4. April 2011

Bilanz der "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen": Interview mit Ernst Bruckner

1996 hat der Bundestag das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz beschlossen, das die Aussiedler mit einer sofort wirksamen 40-Prozent-Kürzung der Entgeltpunkte aus den Zeiten im Herkunftsgebiet belastete. Zum solidarischen Kampf dagegen wurde die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ unseres Verbands ins Leben gerufen. In ihrem Auftrag wurden zwei juristische Gutachten erstellt. Ab 1999 erreichte die Interessengemeinschaft wichtige Entscheidungen des Bundessozialgerichts und 2006 die große Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das zwar die Kürzung nicht als verfassungswidrig angesehen hat, aber ihre übergangslose, sofort wirksame Inkraftsetzung. Unser Verband reichte eine Petition an den Bundestag ein, der 2007 Nachzahlungen nur für die betroffenen Rentner beschlossen hat, deren Rentenbeginn zwischen 1996 und 2000 lag. Das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht haben die erneuten Versuche der Interessengemeinschaft, eine weiter gehende Übergangsregelung zu erreichen, zurückgewiesen. Die Rentenbehörden haben die Nachzahlungen inzwischen abgeschlossen, so dass unser Bundesvorstand die Tätigkeit der Interessengemeinschaft für beendet erklärt hat und die nicht verbrauchten Mittel bestimmungsgemäß unserem Sozialwerk überwiesen wurden. Im folgenden Gespräch mit Rechtsanwalt Ernst Bruckner, Bundesrechtsreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, hinterfragt Siegbert Bruss den Sinn und die Ergebnisse der Interessengemeinschaft.
Zahlreiche Siebenbürger Sachsen haben sich 1996 auf Initiative des Verbandes der Siebenbürger Sachsen zu einer „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ zusammengeschlossen. Welche Ziele haben sie dabei verfolgt?
Wir haben nach dem Prinzip „Gemeinsam sind wir stark“ gehandelt und versucht, unsere Kräfte zu bündeln. Gesetzesänderungen von solchem Ausmaß kann man nicht in einem Einzelverfahren eines Klägers machtvoll anfechten, da ist eine gemeinsame Anstrengung vieler gefragt. Deshalb haben uns viele Mitglieder des Verbands unterstützt – auch wenn sie oft nicht selbst betroffenen waren – und die finanzielle Grundlage für eine solche Kraftanstrengung aufgebracht. Die „Interessengemeinschaft“ ist dann gegen die Rentenkürzungen sowohl im politischen Bereich – hier leider erfolglos – als auch auf dem juristischen Feld vorgegangen. Da haben wir uns den Sachverstand exzellenter externer Gutachter als auch der vielen eigenen Fachleute im Verband zunutze machen können, um die Präzedenzfälle im Instanzenzug vor die höchsten Gerichte bis zum Bundesverfassungsgericht zu bringen.

Welche Bilanz ziehen Sie nach 14 Jahren: Was hat die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ gebracht?
Die Interessengemeinschaft gehört meines Erachtens zur Erfolgsgeschichte unseres Verbands, da sie ein großes Zeichen von Solidarität verbunden mit viel Kleinarbeit zur Unterstützung aller benachteiligten Rentner hervorgebracht hat. Leider haben sich aber die finanziellen Auswirkungen für die betroffenen Rentner nicht so positiv entwickelt wie ursprünglich erhofft, wir konnten die Kürzung nicht wirklich beseitigen: Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung von 2006 die Rentenbeiträge in ausländische Rentenversicherungen nicht so schützenswert angesehen wie die Beiträge in deutsche Rentenversicherungssysteme, so dass es die 40-Prozent-Kürzung nicht grundsätzlich aufgehoben, sondern nur eine Übergangsregelung durch den Gesetzgeber verlangt hat. Diese wurde dann 2007 vom Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition so restriktiv wie nur möglich eingeführt – und seither gibt es für die Betroffenen nur einmalige Nachzahlungen mit maximal fünfstelligen Beträgen für die Übergangszeit von 1996 bis 2000, während die 40-Prozent-Kürzung unbeschränkt weiter gilt.

Auch Rentner, die nach dem 1. Juli 2000 in den Ruhestand gehen, sind von der vierzigprozentigen Kürzung betroffen. Trotzdem hat die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ ihre Tätigkeit eingestellt. Weshalb?
Für diese Rentner können wir nichts mehr tun, da für sie die Kürzung juristisch unangreifbar ist: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner sehr umfangreichen Entscheidung von 2006 diese Rechtslage so dargestellt, dass die Kürzung aus finanziellen Gründen der Rentenversicherungsträger verfassungsmäßig ist. Damit war die Frage nach dem „Ob“ geklärt und es ging danach nur mehr um die Frage der Übergangszeit, also um das „Wie“: Ab wann müssen sich die Rentner mit der Kürzung ohne Nachzahlung abfinden?

RA Ernst Bruckner. Foto: Siegbert Bruss ...
RA Ernst Bruckner. Foto: Siegbert Bruss
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat im Juli 2010 sowohl die Übergangsvorschriften zur 40-Prozent-Kürzung im Bereich des Fremdrentengesetzes (FRG) für Betroffene, die vor dem 6. Mai 1996 nach Deutschland zugezogen sind, als auch die Deckelung der Rentenansprüche für alle Berechtigten, die erst nach dem 6. Mai 1996 nach Deutschland zugezogen waren, als rechtmäßig bestätigt. Besteht Hoffnung, dass nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die Rechtsposition der Rentner aus Siebenbürgen verbessert werden kann?
Die „Interessengemeinschaft“ hatte natürlich auch diese viel zu enge Übergangsregelung 1996-2000 intensiv angegriffen und argumentiert, dass ein Betroffener weit mehr Übergangszeit braucht, bis er sich auf eine derart massive Kürzung einstellen kann – leider aber erfolglos: Das Bundessozialgericht hat in zwei Entscheidungen 2009 und 2010 festgelegt, dass die Übergangszeit ausreichend ist; das Bundesverfassungsgericht hat 2010 eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts Zeitvogel in einem Fall der Banater Schwaben nicht angenommen. Damit sind alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft – eine politische Lösung sehe ich nicht, nachdem auch die Petition unseres Bundesvorsitzenden an den Bundestag 2007 keine Änderung bewirkt hat.

Können die Verfahren jetzt endgültig beendet werden, wie das der Bundesvorstand des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in seiner Sitzung am 12. November 2010 beschlossen hat?
Ja, die Verfahren wegen der 40-Prozent-Kürzung haben sich jetzt erledigt, weil keine weitere Steigerung der Renten oder der Nachzahlungen für die Übergangszeit mehr zu erreichen ist. Rein formal ist jedes einzelne laufende Verfahren gesondert abzuwickeln, was bei der Belastung der Gerichte manchmal kürzer oder länger dauert; schließlich waren es viele Einzelfälle, die an den Gerichten auch lange Zeit geruht haben und die nun wieder angerufen und erledigt werden.

Was geschieht mit den nicht aufgebrauchten Mitteln, die die Mitglieder in die „Interessengemeinschaft“ eingezahlt haben?
Diese Mittel sind, wie in der Beitrittserklärung der Mitglieder der „Interessengemeinschaft“ vermerkt, an das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen überwiesen worden. Sie kommen notleidenden Landsleuten in Deutschland zugute – natürlich auch solchen, deren Renten zu gering sind. Damit schließt sich der Kreis – auch das ein Teil der Erfolgsgeschichte unserer „Interessengemeinschaft“.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Verbandstag 2011, Rente, Rechtsfragen, Verbandspolitik

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