12. Oktober 2001

Mitbauen an kulturellen Brücken in Europa

Die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage wurden am 6. Oktober mit einer niveauvollen Veranstaltung im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz eröffnet. Wissenschaftsminister Hans Zehetmair sicherte den Siebenbürgern in seinem Festvortrag zu: "Die Bayerische Staatsregierung wird Sie in Ihrem Bestreben unterstützen, das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen zu erhalten und dadurch auch die Verbindungen zwischen Deutschland und Rumänien zu vertiefen."
Der Minister würdigte den wichtigen Beitrag, den die Siebenbürger zur Völkerverständigung leisten. Der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker Dürr bekräftigte, dass seine Landsleute „an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Brücken in Europa“ mitbauen wollen und ging auf die vielfältigen, über Jahrhunderte gewachsenen bayerisch-siebenbürgischen Beziehungen ein. Die Kulturtage dauern bis zum 21. Oktober und sollen in Ausstellungen, Konzerten, Vorträgen, Dichterlesungen, Theateraufführungen und im Gottesdienst weiterhin das Interesse an siebenbürgisch-sächsischer Geschichte und Kultur wecken und verstärken.
Prominenz bei der Eröffnung der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtagen in der Münchner Residenz, von links nach rechts: Vizekonsul Vasile Mitu, Bundesvorsitzender Volker Dürr, die Rumänienbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Barbara Stamm, Wissenschaftsminister Hans Zehetmair und stellvertretender Bundesvorsitzender Bernd B. Fabritius. Foto: Petra Reiner
Prominenz bei der Eröffnung der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtagen in der Münchner Residenz, von links nach rechts: Vizekonsul Vasile Mitu, Bundesvorsitzender Volker Dürr, die Rumänienbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Barbara Stamm, Wissenschaftsminister Hans Zehetmair und stellvertretender Bundesvorsitzender Bernd B. Fabritius. Foto: Petra Reiner


Unter den zahlreichen Gästen bei der Eröffnungsveranstaltung in der Münchner Residenz konnte Bernd B. Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzendrer und Vorsitzender der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Staatsminister Hans Zehetmair, Ministerialdirigent Hartmut Singbartl vom bayerischen Sozialministerium, Ministerialrat Rudolf Baer von der bayerischen Staatskanzlei, Barbara Stamm, Rumänienbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Vasile Mitu, Vizekonsul des Rumänischen Generalkonsulats in München, Vertreter befreundeter Vereine, sowie seitens der siebenbürgischen Landsmannschaft dessen Ehrenbundesvorsitzenden Dr. Wilhelm Bruckner, den Bundesvorsitzenden Volker Dürr, den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Horst Göbbel, die stellvertretende Landesvorsitzende Hannelore Scheiber, den Vorsitzenden der Kreisgruppe München, Otto Deppner, u.a. begrüßen. Im Kaiserhof der Residenz hatte die Original Siebenbürger Blaskapelle München unter der Leitung von Werner Schullerus einleitend ein Platzkonzert geboten. Für eine hervorragende musikalische Umrahmung der Eröffnungsveranstaltung sorgten Sarah Christian, Violine, und Liane Christian, Klavier, mit Werken von Franz Schubert, Helmut Sadler und Pablo de Sarasate. Ebenfalls im Max-Joseph-Saal der Residenz war eine von Hans-Werner Schuster und Ewalt Zweyer konzipierte Ausstellung zu den siebenbürgisch-bayerischen Beziehungen zu sehen, die vom 9. bis 21. Oktober auch im Bayerischen Sozialministerium gezeigt wird. Die Ausstellung war als Beitrag der Landsmannschaft erstmals bei den Bayerischen Kulturtagen im September 2000 in Hermannstadt zu sehen.
In seiner Eröffnungsrede ging Volker Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Föderationsvorsitzender der Siebenbürger Sachsen, auf die siebenbürgisch-bayerischen Beziehungen ein, die möglicherweise schon in der Zeit der Völkerwanderung einsetzen, als König Otto I. der Große die Ungarn auf dem Lechfeld südlich von Augsburg besiegte. Vor tausend Jahren habe Stefan der Heilige mit Unterstützung des Bistums Passau die Christianisierung Ungarns, zu der auch Teile Siebenbürgens gehörten, begonnen. Ortsnamen wie Baierdorf bei Bistritz und bayerische Spracheinflüsse weisen darauf hin, dass sich unter den Vorfahren der Siebenbürger Sachsen auch Ansiedler aus Bayern befanden. Die Wittelsbacher beteiligten sich ebenso wie die Augsburger Großkaufleute der Familie Fugger aus Augsburg an dem Abbau von Silber im Siebenbürgischen Erzgebirge. Zu ihnen gehörte Herzog Wilhelm IV. von Bayern (1493 bis 1550). Der sichtbarste bayerische Einfluss dürfte die für siebenbürgisch-sächsische Dörfer typische fränkische Hofanlage gewesen sein, stellte der Redner fest. Im Mittelalter gingen Handwerker auf die Walz von Siebenbürgen nach Bayern und in umgekehrter Richtung. Sichtbare Spuren haben dabei die Bauhütten hinterlassen, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen und beispielsweise in der Architektur und Plastik der Evangelischen Kirche Mühlbach sichtbar sind. Bayerische Einflüsse der Stoß’schen Schule lassen sich auch am Mediascher Altar und dem Martins-Altar der Bergkirche in Schäßburg nachweisen, so Dürr weiter.
Intensive siebenbürgisch-bayerische Beziehungen auf dem Gebiet des geistig-geistlichen Lebens entwickelten sich erst im 16. Jahrhundert. Nürnberger Vorlagen verwendete der Humanist Johannes Honterus für sein Reformationsbüchlein von 1543 und 1547 sowie für die Schulordnung. 1572 nahm die Synode der reformierten Kirche in Siebenbürgen das Augsburger Bekenntnis an, das in der evangelischen Landeskirche in Rumänien bis heute Bestand hat.
Das Lebenswerk von Dr. Hermann Oberth, dem „Vater der Raumfahrt“, wird in dem 1971 in Feucht bei Nürnberg gegründeten Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum dokumentiert. So wie bayerische Architekten und Ingenieure durch ihre Bauten das Bild der siebenbürgischen Städte geprägt haben, haben sich auch viele Architekten und Bauunternehmer aus Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg am Wiederaufbau der bayerischen Landeshauptstadt beteiligt. Der aus Kronstadt stammende Architekt Helmut von Werz zeichnete für Gesamtplanung von mehreren Münchner Siedlungen verantwortlich, zu seinen Werken gehören ferner Krankenhäuser, der Bau des Prähistorischen Museums, das Hochhaus des Bayerischen Rundfunks, die evangelischen Kirchen in Berg am Laim, Bogenhausen, am Hasenbergl, u.a. Aus dem aktuellen Kulturleben Münchens seien siebenbürgische Komponisten wie Dieter Acker, Liana Stegaru-Fischer, Musiker wie Hermine und Walter Krafft, Boldizsar Csiky oder zeitgenössische Künstler wie Heinz Schunn, Radu Anton Maier und Helfried Weiß nicht wegzudenken, betonte Dürr.
Dank ihres „kulturellen Gepäcks“ hätten es die Siebenbürger Sachsen problemlos geschafft, sich in die neue Heimat einzugliedern, betonte Dürr. „Ohne die großzügige Unterstützung seitens der deutschen Bundes- und Landesregierungen sowie der bundesdeutschen Öffentlichkeit wäre Integration bei gleichzeitiger Wahrung der kulturellen Eigenheiten nicht möglich gewesen.“ Ihre in 850-jähriger Geschichte erworbenen Pfründe wie „Verständigungswillen, Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn bilden den Nährboden ihrer ausgeprägten Integrationsbereitschaft, in der sich gesundes Selbstbewusstsein und Toleranz für andere paaren“, führte Dürr weiter aus. Die Siebenbürger Sachsen verfügten über eine reiche Erfahrung im Bereich des interkulturellen Zusammenlebens und wollten mitbauen „an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Brücken in Europa und damit Brüche überwinden helfen“. Allerdings könne der über die Grenzen Europas hinaus geleistete Brückenschlag nur dann erfolgreich sein und Bestand haben, „wenn unsere wirtschaftlich-soziale und kulturelle Eingliederung und Verankerung in Deutschland wie auch hier in Bayern weiter ausgebaut und gesichert wird“. Deshalb forderte Dürr von der bundesdeutschen Politik ein Klima der Akzeptanz und Solidarität mit Aussiedlern ein. Er dankte der bayerischen Staatsregierung für die Unterstützung der Partnerschaft zwischen der mittelfränkischen Stadt Dinkelsbühl und der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und äußerte zugleich die Hoffnung, dass der Feistaat Bayern auch die sich anbahnenden Städtepartnerschaften zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg sowie Landshut und Hermannstadt fördern werde.
Wissenschaftsminister Hans Zehetmair sichert den Siebenbürgern Unterstützung bei der Kulturarbeit zu. Foto: Hans-Werner Schuster
Wissenschaftsminister Hans Zehetmair sichert den Siebenbürgern Unterstützung bei der Kulturarbeit zu. Foto: Hans-Werner Schuster


Hans Zehetmair, bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, übermittelte die Grüße des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der die Schirmherrschaft über die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage übernommen hat. Die Verbundenheit der Siebenbürger Sachsen mit Bayern werde auch dadurch deutlich, dass sie ihren Heimattag jedes Jahr in Dinkelsbühl begehen, sagte der Minister. Im September letzten Jahres hatte Zehetmair zusammen mit dem damaligen rumänischen Kulturminister Ion Caramitru die „Bayerischen Kulturtage“ eröffnet und durch Besuche und Begegnungen in Hermannstadt, Birthälm, Schäßburg und Kronstadt eine emotionale Bindung zu Siebenbürgen aufgebaut. In seinem Festvortrag in der Münchner Residenz würdigte er die Siebenbürger Sachsen, ob hier in Deutschland oder in Rumänien lebend, als „ein wichtiges Bindeglied, das Ihre siebenbürgische Heimat und den rumänischen Staat enger an das westliche Europa heranführt“. Die Siebenbürger hätten „ihre Rolle schon immer als Brückenbauer und Mittler zwischen den Kulturen aufgefasst“ und dabei ein „eigenständiges, unverwechselbares Profil entwickelt“.
Dass sich der Freistaat Bayern stark mit kultureller Vielfalt befasst, kommt auch den Siebenbürger Sachsen zugute, die nach Ansicht Zehetmairs neben den Sudetendeutschen, Schlesiern und anderen Volksdeutschen zum „vierten Stamm Bayerns“ gehören. Das Bayerische Sozialministerium fördert die Einrichtungen der Heimatvertriebenen und Aussiedler in Bayern ebenso wie soziale und kulturelle Maßnahmen in deren Herkunftsländern. In München seien Einrichtungen wie die Landsmannschaft, das Südostdeutsche Kulturwerk, das Haus des Deutschen Ostens sowie Vereine und Stiftungen angesiedelt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen zu pflegen.
Bayern sei seit letztem Jahr auch durch eine Regierungskommission mit Rumänien verbunden. München habe sich zu einem Zentrum der Ost- und Südosteuropaforschung entwickelt, und erst im Februar dieses Jahres sei ein neuer Forschungsverbund ins Leben gerufen worden, in dem sich vier bayerische Universitäten und vier in München beheimatete außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit den Transformationsprozessen in Südosteuropa und in Osteuropa und deren Auswirkungen auf Bayern befassen.
Zehetmair zeigte sich besorgt über das Erstarken nationalistischer Töne in Rumänien und äußerte die Hoffnung, dass die überwiegende Mehrheit der rumänischen Politiker und Intellektuellen sich mit ihrer Auffassung durchsetzen werden, dass die ethnischen Minderheiten mit ihren Erfahrungen, Traditionen und Verbindungen einen Schatz für das Land darstellen.
Das Engagement der Anwesenden für das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen und ihre ehemalige Heimat, die tanzenden Schüler im Festzelt in Hermannstadt, vor allem aber das vorjährige Sachsentreffen in Birthälm haben bei Zehetmair den Eindruck hinterlassen, „dass die Sachsen auch in Siebenbürgen eine Zukunft haben“. Es seien zwar wenige, aber es sei eine Gruppe, „die selbstbewusst für ihre Interessen eintritt“.
Dürr überreichte anschließend das Goldene Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen an die bayerische Staatsministerin a.D. Barbara Stamm, die sich als ausgewiesene Freundin der Siebenbürger Sachsen für deren Gemeinschaft im Herkunftsland und in Bayern eingesetzt hat. Auch Zehetmair hatte in seiner Ansprache Frau Stamms vorbildliches Engagement für rumänische Kinder und Waisenhäuser gewürdigt. Durch zahlreiche humanitäre Hilfsprojekte, die von der Rumänienbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Vereinen und Privatpersonen angestoßen worden sind, sei ein enges Band zwischen Bayern und Rumänien geknüpft worden, dem man sich verpflichtet fühle.
Viele junge Laienspieler wirkten im Theaterstück „Mensch, Kathi, schau nach vorn“ im Puchheimer Culturzentrum mit. Foto: Hans-Werner Schuster
Viele junge Laienspieler wirkten im Theaterstück „Mensch, Kathi, schau nach vorn“ im Puchheimer Culturzentrum mit. Foto: Hans-Werner Schuster


Tags darauf, am 7. Oktober, wurde das Theaterstück "Mensch, Kathi, schau nach vorn!" von Doris Hutter mit großem Erfolg im Puchheimer Culturzentrum PUC aufgeführt. Der Zweiakter veranschaulicht in überzeugender Weise, dass siebenbürgisch-sächsische Werte, Trachten und Gemeinschaft keineswegs antiquiert, sondern zeitgemäß sind und Sinn stiften in einer schnelllebigen Welt. Dank ihres jugendlichen Schwungs ist es der Spielleiterin Doris Hutter gelungen, erstaunlich viele Jugendliche für die Aufführung zu gewinnen. So waren unter den 49 Laienspielern der Theatergruppe 24 Jugendliche und Kinder und rund einer Drittel der insgesamt 120 Mitwirkenden auf der Bühne waren junge Leute. Folgende Kulturgruppen wirkten mit: die Siebenbürgisch-Sächsische Theatergruppe Herzogenaurach unter der Leitung von Doris Hutter, der Sächsische Singkreis der Theatergruppe unter Margarete Schuster, die Volkstanzgruppe München unter Simon Spielhaupter, die Volkstanzgruppe und Kindertanzgruppe Herzogenaurach unter der Leitung von Brigitte Krempels, der Gemischte Chor der Reußmärkter und Urweger unter Michael Scherer, die Banater Trachtengruppe Nürnberg, geleitet von Ewald Schuster und Elfriede Dietz, die Jugendtanzgruppe München unter der Leitung von Bianka Greff und Gerhard Martini, die Original Siebenbürger Blaskapelle München, Leitung: Werner Schullerus, und The Alleviators, Herzogenaurach. Wenige Tage nach der Premiere in Schwabach (siehe Besprechung im Kulturspiegel dieser Ausgabe) verzeichneten die Herzogenauracher einen großen Publikumserfolg auch in Puchheim. Der Kreisgruppe Fürstenfeldbruck (Leitung: Richard Graef) wird für Bewirtung und Bereitstellung wichtiger Requisiten herzlich gedankt.
Die Kulturtage werden von der Landsmannschaft in Zusammenarbeit mit dem Haus des Deutschen Ostens, dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte des Südostdeutschen Kulturwerks e.V., der Evangelischen Gemeinde Christuskirche, der Abteilung für Geschichte Ost- und Südosteuropas der Ludwig-Maximilians-Universität sowie dem Münchner Musikseminar veranstaltet. In die Organisation und Durchführung der Kulturtage bringen sich seitens der Landsmannschaft das Bundeskulturreferat, die Landesgruppe Bayern und die Kreisgruppe München, einschließlich der Tanzgruppe und des Frauenkreises, ein, wofür ihnen ein besonderer Dank gilt.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2001, Seite 1 und 6)
Das ausführliche Programm der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage mit Fotoberichten, in ansprechendem Webdesign erstellt von Peter Baumgartl, München

Schlagwörter: Kulturtage, Kulturtage 2001, Kulturprogramm, Kultur, Kulturerbe, Politik, Politiker

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