16. November 2006

Wiedersehen nach 45 Jahren: die Kronstädter Honterianer

„Was für den Vogel die Kraft der Schwingen, das ist für den Menschen die Freundschaft. Sie erhebt ihn über den Staub dieser Erde.“ Dieses Zitat von Zenta Maurina, einer in Lettland geborenen Schriftstellerin, deren Leben das Schicksal einer Vertriebenen zeichnet, war das Motto der Absolventen der Honterusschule, die nach 45 Jahren ein Wiedersehen in Kronstadt und in Neckarsulm feierten.
Was sonst, wenn nicht die Freundschaft, verbindet Menschen, die sich in der Jugend kennen gelernt, eine Teilstrecke des Lebens gemeinsam gegangen sind und sich zeitlebens immer wieder etwas zu sagen haben. Es ist kaum zu glauben, dass schon 45 Jahre vergangen sind, seitdem sich für uns das Tor ins Leben der Erwachsenen geöffnet hat. Es war in Kronstadt, im Burzenland, und wir waren froh, hinaus ins Leben stürmen zu können, zu dürfen, zu müssen; schließlich hatten wir den Beweis erbracht, fürs Leben gut gerüstet zu sein!

Honterianer trafen sich 45 Jahre nach Schulabschluss im Kirchhof 'bei Honterus'.
Honterianer trafen sich 45 Jahre nach Schulabschluss im Kirchhof 'bei Honterus'.

In Kronstadt trafen wir uns, 13 Ehemalige, am Kirchhof „beim Honterus“, gingen gemeinsam bis zum Anfang der Klostergasse in ein Gartenlokal vor der alten Stadtmauer an der Graft, um bei schönem Wetter gemütlich beisammen zu sitzen und viel zu erzählen. Unser anschließender Spaziergang durch die Klostergasse, den Rudolfsring bis zur ehemaligen Industrie- und Handelskammer, heute die Kreisbibliothek, hinter der Graft bis zum neuen Honterusgymnasium, heute das Krankenhaus, und vorbei an der ehemaligen Mädchenschule, jetzt dem Forstinstitut, bis zu dem ehemaligen Wohnhaus des Schulrektors Adolf Meschendörfer, wo er seinen bekannten Roman “Die Stadt im Osten” geschrieben hat. Vorbei an dem schön renovierten Katharinentor von 1559, dem ehemaligen evangelischen Kindergarten, dem Waisenhausgässer Tor zur Obervorstädter Kirche: Das alles ließ Erinnerungen an unsere Kindheit, Jugend und Schulzeit aufkommen. Um 19 Uhr trafen wir wieder in unserem Lokal in der Klostergasse ein. Der Tisch war gedeckt, die Bedienung erwartete uns. Das Essen war gut, die Gespräche angeregt und die Wiedersehensfreude war jedem von uns anzusehen. Gegen 23 Uhr machten wir uns auf den Heimweg und verstreuten uns wieder in alle Richtungen.

Am Sonntag besuchten Doris und ich einen unserer Schulfreunde an seinem Arbeitsplatz, der Gemüse-Markthalle Traian in der Nähe des neuen Bahnhofs. Wir erfuhren, dass unser Lehrer, Prof. Vasile Bota, 90-jährig verstorben war und unser Schulfreund seine Mutter pflegen muss. Wir konnten feststellen, dass jeder von uns sein Kreuz zu tragen hat, nur leider ist manch ein Kreuz schwerer als ein anderes.

Honterianer feierten ihr 45-jähriges Maturatreffen in Neckarsulm.
Honterianer feierten ihr 45-jähriges Maturatreffen in Neckarsulm.


In Neckarsulm waren von den 63 angemeldeten Teilnehmern nur 59 gekommen. Krankheit und ein Todesfall verhinderte vier unserer Freunde an der Feier teilzunehmen. Am weitesten angereist war Marion aus Haifa, Israel. Vor dem Mittagessen hat uns Diethard mit einem Stück für Horn und Klavier von Michael Hayden festlich eingestimmt. Danach haben wir gemeinsam, begleitet von den Klängen der Großen Glocke der Schwarzen Kirche, unserer 17 verstorbenen Schulfreunde gedacht.

Die über das ganze Fest gut verteilten ernsten und heiteren Beiträge regten die Stimmung an. Sehr anschaulich erzählte uns Ima ihr Erlebnis mit dem Stirnband und den Ponyfransen, Birgit von ihrer Ohrfeige, die sie von ihrem Cousin Rainer bekommen hatte. Marion erzählte von ihrem Petticoat aus der Tanzstunde bei Frau Hamrodi und den daraus erfolgten Komplikationen mit der Securitate. Bitu, Uta, Cornelius und Heinz unterhielten uns literarisch ernst oder humorvoll. Beide Treffen sind sehr harmonisch verlaufen: Nicht Einkommen, Beruf, Haus oder Urlaub haben die Gespräche beherrscht, sondern eher Rente, Gesundheit, Enkel und der Wunsch, sich bald wieder zu sehen.

PS: Die Kronstädter Teilnehmer wünschen sich, unser 50. Maturajubiläum gemeinsam in Deutschland zu feiern!

Johannes Kravatzky

Schlagwörter: HOG-Nachrichten, Kronstadt

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.