7. September 2007

Leben voller Bewegung: Hunderjährige feiert auf Schloss Horneck

Sind 100 Jahre viel? Sind 100 Jahre wenig? Wer vermag das zu beurteilen? Historiker? Akribisch recherchierende Genealogen? Am besten wohl der Mensch, dem eine solche Fülle an Jahren gegönnt ist. Wer im Zusammenhang mit dem hundertsten Jubiläum an „Hundert Jahre Einsamkeit“ denkt, der liegt im Falle von Sofia Andree völlig falsch. Diese erstaunlich rege und präsente Frau, gleichermaßen resolut wie empfindsam, bestand immer darauf, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und genoss es dabei viele Bekannte, Freunde und Verwandte um sich zu haben.
Heute, im Alter von 100 Jahren, ist es nicht anders: Sie war es, die zusammen mit Angehörigen ihren Geburtstag plante. Für den 29. August lud sie zu sich auf Schloss Horneck ein. Schon ab den frühen Morgenstunden gratulierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heimathauses Siebenbürgen: Pflegedienstleiterin Susanne Schuster und Heimleiter Gerhard Schmidt wünschten weitere gemütliche und beschwerdefreie Lebensjahre. Corinna Krauss überbrachte als Geschäftsstellenleiterin die besten Wünsche seitens des Vorstandes des Trägervereines „Johannes Honterus“.
Gruppenbild der Familie mit der hundertjährigen ...
Gruppenbild der Familie mit der hundertjährigen Sofia Andree.
Sofia Andree empfing voller Freude auch die Glückwünsche der Gundelsheimer Bürgermeisterin Heike Schokatz, die sowohl im Auftrag der Stadtverwaltung als auch aus persönlichem Anlass einen wunderschönen Blumenstrauß und ein Weinpräsent überreichte. Helga Bitto und Wolfgang Steiner folgten ebenfalls gerne der Einladung der Jubilarin, auch in Vertretung der Kreisgruppe Heilbronn bzw. des Kirchengemeinderates Gundelsheim.

Vor allem aber freute sich Sofia Andree darüber, dass vier Generationen von Nichten und Neffen, samt Familien, liebevoll gratulierten – so auch die vierjährige Ur-Ur-Nichte Mara, die voller Spannung und Neugierde all die Menschen um sich beäugte und sich in Gegenwart der Hundertjährigen sichtlich wohl fühlte.
Sofia Andree im Gespräch mit der Gundelsheimer ...
Sofia Andree im Gespräch mit der Gundelsheimer Bürgermeisterin Heike Schokatz (links).
Sofia Andree kam am 29. August 1907 in Mergeln zur Welt, als Tochter von Andreas Ziegler und Sofia, geborene Brenner. Sie erlebte als Kind den Ersten Weltkrieg, in dessen Wirren sie ihren Vater verlor. Bei der Mutter genoss sie zusammen mit ihren beiden Geschwistern eine vorzügliche Erziehung. Als junges Mädchen absolvierte sie eine Haushaltslehre im heimatlichen Pfarrhaus und heiratete Johann Andree. Das Ehepaar, er als Adjuvant, sie als tüchtige Hauswirtschaftliche Fachkraft, prägten nachhaltig das musikalische und kulturelle Dorfleben in Mergeln zu jener Zeit. Als Frau in ihren Blütejahren musste Sofia Andree die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges hautnah erleben. Der Ehemann kehrte nach dem Krieg nicht mehr nach Siebenbürgen zurück, sondern erwirkte 1956 die Familienzusammenführung in der Bundesrepublik.

Dank ihrer Berufskenntnisse konnte sich Sofia Andree über lange Jahre in einem Arzthaushalt behaupten, durch ihre gemütliche, freundliche und zuvorkommende Art schlossen sie alle Mitglieder dieser Familie in ihr Herz. Sie war jederzeit bereit zu helfen und bei vielen Gelegenheiten versetzte sie alle ins Staunen mit ihren Koch-, Back- und Organisationskünsten. In Siebenbürgen hat Sofia Andree wirtschaftlichen Aufschwung und totalitäre Willkür erlebt. In Deutschland wagte sie unzählige Neuanfänge zusammen mit ihrem Mann, aber auch allein, so auch vor 14 Jahren, als sie ins Heimathaus Siebenbürgen in Gundelsheim einzog. Sie verließ, wie wir alle, ein Haus, eine Heimat und baute sich wieder eine neue Heimat auf. Sie ließ Freunde zurück und fand neue Freunde. Das Leben von Sofia Andree ist ständige Bewegung.
Nun sind sie aber alle da: auch die vierjährige ...
Nun sind sie aber alle da: auch die vierjährige Mara mit ihrer Mama.
Sind 100 Jahre viel? Sind 100 Jahre wenig? Die Frage bleibt wohl noch offen. Wir wünschen und hoffen, dass sie einst die kleine Mara ihrer Ur-Ur-Enkelin weitergeben wird. Oder sie vielleicht selbst beantwortet.

Gerhard Schmidt

Schlagwörter: Altenheime, Gundelsheim

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