1. September 2007

Der Suezkanal: ein Jahrhundertwerk der Schifffahrt

Flirrende Hitze, Sand so weit das Auge reicht und Schiffe, die sich durch die Wüste schlängeln – wer dieses Bild vor Augen hat, erliegt nicht einer Fata Morgana, sondern steht am Suezkanal, dem bedeutendsten Wasserweg der Welt. Vor 138 Jahren wurde er feierlich eröffnet und verkürzte die Schiffsrouten von Europa nach Indien und Asien um mehr als die Hälfte. Ägypten hat er viel Geld, aber auch schlimme Kriege eingebracht. Der siebenbürgische Reisende Hans Füger hat den Suezkanal im Rahmen einer Ägyptenreise besucht und beschreibt im Folgenden seine Eindrücke.
Auf dem Weg vom Niltal zum Katharinen­kloster auf der Halbinsel Sinai erreichten wir das südliche Ende des Suezkanals am Roten Meer, dort wo die Schiffe in den Kanal hineinfahren. Majestätisch glitten die Riesentanker von bis zu 500 Meter Länge einer nach dem anderen an uns vorbei, an Bord „das schwarze Gold“ des Nahen Ostens geladen. Nördlich der Stadt Suez fuhren wir durch den 1980 eröffneten, knapp drei Kilometer langen Straßentunnel unter dem Suezkanal auf die Halbinsel Sinai, ans asiatische Ufer. Hier treffen die beiden Kontinente Afrika und Asien aufeinander, nur durch die im 19. Jahrhundert erbaute Wasser­straße getrennt. Durch den Tunnel wird der Sinai auch mit Wasser und Elektrizität versorgt. Eine große Brücke über den Suezkanal sei jetzt ebenfalls in Planung.

Die geographische und wirtschaftliche Bedeu­tung dieses Kanals übt eine große Faszination aus, deswegen einige Daten dazu. Der Mann, der als Initiator und Erbauer des Kanals in die Geschichte eingegangen ist, ist der französische Diplomat Ferdinand Vicomte de Lesseps. Der Franzose war ein charmanter „Grandseigneur“, dabei impulsiv, beharrlich und wenn erforderlich auch rücksichtslos. Es heißt, er hätte den damaligen Vizekönig Ägyptens – Said Pascha – mit reichlich Pasta verwöhnt, nur um sich dessen Genehmigung für den Kanal zu sichern. Im Jahre 1859 erfolgte der erste Spatenstich mit 25 000 Leibeigenen (Fellachen). Wenn Hunger, Erschöpfung, Cholera und Typhus im Heer der Arbeiter Lücken rissen, schloss Said Pascha die Reihen mit neu rekrutierten Bauern und Zie­genhirten. Die Männer leisteten Knochenarbeit, viele ohne Bezahlung. Niemand zählte die To­ten, unzählige flohen. Ab 1864 beschleunigten Maschinen und moderne Technik den Ausbau.

Am Jubeltage der Eröffnung – am 17. Novem­ber 1869 – drängten sich 40 Schiffe auf der Reede von Port Said, dem Eingangshafen am Mit­telmeer, an Bord alle gekrönten Häupter Europas. Vorne dampfte die „L’Agile“ mit Kaiserin Eugenie von Frankreich, neben ihr der Diplomat de Lesseps. Es folgte der österreichische Dampfer mit Kaiser Franz Joseph, und an dritter Stelle die deutsche „Grille“ mit Kron­prinz Friedrich Wilhelm von Preußen an Bord, der einerseits begeistert, andererseits auch neidisch in sein Tagebusch notierte: „Möchte doch Deutschland sich bald ähnlich großer Leis­tungen auf dem Gebiet der Verkehrswege rühmen können“.

In der Rede, die de Lesseps am Eröffnungstag hielt, wie auch in all seinen folgenden Reden, verschwieg er aber den Mann, dessen technische Planung und Berechnung das Werk erst ermöglicht hatten: Den elf Jahre zuvor verstorbenen Österreicher Alois Negrelli. De Lesseps wurde zur Legende, Negrelli hingegen vergessen. Manch einer wundert sich heute, wenn er auf dem Wiener Zentralfriedhof Negrellis Grab­stein entdeckt und die Worte ließt: „Ihm verdankt die Welt die Schaffung des Suezkanals“.

Ursprünglich war der Kanal 164 Kilometer lang, etwa 60 Meter breit und 8 Meter tief. Die Dampfer hatten bei einem Tiefgang von 7 Metern einen Meter Wasser unter dem Kiel und in den ersten Jahren steckten insgesamt 3 000 Schiffe im Kanal fest. Seither wurde der Kanal immer wieder vergrößert, die Tiefe beträgt jetzt 20 Meter, die Gesamtlänge 195 Kilometer und die Breite ist bis auf 365 Meter angewachsen. Heute fahren Schiffe von bis zu 500 Metern Länge und 70 Metern Breite durch den Kanal.

Zurzeit ist der Suezkanal eine der wichtigsten Einnahmequellen Ägyptens. Der ägyptische Staat soll beispielsweise 500 000 Dollar für die Fahrt durch den Suezkanal verlangt haben, als der US-Flugzeugträger „George Washington“ mit einigen Begleitschiffen 1993 vom Mittel­meer zum Persischen Golf befohlen wurde. Kreuz­fahrtschiffe hingegen bekommen auf die Durchfahrtsgebühr den höchsten Rabatt ge­währt.

Eine Traumreise ist die Fahrt durch den Suezkanal jedoch nur für die Passagiere, die das von dürren Sträuchern gesäumte Land am Ufer auch in seinem historischen Bezug beurteilen können. Noch immer liegen zerschossene Panzer im Wüstensand – stumme Zeugen und zugleich Mahnmale der beiden Kriege zwischen Ägypten und Israel von 1967 und 1973. Und noch immer stehen, für alle Vorbeifahrenden gut sichtbar, die Soldaten am Ufer – wegen der Bedrohung der Schiffe durch islamische Ter­roristen. Die Hoffnung, die bleibt, ist dass die Zukunft friedlicher wird und tote sowie lebende Mahnmale ihren Platz räumen.

Hans Füger

Schlagwörter: Reise

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