15. März 2010

Turnlehrer Rudolf Schneider: Leben zwischen Erfolgen, Leid und Enttäuschungen

„Mein erster Turnlehrer, Rudolf Schneider, konnte uns auf eine besondere Art spielerisch motivieren. Er hat das Tor zur Liebe zum Sport weit aufgemacht. Dabei sein – das war wichtig, egal wie gut die Übung gelungen war. Konkurrenzdenken kam nicht auf. Er gab uns das Zusammengehörigkeitsgefühl – eine besondere Erfahrung. Dafür gebührt Schnudder mein größter Dank.“ Das sind einige Worte der Erinnerung und Anerkennung aus einer umfangreichen Hommage von Seiten Konrad Kaspers, eines ehemaligen Schülers.
Am 18. März dieses Jahres wäre der Hermannstädter Diplom-Sportlehrer Rudolf Schneider 100 Jahre alt geworden. Er wurde als sechstes Kind von 13 Geschwistern als Sohn des Leschkircher Schulrektors Johann Schneider und der Katharina Edling geboren. Nach der Grundschule besuchte er von 1920 bis 1928 das Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt. Nach dem frühen Tod seiner Mutter schrieb er sich im Herbst 1929 in Bukarest für ein Vorbereitungsjahr an der Fakultät für Sprachen und Philosophie ein und begann im Herbst 1930 ein Studium an dem Institut für Leibeserziehung und Sport in Bukarest, das er 1934 als Diplom-Sportlehrer mit dem Staatsexamen abschloss. Im März 1934 wurde er zum rumänischen Militärdienst eingezogen, den er im November desselben Jahres mit einer Prüfung zum Unteroffizier abschloss. Im Frühjahr 1935 bestand er seine Befähigungsprüfung, und wurde im September 1935 als Lehrer am Evangelischen Knabengymnasium in Hermannstadt angestellt.
Rudolf Schneider im Kreise (fast) aller Enkel, ...
Rudolf Schneider im Kreise (fast) aller Enkel, 1972.
Neben seiner Lehrertätigkeit wirkte er in verschiedenen Vereinen als Gymnastiktrainer, zum Beispiel im jüdischen Turnverein „Aurora“ und im Turnverein „Armin“. In den Ferien arbeitete er zusätzlich als Turnlehrer in Ferienkolonien. Im Jahre 1936 heiratete er Ilse Meyer. Erika wurde 1937 geboren, dann folgten Heide, Elke und Walter. Rudolf Schneider war zeitlebens ein guter Ehemann und ein verständnisvoller Vater. Leider konnte er das Familienglück nicht ohne schmerzvolle Unterbrechungen genießen. Im April 1942 wurde er zum Wehrdienst als Reserveoffizier der rumänischen Armee eingezogen. Hier wirkte er von Juli 1942 bis April 1944 an der Ostfront in Russland als Unteroffizier im Gebirgsjäger-Bataillon als Kommandant für Nachrichtenübermittlung. Für eine waghalsige Rettungsaktion, bei der er verwundete deutsche Soldaten rettete, erhielt er die rumänischen Auszeichnungen „Krone Rumäniens“ und „Stern Rumäniens“ und deutscherseits das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Im April 1944 geriet er in russische Gefangenschaft, aus welcher er erst nach über sieben Jahren im Juni 1951 nach Hause zurückkehrte.

Trotz harter Strapazen war Schneiders Überlebenswille nicht gebrochen. Schon bald nach seiner Rückkehr begann er im Turnverein „Progresul“ Leistungssport zu betreiben, wonach er zusammen mit seiner vierzehnjährigen Tochter Erika an einem Turnwettbewerb in Bukarest teilnahm. Doch sein Leidensweg sollte noch nicht zu Ende sein. Nachdem er zunächst als Zimmermann, Trainer und dann als Turnlehrer an verschiedenen Mittelschulen tätig war, wurde er im August 1952 verhaftet und ohne Angabe von Gründen und ohne Verurteilung zur Zwangsarbeit an den Donau-Schwarzmeer-Kanal geschickt. Von dort kehrte er im November 1953, schwer angeschlagen, mit einem chronischen Nieren- und Blasenleiden zurück. In Hermannstadt bekam er zunächst eine Vertretungsstelle als Turnlehrer an der Schule Nr. 2 und arbeitete in den Ferien als Gymnastiktrainer in verschiedenen Sportvereinen sowie in Pionier- und UTM-Lagern.

Wo immer Schneider hinversetzt wurde, schaffte er es in kürzester Zeit, seine Schüler für sportliche Leistungen zu begeistern, die begabteren zu Höchstleistungen zu trainieren und ei­nige Schulmannschaften sogar zur Landesmeisterschaft zu bringen. In dieser Zeit wurde er mehrfach vom C.C.F.S. (Zentralkomitee für Leibeserziehung und Sport) für seine Tätigkeit und perfekte Organisation bei Sportfesten und Wettkämpfen ausgezeichnet. Sein Ziel war jedoch immer, möglichst alle seine Schüler für Sport und körperliche Ertüchtigung zu begeistern. Seine Veranstaltungen wie Sportfeste, Ferienfreizeiten, Pionierlager oder UTM-Lager waren immer perfekt und bis ins kleinste Detail durchorganisiert. Dennoch wurde er im September 1959 ganz plötzlich mit der Begründung entlassen, er sei „ungeeignet“. So musste Schneider als Elektriker und Installateur für sanitäre Anlagen arbeiten – eine traurige Episode für einen Mann, dessen Lebensinhalt Sport und Leibeserziehung waren. Seine Anträge, wieder in den Schuldienst aufgenommen zu werden, wurden ohne Begrün­dung abgewiesen. Erst im September 1964 bekam er eine Vertretungsstelle an der Allgemeinschule Nr. 10 in Neppendorf bei Hermannstadt und wurde dort nach einem Jahr fest angestellt. Hier wirkte er als Turnlehrer bis zu seiner Pensionierung im Juni 1972 und weiter als Vertretungslehrer bis Juni 1973.

Die Folgen der Zwangsarbeit am Kanal machten sich immer stärker bemerkbar. Nach mehreren Operationen starb Rudolf Schneider nach kurzem, schwerem Leiden am 19. Mai 1975 im Alter von nur 65 Jahren. In seiner Grabrede würdigte Bischof Albert Klein einen Mann, der in seinem kurzen Leben mehr gegeben als genommen hatte, dem es aber versagt war, im Rentenalter die Früchte seiner stets auf andere Menschen gerichteten Zuwendungen zu genießen.

Erika Binder, geb. Schneider (Tochter)

Schlagwörter: Sport, Hermannstadt

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