter Traditionen, soweit das möglich ist. Ein – vielleicht schon in zweiter oder dritter Generation – in Deutschland, Österreich oder Kanada lebender Siebenbürger Sachse ist mehr als nur ein im Ausland befindlicher Siebenbürger Sachse. Er hat sich gewandelt, ja wandeln müssen, um sich nicht selbst auszugrenzen. Eine Haltung „wir wollen bleiben was wir sind“ schadet dem Einwanderer, der irgendwo fern von Siebenbürgen wieder heimisch werden will. Oder, wie es Prof. Harald Zimmermann formulierte (Vortrag vom 22. November 2002): „Ein uns anhaftendes Recht wie in früheren Zeiten, das wir mit uns tragen, wohin wir auch gehen, haben wir sicher nicht mehr, aber was wir sonst mitgenommen haben, könnte sich auszahlen, unseren Kindern und Enkelkindern weiterzugeben“. Insofern sollte das neue Filmprojekt von Günter Czernetzky nicht unter ein Motto gestellt werden, das einer völlig anderen historischen Situation entstammt.

Götz Conradt, München


Schlagwörter: Film

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