18. September 2022

Auf einsamen Pfaden in unseren Heimatbergen: Drei Wanderungen im Siebenbürgischen Kultursommer 2022

Das vielfältige Programm des Siebenbürgischen Kultursommers 2022 hat auch zahlreiche Natur- und Bergfreunde nach Siebenbürgen gelockt. Für die Identität der Siebenbürger Sachsen ist die heimische Bergwelt Siebenbürgens ein zentrales und verbindendes Element. Über Generationen hinweg waren organisierte Bergtouren in den Karpaten ein Anlass für erlebte Gemeinschaft, Freundschaft und Spaß. In diesem Andenken und als Zeichen der Verbundenheit mit der heimischen Bergwelt hat die Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV) im Rahmen des dreiwöchigen Kultursommers drei Touren in den Südkarpaten angesetzt.
Die Wandergruppe ist startbereit für das ...
Die Wandergruppe ist startbereit für das Abenteuer, den Prejba-Gipfel zu erklimmen. Foto: Patricia (Patty) Lengua Hinojosa
Start des Veranstaltungsreigens, mit rund 130 Events, war am 23. Juli unsere fünftägige Gemeinschaftstour, die den vielversprechenden Titel „Einsame Pfade – Lauterbachgebirge (Munții Lotrului)“ trug. Die Organisation der Tour war in Heltauer Hand. Die beiden Tourenleiter Klaus Gündisch und Klaus Simonis wurden bei Planung und Umsetzung tatkräftig unterstützt von Doris Müller, der stellvertretenden Vorsitzenden der Sektion Karpaten des DAV.

Eine bunt gemischte Wandergruppe fand sich im Laufe des Samstags (23. Juli) im kleinen Lauterbachtal ein - Jung und Alt, mit und ohne Herkunftsbezug. Sammel- und Stützpunkt war der große Garten der Pensiunea Rotarii in der Lotrioara. Warmherzig empfangen wurden wir von unseren Gastgebern, dem Ehepaar Ilie und Chivuţa. Mitte der 1980er Jahre waren sie Hüttenwart in der legendären Prejba-Hütte. Den hochsommerlichen Anreisetag verbrachten wir im Freien mit Ankommen, Kennenlernen, dem Austauschen von Erinnerungen und Abkühlen im Zuber. All das bei bester Verköstigung. Chivuţa verwöhnte uns mit lokalen Leckereien und Ilie achtete auf einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt der Gäste. Der nahegelegene kleine Lauterbach war vor allem für die Kinder der Wandergruppe der favorisierte Ort für Abkühlung, Morgen- und Abendtoilette. Nachdem Zelte aufgebaut und die Nachtlager vorbereitet waren, ließen wir den Tag am Lagerfeuer gesellig ausklingen. Vor dem Schlafengehen besprachen wir noch die ersten Wandertagsetappen und wann am nächsten Tag zur Wanderung aufgebrochen wird. Das Wetter versprach für die bevorstehenden Wandertage von früh bis spät wolkenlosen Himmel und strahlenden Sonnenschein.

Die Gruppe startet am Sonntag frühmorgens. Aufstieg aus der Lotrioara über Mumă zum Prejba-Gipfel (1 744 Meter). Kurz vor dem Gipfel machten wir noch einen Abstecher zum Standort der alten Prejba-Hütte mit den noch sichtbaren Steinwänden und Fundamenten. Vielen ist dieser Standort nicht bekannt, gut dass wir unseren ortsansässigen Tourguide Klaus Simonis dabei haben.

Auf dem Prejba-Gipfel beim eisernen Gipfelkreuz angekommen, gratulierten wir uns gegenseitig zum gelungenen Aufstieg. Gipfelfotos, Gipfelschnaps und die grandiose Aussicht – was gibt es Schöneres? Nach dem Gipfelglück erkundeten einige von uns noch die verfallene Prejba-Hütte. Flashback in die Jugend. Dort klopfte mal wieder die Erinnerung an. Gerne denken wir an die Prejba-Skilager mit den legendären Hüttenabenden der Heltauer und Hermannstädter Schulklassen zurück. Erinnerungen werden ausgetauscht über die beschwerlichen Aufstiege in den 1980er Jahren. Durch tiefen Schnee kämpften wir uns vom Grünen Tisch im Zoodttal mit schwerem Gepäck zur Prejba-Hütte. Die Gestellrucksäcke waren voller Proviant und obendrauf die Skiausrüstung.

Mit einem Rucksack voller aufgefrischter schöner Erinnerungen im Gepäck traten wir den Abstieg an. Am Standort des ehemaligen Holzkreuzes versammelte sich die Wandergruppe und trat gemeinsam den Abstieg an. Von dort ging es dann über schier endlose Forstwege, vorbei am schönen Wasserfall und erfrischenden Quellen. Beim Abstieg im Stechschritt auf der Forststraße wurde unsere dreiköpfige Vorhut von einem ungewohnten Brummen am Wegesrand aufgeschreckt. Zum Glück beschloss der Bär, vor uns Reißaus zu nehmen. Erschöpft und überglücklich erreichten wir alle gleichzeitig unser Nachtlager, wo uns die gemeinsame Abkühlung im Badezuber erfreute.

Nach einer erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück starteten wir am 25. Juli in den zweiten Wandertag. Es ging mit einem Kleinbus und PKW durch Michelsberg ins Silberbachtal am Halben Stein vorbei. Aufstieg in den Rosengarten und auf den Götzenberg. Übernachtung in der Hütte der Michelsberger am Rosengarten. Holzsammeln. Kochen. Lagerfeuer!

Am nächsten Tag wanderte ein Teil der Gruppe vom Rosengarten bis zur Hohen Rinne auf dem Europäischen Fernwanderweg E8. Sein Verlauf in Rumänien ist seit Herbst 2017 offiziell festgelegt (siehe Weitere Markierungsaktionen in den Karpaten im Sommer 2018). Die Markierungsaktion in den Karpaten im Sommer 2018 hatte bleibende Spuren hinterlassen. Auf Initiative von Klaus Gündisch haben der SKV und der Salvamont (Bergrettung) Rumänien Markierungsarbeiten in den Karpaten an Teilbereichen des E8 durchgeführt. Der Abschnitt des Fernwanderwegs beginnt am ukrainisch-rumänischen Grenzübergang bei Sighetu Marmației (Marmaroschsiget) und endet nach 1 463 km und mehr als 63 Höhenkilometern im Dreiländereck zu Bulgarien und Serbien am Donaudurchbruch Porțile de Fier (Eisernes Tor) bei Drobeta Turnu Severin (Turm Severin).

Einen Zwischenstopp machten wir an der neuen „Căsuţa MGS“ von Iulian Pănescu, wo wir freundlich empfangen und bewirtet wurden. Danach ging es über wunderschöne Hügellandschaften, durch Wälder mit vielen Himbeeren und Heidelbeeren am Wegesrand.

Nach einer erholsamen Nacht mit Dusche in der Pension Rafael auf der Hohen Rinne ging unsere Wanderung über Poiana Muncel und Şaua Bătrâna (1 863 m) zu Gipfel Vf. Bătrâna (1 911 m). Abgestiegen sind wir über Poiana Găujoara zurück zur Hohen Rinne.
Einige Mitglieder der Wandergruppe im Spiegelsaal ...
Einige Mitglieder der Wandergruppe im Spiegelsaal des Hermannstädter Forumshauses. Foto: Patricia (Patty) Lengua Hinojosa
Am Donnerstag ging es mit dem Linienbus nach Hermannstadt, um auch in den Genuss des Kulturprogramms des Siebenbürgischen Kultursommers zu kommen. Nach der Stadtführung und einer gemeinsamen Mahlzeit in der Kantine des Theologischen Instituts Hermannstadt empfing uns der Geschäftsführer des Siebenbürgenforums, Winfried Ziegler, im Spiegelsaal des Hermannstädter Forumshauses. Danach ging es noch an den Zibinsmarkt und zurück in die Altstadt in das Teutschhaus und dann zum Parkplatz, von dort zurück ins Lotrioaratal. Der letzte Abend bei der Rotarii-Pension bot noch einen schönen Anlass zum Feiern – Anton, der Jüngste der Wandergruppe, feierte seinen ersten Geburtstag.

Wir waren in wunderbarem Gelände unterwegs. Die Tour-Beschreibung hat nicht zu viel versprochen. Erleben konnten wir die nahezu unberührte Wildnis der rumänischen Südkarpaten mit malerischen Tälern und Bergen, durch Wälder vorbei an einsamen Sennhütten, entlang rauschender Bäche. Eine Region, wie man sie wahrscheinlich in Europa nur noch hier finden kann, mit teils noch bewirtschafteten Almen, wo die Tradition des Hirtenlebens überlebt hat. Auf unseren „einsamen Pfaden“ trafen wir jedoch immer wieder auch Geländemotorradfahrer und deren unübersehbare Spuren. Vielleicht waren es mehr als sonst, weil die 19. Auflage der Hard Enduro Rallye „Red Bull Romaniacs“ in derselben Woche in Hermannstadt startete. Das jährliche Enduro-Offroad-Motorradrennen zieht Enduro-Fahrer aus der ganzen Welt an. Es wird als „härteste Hard-Enduro-Rallye“ beworben und preist die „Landschaft der Karpaten als ein atemberaubendes Enduro-Terrain“ an. Mit Offroad-Touren in den Karpaten wird Geld verdient. Allerdings hinterlassen Enduro- und ATV-Quads-Fahrer (All Terrain Vehicles auf vier Rädern) tiefe Einkerbungen, die vielerorts Umweltschäden für die Bergwelt bedeuten.

Das heutige Siebenbürgen und seine Menschen kennenzulernen und etwas über seine Vergangenheit zu erfahren, ist immer lohnenswert. Die erlebnisreichen Tage, die wir in den Südkarpaten verbringen durften, werden uns noch lange in Erinnerung bleiben und die Verbindung zu unseren Heimatbergen stärken. Es war eine überaus gelungene Tour mit vielen wunderbaren Begegnungen und Erlebnissen. Es bereitete viel Freude, die Hausberge der Heimat wiederzuentdecken.

Robert Sonnleitner, Doris Müller


Lesen Sie dazu auch den ergänzenden Bericht: Siebenbürgischen Kultursommer 2022: Gipfelglück auf der Prejba und Rückreise auf der Ladefläche eines Transporters

Schlagwörter: Reisebericht, Kultursommer 2022, Wanderung, Berge, Sektion Karpaten, DAV, Sektion Karpaten des DAV

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  • 18.09.2022, 08:30 Uhr von Zacken: Seit 09.2020 ist Enduro-Fahren in Rumäniens Wäldern verboten. Das Gesetz muß „nur“ durchgesetzt ... [weiter]

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