30. Oktober 2024

Neppendorfer Blasmusik feiert 145-jähriges Jubiläum

Ein komisches Jubiläum, werden manche Leser/innen denken. Doch der schnelle Kulturwandel in der Gesellschaft einer globalisierten Welt macht ein solches Jubiläum sinnvoll. Jubiläumsfeiern wie diese sollten die Chancen nutzen, auf Zeitzeugen zurückgreifen zu können, und lebendig gebliebene Traditionen aus der Heimat Siebenbürgen glaubwürdig bestätigen.
Neppendorfer Musikantentreffen im Oktober 2024 in ...
Neppendorfer Musikantentreffen im Oktober 2024 in Wallhausen. Foto: Johann Gärtz
Am deutschen Nationalfeiertag (3. Oktober) feierten viele Musiker/innen mit Wurzeln im siebenbürgischen Neppendorf nahe Hermannstadt ihre 145-jährige Blasmusiktradition. Dazu eingeladen hatten der aktuelle Dirigent der Neppendorfer Blaskapelle aus Crailsheim Kurt Müller sowie Musiker und stellvertretender HOG-Vorsitzender Kurt Reisenauer. Auch praktizierende Musiker, vor allem aus dem süddeutschen Raum, waren mit ihren Partnern/innen mit Musikinstrumenten in das Gasthaus „Schwarzer Adler“ im nahe bei Crailsheim gelegenen Wallhausen angereist. Über 60 Gäste waren der Einladung gefolgt. Eröffnet wurde das Fest mit einer Begrüßung seitens der beiden Organisatoren der Veranstaltung. Nach dem gemeinsamen Mittagessen erfolgte der Festakt. Als Festredner war der aus Neppendorf stammende Pfarrer Erwin Köber eingeladen worden. Der Grund für seine Wahl waren seine vormalige Mitwirkung in der Neppendorfer Musikkulturszene, seine vorangegangenen Recherchen und Veröffentlichungen über die einstige vielseitige Neppendorfer Musikkultur und seine Feststellung ihrer landesweiten Einzigartigkeit in Rumänien mit Fortsetzung in Deutschland und Österreich. Seine Laudatio baute Erwin Köber nach den vom antiken römischen Rethoriker und Orator Cicero empfohlenen inhaltlichen Schritten einer Festrede auf. Die Jubiläumsfeier selbst sah der Laudator zum einen begründet aus der mahnenden Grabsteininschrift des siebenbürgisch-sächsischen Volkskundlers Emil Sigerus (1854-1947) „Bald und alles ist vergessen“. Diesen Worten sollte mit dieser Feier ein Stolperstein entgegengesetzt werden. Erwin Köber sieht die Quellen für die Entstehung der vielfältigen Musikkultur in Neppendorf nebst dem bei den Siebenbürger Sachsen bestehenden Musikgeist vornehmlich auch in den im 18. Jahrhundert nach Neppendorf eingewanderten Österreichern aus dem Salzburger Land. Sie brachten ein ausgeprägtes musikalisches Potential als geistiges Gepäck mit in die neue Heimat. Zudem bot das naheliegende Hermannstadt, schon 1827 als Musikstadt anerkannt, eine Plattform für Musikkünstler, für musikalische Ausbildung und breitgefächerte Pflege von Musikkultur. Die Gründer der ersten Neppendorfer Blaskapelle im Jahre 1879 machten sich zur Aufgabe, „die Gemeinschaft zu stärken, ihr Dienste zu erweisen, bei Lustbarkeiten die Gemüter durch fröhliche Weisen aufzuheitern, bei Trauerfällen durch entsprechende Choräle auf die Leidtragenden seelsorgerlich einzuwirken“.

Im weiteren Verlauf seiner Rede erwähnte Erwin Köber wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Blaskapelle und ihre Auswirkungen: Sie war Quelle und Hauptgestalter örtlicher und auch siebenbürgisch-sächsischer Musikkultur (Blasmusik- und Unterhaltungsmusik). Sie unternahm Konzertreisen im In- und Ausland, hatte staatspolitische Funktionen, trat in deutschsprachigen Sendungen des Rumänischen Fernsehens auf, wirkte bei Filmdreharbeiten mit und war fester Bestandteil der Hermannstädter Musikkultur. Der Laudator erwähnte ihre Dirigenten, die prägende Spuren in der örtlichen Musikkultur hinterlassen haben: Michael Gärtz, Josef Hubner, Mathias Hubner, Kurt Reisenauer, Johann Gärtz, Andreas Beer.

Das vorläufige Ende der Musiktradition in Neppendorf erfolgte 1990 durch die Massenauswanderung der deutschen Ortsbewohner nach Deutschland. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde sie 1992 in Crailsheim auf Initiative der vormaligen Kapellmeister Johann Gärtz und Mathias Hubner wiederbelebt und gegenwärtig vom Neppendorfer Musiker Kurt Müller weitergeführt. In den letzten Jahren fanden auch einheimische Musiker aus den Crailsheimer Ortsteilen Roßfeld und Gronach den Weg in die Blaskapelle. Sie ist inzwischen nicht nur fester Bestandteil gepflegter Neppendorfer Musikkultur, sondern auch unseres Verbands der Siebenbürger Sachsen und der Crailsheimer Musikkultur. Die Blaskapelle ist mit der vielfältigen Herkunft ihrer aktuellen aktiven Mitglieder auch ein Beispiel für Toleranz, gelebte Demokratie und gelungene Integration. Zum Schluss seiner Rede wünschte der Festredner der Blaskapelle Mut und Kraft zur Erinnerung an die Wurzeln, Zuversicht und Gottes Segen für weitere viele Jahre zur Fortführung Neppendorfer Blasmusikklänge. Damit solle das eingangs erwähnte Wort Emil Sigerus „Bald und alles ist vergessen“ weit in die Zukunft hinausgeschoben werden. Der Festrede folgten Grußworte seitens des Roßfelder Ortsbeirats, der stellvertretenden Landesvorsitzenden des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Baden-Württemberg und auch seitens der Heimatortsgemeinschaft der Neppendorfer in Deutschland.

Im Anschluss an die Grußworte wurden von den Gastgebern die ehemaligen noch lebenden Neppendorfer Dirigenten Mathias Hubner, Johann Gärtz, Kurt Reisenauer, Andreas Beer und Kurt Müller geehrt und allen anwesenden Musikern mit Abzeichen und Urkunden für aktive verdienstvolle Mitwirkung und Gestaltung Neppendorfer Blasmusikkultur gedankt.

Nach Abschluss des Festaktes und anschließendem Kaffee und Kuchen spielte die Blaskapelle unter der Mitwirkung vieler vormals Neppendorfer Musikanten zm Tanz und guter Laune auf. Das Fest wird einen weiteren Meilenstein in der langjährigen Neppendorfer Blasmusikkultur setzen und vielen in bester Erinnerung bleiben.

Hanne Köber

Schlagwörter: Neppendorf, Blasmusik, Jubiläum

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  • 30.10.2024, 14:47 Uhr von sibisax: Was die Egerländer in Deutschland,die Jahrmarkter(Johrmarker) im Banat waren die Neppendorfer in ... [weiter]

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