2. August 2008

Groß-Alischer zu Gast bei Landsleuten in Übersee

„Ich fühle mich als Siebenbürger!“ bekannte am 4. Juli so mancher in Kanada ansässiger Siebenbürger Sachse beim Kulturtreffen im Transilvania-Klub in Kitchener. Auf besonderen Wunsch und auf Einladung von Frau Käthe Paulini, der ehemaligen Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, besuchten die Reisenden der Heimatortsgemeinschaft Groß-Alisch, darunter eine Tanz- und Musikgruppe, auf ihrer Fahrt durch Kanada und die USA die Stadt Kitchener.
Das Ziel ihrer Reise, mit den seit Jahrzehnten in Nordamerika beheimateten Siebenbürger Sachsen engere Kontakte zu knüpfen, erfüllte sich bei dieser Begegnung in wunderbarer Weise sowohl im Austausch von Gedanken zur Findung einer neuen Identität in einer neuen Heimat - ohne in Widerstreit mit der jedem innewohnenden Bindung an die alte Heimat zu geraten - als auch in den traditionellen Darbietungen von Musik und Tanz, die die unverwechselbare Tradition unserer siebenbürgischen Volkskunst ausmachen.

Der Empfang am 3. Juli in Kitchener, der ersten Station der Reise, war sehr herzlich und die Begrüßungsrede von Frau Paulini beim Abendessen im Transylvania-Klub war einfühlsam und herzerwärmend, sodass die anfänglichen Hemmungen bald wichen und sehr lebhaft in Deutsch, Sächsisch und Englisch geplaudert wurde. Bereits an diesem ersten Abend erfuhren wir, dass große Erwartungen an uns gestellt wurden. Die Plakate, die überall aushingen, kündigten einen kulturellen Gesellschaftsabend mit Gästen aus Groß-Alisch/Siebenbürgen an.
Kulturabend im Transylvania-Klub in Kitchener: ...
Kulturabend im Transylvania-Klub in Kitchener: Einzug der Groß-Alischer Tanzgruppe. Foto: Albert Schuster
Der lokale Radiosender in deutscher Sprache für Ontario hatte ebenso unsere Ankunft bekannt gegeben und das siebenbürgische Informationsblatt der lokalen Presse wie auch die Kirchenblätter der Evangelischen Kirchen hatten einen außergewöhnlichen Abend mit Landsleuten aus Deutschland im Transylvania-Klub angekündigt. Dieser 4. Juli bot uns zuerst noch zwei wahrhaft interessante, schöne Erlebnisse. Auf einer Rundfahrt durch das Siedlungsgebiet der Menoniten, einer Glaubensgemeinschaft aus Deutschland, die hier seit über hundert Jahren im Raum St. Jacobs - Elmira - West Montrose siedeln, hatten wir Gelegenheit, den Ausführungen eines Menoniten-Farmers zu folgen. Auf diesen Farmen wurden die Siebenbürger Sachsen in den ersten Jahren ihrer Einwanderung in Kanada gerne aufgenommen, zu manchen Familien besteht auch heute noch Kontakt.

Der nachmittägliche Empfang im Garten der Familie Paulini zu Kaffee und siebenbürgischem Kuchen sollte zum zweiten unvergesslichen Erlebnis dieses Tages werden. Wir lernten die Familie kennen, erfuhren viel über das Leben unserer Siebenbürger Sachsen in Kanada und sangen in dieser familiären Atmosphäre zusammen bekannte Lieder aus der alten Heimat. Den Höhepunkt des Tages bildete aber der festliche Gesellschaftsabend im Transylvania-Klub. Hier gab es die erste Wiedersehensfreude mit Groß-Alischern, die als Jugendliche ausgewandert oder die Kriegsfolgen nach Kanada verschlagen hatten und die nun zu diesem Treffen aus der ganzen Provinz Ontario, aus Windsor, Aylmer, Waterloo, Clear Creek angereist waren. In den „Groß-Alischer Nachrichten“, die wir unseren Groß-Alischern auch ins Ausland zuschicken und die auch im Transylvania-Klub ausgelegt werden, hatte man voneinander gelesen und war gespannt auf die Begegnung. „Ich fühle mich als Siebenbürger!“, hörten wir immer wieder, wenn auch in wackeligem Deutsch oder in einen englischen Satz eingebaut. Die meisten aber sprechen noch unser „Sächsisch“ oder verstehen es mindestens.

Die annähernd 370 Menschen, die an diesem Abend in den Festsaal des Transylvania-Klubs gekommen waren, wollten sich mit uns austauschen, uns aber auch ein schönes kulturelles Programm bieten. Klubpräsident Alfred Löwrick eröffnete den Gesellschaftsabend, indem er die Gäste und ganz besonders die Groß-Alischer aus Deutschland begrüßte. Diesen dankte er herzlich dafür, dass sie den kulturellen Austausch angeregt hatten, um damit die Verbindung der Siebenbürger Sachsen weltweit zu festigen. Die Hauptrednerin und Organisatorin dieses Abends, Käthe Paulini, die das Amt des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada zehn Jahre lang inne gehabt hat, überbrachte Grüße von John Werner, des amtierenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, der sehr bedauerte, an diesem Abend nicht teilnehmen zu können. In einer sehr bewegenden Rede betonte sie die Bedeutung solcher Treffen in dem Leben der Siebenbürger Sachsen in Kanada. Es sei immer ein Auftanken von Wissen, Gefühlen und Erfahrungen. Sie umriss die Aufgaben der Pflege des siebenbürgischen Kulturguts in Kanada. Von Beginn an hätten sich die Einwanderer auf wenige Orte beschränkt, wo sie schnell Kontakt zueinander gefunden, Klubs und Vereine gegründet und ein lebhaftes Gemeinschaftsleben ins Leben gerufen hätten, um ihre mitgebrachten Werte, ihre siebenbürgisch-sächsische Kultur zu pflegen und um diese an ihre Kinder weiterzugeben. Aus diesem Geist sei auch dieses Haus, der Transylvania-Klub, das kulturelle Zentrum der Siebenbürger Sachsen aus Kanada als eine Zelle siebenbürgisch-sächsischen Lebens entstanden.

Heute ist Kanada die Heimat dieser Siebenbürger Sachsen. Sie sind integriert. Sie sind hier in Kitchener, das bis 1916 Berlin hieß und dessen Bevölkerung zu 80 Prozent deutscher Herkunft ist, als tüchtige, fleißige und pflichtbewusste Menschen bekannt. Sie sind patriotische Kanadier, ohne ihr ethnisches Erbe aufzugeben oder gar zu verleugnen. Man könne auch nach so vielen Jahren der Auswanderung aus Siebenbürgen Siebenbürger Sachse in Kanada sein, sagte Frau Paulini. Sie seien Mitglieder der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen und bestrebt, mit den Landsleuten in Deutschland, Österreich, den USA und in Siebenbürgen in Verbindung zu bleiben. Dazu dienten der Kulturaustausch und die Jugendlager und nicht zuletzt auch dieser Gesellschaftsabend, für dessen Zustandekommen sie sich herzlich bei der Gruppe der HOG Groß-Alisch bedankte. Als Abonnentin der „Groß-Alischer Nachrichten“ verfolge sie mit großem Interesse die Aktivitäten der HOG Groß-Alisch, insbesondere deren Fürsorge für ihr Heimatdorf in Siebenbürgen.

Bewegt von dem herzlichen Empfang und den vielen Gästen, die dem Aufruf gefolgt waren, sich mit der Groß-Alischer Gruppe zu treffen, dankte der Vorsitzende der HOG Groß-Alisch dem Klubpräsidenten und vor allem Frau Paulini, die mit viel Engagement und Energie den Aufenthalt der Groß-Alischer in Kitchener und ganz besonders den Gesellschaftsabend zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hatte. Der HOG-Vorsitzende wies darauf, wie wichtig es sei, sein Heimatdorf nicht ad acta zu legen, wie unerlässlich es für die Erhaltung der Kulturleistung unserer Vorfahren sei, die kirchlichen Einrichtungen und den Friedhof zu erhalten und zu pflegen. Sein Wunsch, die geknüpfte Beziehung zum Transylvania-Klub weiter auszubauen, wurde vor allem von der Jugendtanzgruppe begrüßt. Ein Schüleraustausch in siebenbürgischen Familien wäre sehr sinnvoll.

Musik und Tanz prägten den Abend. Die Blaskapelle des Transylvania-Klubs unter der Leitung von Jeremy Frim spielte zur Begrüßung eine flotte Polka. Mit weiteren musikalischen Darbietungen begleitete sie das Abendprogramm. Gekonnt und mit viel Elan sang der weit über Ontario hinaus bekannte Transylvaniachor, der seit 57 Jahren besteht, unter der Leitung seines Dirigenten Ian Clark, mit der Klavierbegleitung durch Elison Clark, alte deutsche und siebenbürgische Lieder. Die Schwestern Kolina und Kelsey sangen für die Gäste ein deutsches Kinderlied. Die Kindertanzgruppe des Transylvania-Klubs unter der Leitung von Hannelore Maithert zeigte bei den vorgeführten Tänzen ihr Können und ihre schönen siebenbürgischen Trachten, die im Handarbeitskreis des Transylvania-Klubs genäht worden waren. Und die Jugendtanzgruppe des Transylvania-Klubs führte unter der Leitung von Daniel Schmidt in altdeutscher Tracht mit großer Professionalität Volkstänze vor.

Gespannt hatten die Gäste auf den Auftritt der Groß-Alischer Tanzgruppe gewartet. Mit der „Reklich Med“ erntete diese einen Riesenapplaus, auch wenn sie sich nicht mit der Jugendtanzgruppe messen konnte. Die Tanzpaare durften den anschließenden Tanzabend mit einem Wiener Walzer eröffnen. Dazu lud die Groß-Alischer Musikband „Party Trio“ ein. Ihr Programm begeisterte Jung und Alt. Wehmut schlich sich in den Abschied, doch auch etwas Hoffnung, dass dieses Treffen und dieser unvergessliche Abend nur ein Anfang gewesen sind für eine lange Beziehung über den Ozean hinweg, eine Verbindung, die durch eine alte, aber lebendig gebliebene Heimat zustande gekommen ist und wohl auch weitergeführt werden wird. Unser herzlicher Dank gilt den kanadischen Gastgebern!

Wilhelm Paul

Schlagwörter: Kanada, Übersee, HOG

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