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3. Januar 2010

Verschiedenes

Wir Brückenbauer: Gedanken zu Geschichte und Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen

In den letzten Jahren wurde kaum ein Festakt oder eine Podiumsdiskussion der Siebenbürger Sachsen ausgelassen, wo diese nicht als Brü­cken­bauer belobigt wurden. Keine Frage, diese Me­tapher ist vorteilhaft gewählt und durch ständiges Wiederholen gerinnt sie beinahe schon zur Zau­berformel. Gemeinhin soll das entstehende Bauwerk, um im Bilde zu bleiben, der Annähe­rung und Verständigung zwischen den westlichen Aufnahmeländern und Rumänien dienen, wogegen man im Grunde nichts einwenden kann. mehr...

Kommentare

Artikel wurde 7 mal kommentiert.

  • bankban

    1bankban schrieb am 03.01.2010, 10:36 Uhr:
    Ein sehr interessanter Artikel, wie ich finde. Dem Autor ist darin zuzustimmen, dass ein Brückenbau sich als eine äußerst schwierige Angelengenheit herausstellen kann, wenn er nur von der einen Seite forciert wird und die andere Seite, anstatt Pfeiler zu bauen, das Flussbett vergrößert. Jede Bemühung ist umsonst, wenn sie nur von der einen Seite kommt.
    Doch muss der Brückenbauer sich zugleich dessen bewusst sein, dass sobald er auf das andere Ufer rübergesetzt hat, das Recht auf die Mitwirkung bei der Grundsteinlegung an seinem ursprünglichen Ufer verwirkt hat. Die Brückenbauer auf beiden Seiten müssen sich natürlich darüber verständigen, welche Brückenart sie realisieren wollen: soll es eine Balkenbrücke oder doch nur ein Hängesteg werden? Eine steinerne Bogenbrücke oder eine Stahlgitterbrücke?
    Sobald hierüber Konsens besteht, können die Pfeiler aufgerichtet werden, die zwar in ihrer Substanz, nicht jedoch in ihrer Ausgestaltung mit Denkmälern gleich sein müssen. Hierüber entscheidet nämlich, derjenige, der vor Ort tagtäglich die Pflege (oder Nicht-pflege) seiner Seite übernimmt.
    Die "siebenbürgische Frage", wiederum, die im Übrigen längst entschieden ist, hatte einst eine viel größere Reichweite, als die, ob und wo und wie Brückenpfeiler ausgeschmückt wurden.
  • Lavinia

    2Lavinia schrieb am 03.01.2010, 14:17 Uhr:
    Dieses „Bild“ des Brückenbauers ist recht facettenreich. Brückenbauer sollen zwischen unterschiedlichen Kulturen oder Religionen oder Wirtschaftssystemen usw. vermitteln. Wer vermitteln möchte, muss etwas über beide Seiten wissen oder lernen. Er muss Verständnis haben für die Problematik die beiderseits der Brücke herrscht. Sein eigentliches Anliegen ist, das Wissen um die Möglichkeiten und Schwierigkeiten jenseits der jeweiligen Brückenenden weiterzugeben und die Vermittlung oder Bereitstellung von Abhilfen. Und weil das Vermittlungsmittel die Sprache ist, sollte er beide Sprachen sprechen.
    Brückenbau ist eine Einladung zum Dialog. Das kann in einer Krisen- oder Konfliktsituation sein, steht aber auch für das Überwinden eines Abgrundes, von Trennendem. Steht für Neubeginn, dem Betreten von Neuland. Allen diesen Brücken ist die Präposition „zwischen“ gemeinsam.
    Aber es gibt noch eine Art Brückenbauer, die der Präposition „für“ verhaftet sind. Da verschiebt sich der Schwerpunkt. Da wird der Gedanke „Was springt für mich/uns raus?“ in den Vordergrund gestellt. Vielleicht aus Angst, dass der andere Part übervorteilt wird. Vergessen wir nicht, dass im Mittelalter Brücken als gefährlich galten, weil sie der bevorzugte Ort für Überfälle waren. Brücken werden allerdings manchmal auch gebaut, weil man noch ein Hähnchen miteinander zu rupfen hat oder weil man meint, dass das Gras auf der Seite viel grüner ist als auf der anderen. Die Geschichte hält viele Beispiele dafür bereit.
    Ich bevorzuge in Verbindung mit dem Brückenbau die Präposition „in“ - Brücken in die Zukunft bauen. Und die Redewendung „jemandem eine Brücke bauen".


    [Beitrag am 03.01.2010, 14:29 von Lavinia geändert]
  • seberg

    3seberg schrieb am 03.01.2010, 15:06 Uhr:
    @Lavinia: Und die Redewendung „jemandem eine Brücke bauen" sollte natürlich das Gegenteil sein von "jemandem ein Bein stellen"... ;-)

    @bankban: ziemlich kryptisch, überwiegend im Metaphorischen bleibend, verstehe ich deinen Kommentar. Auch der Artikel selbst ist vorsichtig zurückhaltend im Nennen von Ross und Reiter. Gut aber, dass du als Erster kommentiert hast auf deine eher konstruktiv-versöhnlichen Art, mir wäre eher ein der Dekostruktion zugeneigter Kommentar „gelungen“ (als erstes fiel mir die Frage ein: ist dieser Artikel vielleicht schon vor 50 Jahren von einem „Altintellektuellen“ gegen einen im Artikel erwähnten „Jungintellektuellen“ geschrieben worden? Und wem von beiden ist der „Blick für die Realität“ eigentlich eher getrübt?).

    Als Fazit nach dem Lesen des Artikels ist bei mir jedenfalls einfach die Sorge und das Bemühen des Autors um ein erträumtes Offenhalten der „siebenbürgischen Frage“ zurückgeblieben – wobei es ebenso kryptisch bleibt, was man sich darunter vorzustellen hat. Du jedenfalls hältst wie ich auch diese Frage ja für längst entschieden.
    Ich könnte dich jetzt natürlich – auf die Gefahr hin naiv zu erscheinen – um begriffliche Klärung bzw. um Bestätigung bitten, welche der beiden „Seiten“ den Brückenbau durch das Aufstellen von Pfeilern forciert, während die andere Seite das Flussbett immer wieder vergrößert? Und dich – vielleicht weniger naiv – fragen, wie du das mit dem Verwirken des Rechts auf Grundsteinlegung an seinem ursprünglichen Ufer beim Rübersetzen auf das andere Ufer gemeint hast? Was meinst du mit „Rübersetzen“?
    Aber das wäre eine Bitte um Klartext im Sinne einer begrifflichen Klärung. Und damit zu Lasten des Metaphorischen. Und von daher dem Verständnis möglicherweise gar nicht so unbedingt förderlich (wenn man bedenkt, dass schon vor 3000 Jahre die Tora sich wohl eher gegen ein Erkennen als Herrschaft des Begriffs gewandt hat – ähnlich wie ja wohl auch Adorno vor noch sehr viel kürzeren Zeit). Vielleicht stehen wir im Moment verstärkt unter dem Einfluss von HM’s Metaphernwelt in „Atemschaukel“, was ja nicht das Übelste wäre, meine ich. Mehr Poesie braucht die Welt! – Und da „der Rumäne“ ja ohnehin von sich behauptet „tot romanu e poet“ und „romanul s-a nascut poet“ usw., käme das einem gemeinsamem Brückenbau ja entgegen, vielleicht...vielleicht aber auch nicht, wenn man in der metaphorischen Fiktion eher die Lüge fürchtet. Aber die traue ich eher der Diplomatie zu. ;-)

    [Beitrag am 03.01.2010, 15:21 von seberg geändert]
  • der Ijel

    4der Ijel schrieb am 03.01.2010, 16:53 Uhr:
    http://www.schaessburg-net.de/sn12/schespruch.htm
    vom selben Autor ein wertvoller Beitrag zum Thema

    Schespurch ob der Kukel ... Zur umstrittenen Etymologie zweier siebenbürgischer Namen.

    google das ungarische Wort kükülö an und schon stolperst du über den Walter. Hier Hofrat Walter von Traun.
  • bankban

    5bankban schrieb am 03.01.2010, 18:35 Uhr:
    Wie schön, wenn sich ausgebildete Forstwirte um die Onomastik verdient machen...
  • Lavinia

    6Lavinia schrieb am 03.01.2010, 18:40 Uhr:
    Und wie passend zum Thema 'Brückenbauer'...!



    [Beitrag am 03.01.2010, 18:48 von Lavinia geändert]
  • seberg

    7seberg schrieb am 03.01.2010, 20:07 Uhr:
    Kann man den Titel „Wir Brückenbauer. …“ nicht auch als unfreiwillige Komik verstehen? Geschichtlich betrachtet, meine ich. Täusche ich mich, oder haben „Wir“ Soxen die Brücken schon mal vorsorglich an rasselnden Ketten hochgezogen bei der Ankunft Fremder vor den Toren der Burg? Und das nicht nur, als es sich noch um ausgemacht gefährliche Feinde handelte, wie z.B. zur Türkenzeit, sondern in guter Tradition auch noch viel später daran festhaltend? Einer meiner Ur-Ur-Ur...Opas und sein Sohn jedenfalls standen als arme schlesische Handwerker ab etwa 1740 zwei Generationen lang am Kronstädter Tor quasi vor einem virtuellen Wir-müssen-leider-draußen-bleiben-Schild, auf dem auch andere Fremde und Arme aller Art „abgebildet“ waren: Szekler, „Bulgaren“, Juden, Rumänen, Zigeuner und sonstiges hergelaufenes Pack. Wir scheinen uns den Titel „Brückenbauer“ wirklich hart verdient zu haben, hoffentlich kaufen uns „die Anderen“ das jetzt auch ab!

    [Beitrag am 03.01.2010, 20:09 von seberg geändert]

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