26. August 2006

Leserecho: Deutsche - Deutschstämmige - Deutschrumänen

So erfreulich eine zunehmend häufige Berichterstattung über Siebenbürgen in deutschen Zeitschriften zu beobachten ist, so wenig befriedigend ist die darin oft anzutreffende unrichtige Vorstellung der Siebenbürger Sachsen als "deutschstämmige Einwohner" bis hin zu "Rumänen deutscher Abstammung". Ein kürzlich im "Rheinischen Merkur" unter dem Titel "Auf dem richtigen Weg" veröffentlichter Artikel mit sehr zutreffenden Darstellungen der heutigen Lage in Rumänien und Siebenbürgen, besonders in Hermannstadt, hat Dr. Johann Hager in Köln dazu angeregt, sich mit dem siebenbürgisch-sächsischen Nationsbegriff zu befassen.
Die falschen Darstellungen in den Medien sollten wir nicht einfach resigniert hinnehmen mit der Feststellung leider mäßiger Geschichtskenntnisse der Nachkriegsgeneration, besonders über die östliche Hälfte Europas. Auch der konfus verwendete Begriff der "Integration" von fremdländischen Einwanderern hat dazu geführt, dass Staats- und Volkszugehörigkeit in Deutschland nicht mehr unterschieden werden.

Unter "Nationalität" haben wir in Siebenbürgen immer die Volkszugehörigkeit verstanden. Das war die naturgegebene Gemeinschaft, in die man hineingeboren wurde. Sie war eine selbstverständliche und dauerhafte Eigenschaft eines jeden Individuums und streng zu unterscheiden von der oft wechselnden Staatsangehörigkeit. Diese war eine Rechtsnorm und keine Naturkonstante.

Die Siebenbürger Sachsen sind weder "deutschstämmige Einwohner" noch "Deutschrumänen", wie sie in bundesdeutschen Medien zuweilen genannt werden, sondern sie waren und sind seit unserer Ansiedlung im 12. Jahrhundert bis heute schlicht und einfach nur Deutsche oder Siebenbürger Sachsen. Als solche werden sie auch von den in diesem Land lebenden Rumänen und Ungarn angesprochen. Die Ansiedlung unserer Vorfahren geschah unter Zusicherung besonderer Freiheiten, die im so genannten "Goldenen Freibrief" von 1224 bestätigt wurden, dem weitestgehenden Siedlerrecht in ganz Osteuropa. Als Gäste (hospites) des Königs erhielten sie das Land, den so genannten "Königsboden", als Geschenk, dessen Bewohner mit großen demokratischen Freiheiten ausgestattet wurden. Sie konnten ihre Amtsleute und Pfarrer frei wählen und traten von Anfang an als eigene Nation im Staatenverband auf ("unus sit populus", d.h. ihr sollt ein Volk sein).

Diese Autonomie konnte über Jahrhunderte bewahrt werden - im alten Ungarn, im Fürstentum Siebenbürgen (1540- 1690) und im österreichischen Kronland Siebenbürgen (bis 1867). Nach der Reichsteilung in Österreich-Ungarn beendeten die Ungarn unser Freitum 1876.

Das Bewusstsein einer eigenständigen Nation blieb aber erhalten, ebenso unsere Kulturautonomie, ganz besonders unser beispielhaftes Schulwesen, eines der ältesten Europas. Bereits 1722 wurde die allgemeine Schulpflicht beschlossen, nur fünf Jahre nach Preußen, aber 150 Jahre vor England.

In unserer Geschichtsauffassung besteht zwischen Ost- und Westeuropa ein grundsätzlicher Unterschied, der keineswegs nur die Deutschen betrifft. Im Westen denkt man in Staaten (Wer französischer Staatsbürger wird, ist damit "Franzose"), im Osten denkt man in Völkern. In der alten k.u.k.- Armee waren Feldpostkarten in 14 Sprachen vorgedruckt. Das war dringend notwendig, denn in Ungarn etwa waren nur 40% der Einwohner Magyaren.

Unsere Familie hat in fast jeder Generation die Staatsangehörigkeit gewechselt. Meine Großeltern waren österreichische, dann ungarische Staatsbürger. Meine Eltern waren erst ungarische, dann königlich-rumänische, zuletzt sozialistisch-rumänische Staatsbürger. Dabei waren wir nie im Zweifel daran, Deutsche zu sein.

Bei meiner Geburt 1924 war Hermannstadt noch eine mehrheitlich deutsche Stadt, bis zum Abitur besuchte ich deutsche Schulen. Meine alte Schule, das Brukenthal-Gymnasium, hat eine über 600-jährige Tradition. Daran musste ich voller Dankbarkeit denken, als ich bei der ärztlichen Vorprüfung 1947 in Tübingen in Chemie vom Ordinarius anerkennend gefragt wurde: "Sagen Sie: Wo sind Sie zur Schule gegangen?"

Genau so erlebten auch die in Siebenbürgen lebenden Rumänen und Ungarn nie einen Bruch in der Definition ihrer Nationalität, unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit.

Die Ereignisse von Krieg und Nachkrieg sind bekannt. Wir stehen am Ende unserer 850-jährigen Geschichte und versuchen, die Erinnerung daran an unsere Kinder weiterzugeben. Dazu gehört, dass wir ebenso wenig "Deutschrumänen" sind wie die Südtiroler "Italiener".

Dr. Johann Hager, Köln


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