31. Oktober 2013

HOG-Tagung in Bad Kissingen: "Entdecke deine siebenbürgisch-sächsische Seele"

„Entdecke die Seele Siebenbürgens“ heißt das Projekt der Evangelischen Kirche in Rumänien A.B. (EKR), das Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă bei der 17. Tagung der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften vom 25. bis 27. Oktober 2013 in Bad Kissingen vorstellte. Anhand vieler Initiativen will man Interesse wecken für die Kultur der Siebenbürger Sachsen, denn durch eine touristische Nutzung könnte die Hälfte der rund 170 siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen gerettet werden. 75 Prozent seien vom Verfall bedroht, gab Cosoroabă zu bedenken. Wie schwer es jedoch ist, etwas in Bewegung zu setzen, wurde den anwesenden HOG-Vertretern auch durch den Vortrag bewusst. Auf Vorschlag von Martin Schuller (Martinsdorf) meldeten sich spontan fünf Personen für eine HOG-Arbeitsgruppe, die das Projekt „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ tatkräftig unterstützen will.
Die Botschaft, die die HOG-Tagung vermittelte, geht aber viel tiefer und lässt sich, die Bezeichnung des EKR-Projektes abwandelnd, unter dem Begriff „Entdecke deine siebenbürgisch-sächsische Seele“ zusammenfassen. Nicht wenige Siebenbürger Sachsen haben sich und ihre Herkunft in den letzten Jahren teilweise verdrängt oder gar abgeschrieben. Sie werden aber noch gebraucht und sind aufgerufen, sich ihrer Werte zu besinnen. Werner Henning forderte seine Landsleute auf, nicht danach zu fragen, was ihnen der HOG-Verband oder die Heimatkirche gäben, sondern nach dem Motto zu handeln, „was kann ich für den HOG-Verband, was kann ich für die Kirche tun und wie kann ich mich aktiv für unsere Gemeinschaft einbringen“.

Für eine neue Qualität der HOG-Verbandsarbeit bot die 17. Tagung der Heimatortsgemeinschaften, an der über hundert Vertreter teilnahmen, vielerlei Anregungen. Durch die Neuwahlen wurde der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e.V. personell gestärkt. Zum neuen Vorsitzenden wurde Dipl.-Ing. Hans Gärtner (HOG Schönau) gewählt. Neu im Amt sind auch die stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Hans Georg Franchy (HOG Bistritz-Nösen) und Dipl.-Betriebswirt Heinz-Walter Hermann (HOG Heltau). Geschäftsführerin/Kassenwartin Ilse Welther (HOG Felmern) tritt die Nachfolge von Maria Stirner an, die sich nach vierzehnjähriger, verdienstvoller Tätigkeit nicht mehr zur Wahl stellte. Schriftführer bleibt Bernhard Scheiner (Heltau). Rechnungsprüfer sind Peter Doniga (Großprobstdorf) und Martin Schuller (Martinsdorf).
Der neue Vorstand des HOG-Verbandes, von links: ...
Der neue Vorstand des HOG-Verbandes, von links: Dr. Hans Georg Franchy, Bernhard Scheiner, Hans Gärtner (Vorsitzender), Ilse Welther und Heinz-Walter Hermann. Foto: Siegbert Bruss
Der Führungswechsel im HOG-Verband wurde notwendig, nachdem Michael Konnerth sein Amt als Vorsitzender in den letzten zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen ruhen gelassen hatte. Der Dachverband der Heimatortsgemeinschaften wurde seit Oktober 2011 kommissarisch von den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Karl-Heinz Brenndörfer (Heldsdorf) und Werner Henning (Nadesch) geführt, die in Bad Kissingen nicht mehr kandidierten.

Der neue Vorstand will den HOG-Verband nach vorne bringen, erklärte der neue Vorsitzende Hans Gärtner in seiner Antrittsrede. So sollen die 131 Heimatortsgemeinschaften, die Mitglied im HOG-Verband sind, besser betreut, die Kommunikation optimiert und der Internetauftritt neu gestaltet, ebenso soll die Zusammenarbeit mit dem landsmannschaftlichen Verband und der Heimatkirche intensiviert und die siebenbürgisch-sächsische Kulturpflege fortgesetzt werden. „Ich stehe für Gemeinschaft, Integration und Teamarbeit“, stellte sich der international erfahrene Diplom-Ingenieur (51) vor, der auch Vorsitzender der HOG Schönau und der HOG-Regionalgruppe Zwischenkokelgebiet ist.

Der neue Vorsitzende des HOG-Verbandes, Hans ...
Der neue Vorsitzende des HOG-Verbandes, Hans Gärtner, während seiner Antrittsrede. Foto: Siegbert Bruss
Den Heimatortsgemeinschaften komme eine enorme Bedeutung beim Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen zu, betonte Landeskirchenkurator Friedrich Philippi. Er übermittelte Grüße von Bischof Reinhart Guib und würdigte den vielseitigen Einsatz der HOGs, die Heimatbücher und Heimatblätter herausgeben, allein in diesem Jahr 82 HOG-Treffen in Deutschland und 13 Heimattreffen in Siebenbürgen organisierten und sich erheblich bei der Denkmalpflege und in der Siebenbürgenhilfe engagierten. Philippi, der 48 Jahre lang am Pädagogischen Lyzeum und an der Brukenthalschule in Hermannstadt unterrichtet hat, berichtete über die aktuelle Lage des Schulwesens in deutscher Sprache in Siebenbürgen, das Herausforderungen wie die Sicherung deutschsprachiger Lehrkräfte und Herausgabe von Schulbüchern zu bewältigen hat.

Dr. Karl Scheerer, stellvertretender Vorsitzender des Siebenbürgenforums, würdigte die sehr effektive und praxisbezogene Arbeit der Heimatortsgemeinschaften. Mit diesen habe er als Vertreter der Hermann-Niermann-Stiftung, die sich in der Denkmalpflege in Siebenbürgen engagiert, durchwegs sehr gute Erfahrungen gemacht.
HOG-Tagung in Bad Kissingen, von links: Werner ...
HOG-Tagung in Bad Kissingen, von links: Werner Henning, Karl-Heinz Brenndörfer und Hauptanwalt Friedrich Gunesch. Foto: Siegbert Bruss
Hauptanwalt Friedrich Gunesch bekannte, dass „die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, ihre Gremien und Verantwortlichen größten Wert auf das Zugehen auf unsere ausgewanderten Gemeindeglieder“ legten, und zwar „über institutionelle Kooperationen, Projekte, Tagungen, Treffen, Feierlichkeiten oder persönliche Begegnungen“. Denn vieles sei nötig, „um den festgefahrenen Karren wieder zu bewegen oder überhaupt zum Rollen zu bringen“. „Unverständnis, Ungeduld, mangelnde Ressourcen, Personalengpässe, mancherlei Befindlichkeiten“ seien einige Beispiele dafür, dass „es an vielen Ecken und Enden klemmt“. „Trotzdem, und gerade darum, ist es uns wichtig, weiter zu machen, auch mit neuen Möglichkeiten wie Personalbörse, Kulturmasterplan, gemeinsame Pfarrerversammlungen, gemeinsam organisierter Kirchentag, Kooperation im Medialen, vertragliche Vereinbarungen zur Übernahme und Nutzung von kirchlichen Immobilien, Zusammenarbeit in EU-Projekten.“ Es gäbe demnach eine „breite Basis von Betätigungsfeldern und eine reiche Palette von Gelegenheiten zur Kooperation“, betonte Gunesch.

Ein humanistisches und europäisches Bekenntnis legte der aus Bistritz angereiste Bürgermeister Ovidiu Teodor Crețu ab. „Es gibt Werte, Diamanten der menschlichen Zivilisation, die Generationen überdauern und die wir für die Zukunft schleifen müssen“, sagte er. Die menschlichen Beziehungen seien die Grundlage für alles andere. Wichtig sei nicht das Geld, sondern die Qualität der menschlichen Beziehungen. Diesbezüglich erwähnte das Stadtoberhaupt die hervorragenden Beziehungen, die die Stadt Bistritz zur evangelischen Landeskirche und zur Bistritzer Kirchengemeinde, zur HOG Bistritz-Nösen und zu deren Vertretern Dr. Hans Georg Franchy, Horst Göbbel, Dr. Günther Klein, Annemarie Wagner u.a. pflege. Als Bürgermeister wolle er Bistritz den alten Glanz wiedergeben, den die Stadt in der Zeit der Siebenbürger Sachsen hatte. Die Brandkatastrophe der evangelischen Stadtpfarrkirche im Juni 2008 habe nicht nur die Stadt, sondern auch Rumänien und viele Menschen in ganz Europa erschüttert. „Es wurde eine gemeinsame Aufgabe für uns alle, dieses Wahrzeichen der Stadt wieder aufzubauen.“ Die heutigen Bewohner der Stadt Bistritz seien stolz „Nachkommen einer hohen Zivilisation, jener der Siebenbürger Sachsen“, zu sein. Es sei wichtig, die Geschichte, das geistige Erbe, die Zivilisation der Siebenbürger Sachsen zu kennen, um sie auch leben zu können. Die HOG Bistritz-Nösen sei in diesem Lernprozess sehr hilfreich gewesen, sie habe ständig vermittelt und geholfen, Partnerschaften mit Herzogenrath, Wiehl im Oberbergischen und Wels in Oberösterreich anzubahnen.

Bürgermeister Ovidiu Teodor Crețu empfahl den Vertretern der Heimatortsgemeinschaften, sich ihrerseits in das Leben der siebenbürgischen Gemeinden einzubringen, offizielle Vereine und Partnerschaften vor Ort zu gründen, um als maßgebliche Kraft anerkannt zu werden. Die große Mehrheit der Bürgermeister in Siebenbürgen sei offen und möchte den Kontakt zu den ausgesiedelten Siebenbürger Sachsen ebenfalls pflegen.

Bürgermeister Ovidiu Teodor Cretu überzeugte mit ...
Bürgermeister Ovidiu Teodor Cretu überzeugte mit seinem humanistischen und europäischen Bekenntnis. Foto: Petra Reiner
Die Flucht im September 1944 bezeichnete Crețu als Katastrophe nicht nur für die Siebenbürger Sachsen, sondern auch für die Stadt Bistritz, die heute 80000 Einwohner zählt, davon nur noch 200 Sachsen. „Wir geben diesen europäischen Geist der Siebenbürger Sachsen weiter an die heutige Bevölkerung.“ Er lud ein zu einer großen Gedenkveranstaltung in Bistritz, die im September 2014 an die Evakuierung vor 70 Jahren erinnern wird. Der Bistritzer Bürgermeister wurde in diesem Jahr sowohl vom landsmannschaftlichen Verband als auch vom HOG-Verband mit ihren höchsten Auszeichnungen geehrt.

Das Goldene Ehrenwappen des Verbandes wird an Hans Gärtner für seine hervorragenden Verdienste um die Festigung der grenzüberschreitenden Beziehungen verliehen, kündigte die Stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter an. Auf Vorschlag von Gärtner soll diese Auszeichnung, die auch der Bürgermeister von Schönau erhalten wird, bei einem geeigneten Anlass gemeinsam an beide Schönauer überreicht werden.

Doris Hutter begrüßte den Beitritt des HOG-Verbandes zum Verband, der im vorigen Jahr vollzogen wurde und das politische Gewicht der Siebenbürger Sachsen stärke. Hutter regte zudem an, die siebenbürgisch-sächsischen Trachten zusammen mit den Heimatortsgemeinschaften zu dokumentieren und dieses Wissen sowohl über die Siebenbürgische Zeitung als auch im Internet verfügbar zu machen.

Der Filmemacher Günter Czernetzky (Schäßburg) zeigte einleitend am Freitagabend den Film „In vino veritas. Weinland ohne Weinberge“, den er zusammen mit Studenten der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt erstellt hat. Der Schäßburger Regisseur widmet sich in seinen realistischen Dokumentarfilmen sukzessive den verschiedenen Regionen Siebenbürgens.

Der Samstag klang mit Beratungen in den Regionalgruppen und einem herzhaften „Fläcken“-Abend aus. Zwischendurch lud Zauberer Klingsor, alias Roland Hönig (Eilsabethstadt), zu einer heiter-besinnlichen Zauberstunde ein und wurde nicht nur mit stürmischem Applaus, sondern auch mit einer Spende von 335 Euro belohnt. Vom HOG-Verband auf 500 Euro erhöht, ging die Spende an die „Leistelle Kirchenburgen“ in Hermannstadt.
HOG-Tagung in Bad Kissingen, von links: Michael ...
HOG-Tagung in Bad Kissingen, von links: Michael Konnerth, Dr. Stefan Cosoroaba und Friedrich Philippi. Foto: Siegbert Bruss
Der Sonntag begann mit einer Morgenandacht mit Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă und wurde mit der ordentlichen Hauptversammlung mit Neuwahlen des HOG-Verbandes abgeschlossen. In seinem Bericht legte Werner Henning Rechenschaft ab über die Tätigkeiten des Vorstandes. Eine erste Herausforderung für ihn und Karl-Heinz Brenndörfer sei es gewesen, die erforderlichen Unterlagen für das Vereinsregister des Amtsgerichts Heilbronn nachzureichen und die Gemeinnützigkeit des HOG-Verbandes zu sichern. Eine weitere Aufgabe war der Beitritt des HOG-Verbandes als juristisches Mitglied zum Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Die Abstimmung unter den Heimatortsgemeinschaften wurde durch Briefwahl durchgeführt und ergab ein überragendes Ergebnis (98%) für den Beitritt, der beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen zu Pfingsten 2012 in Dinkelbühl offiziell besiegelt wurde. Vom 2. bis 4. November 2012 organisierte der HOG-Verband eine beachtliche Fachtagung zum Thema „Hüben und drüben. Wege der Zusammenarbeit zwischen den siebenbürgischen Heimatortsgemeinschaften und Heimatverbliebenen“ in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen.

Der Führungswechsel im HOG-Verband bot Anlass zu Danksagungen für die scheidenden Vorstandsmitglieder Michael Konnerth, Karl-Heinz Brenndörfer, Werner Henning und vor allem für die Geschäftsführerin Maria Stirner, die sich nach vierzehnjähriger, verdienstvoller Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu Wahl stellte. Die scheidenden Amtsträger erhielten nicht nur Blumen, sondern auch kleine Geschenke, die Lukas Geddert, Vorsitzender der HOG-Regionalgruppe Schäßburger Raum, gestiftet hatte. Die gesamte Tagung verlief in einer sehr konstruktiven Atmosphäre, wobei die Gäste bestens von Gustav Binder, Studienleiter der Tagungsstätte "Der Heiligenhof" betreut wurden.

Siegbert Bruss

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HOG-Verband wählt neuen Vorstand bei Tagung in Bad Kissingen

Schlagwörter: HOG, HOG-Verband, Neuwahlen, EKR

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  • 31.10.2013, 11:49 Uhr von orbo: "Der Filmemacher Günter Czernetzky (Schäßburg) zeigte ... „In vino veritas. Weinland ohne ... [weiter]

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