12. Januar 2012

Der Kultur Siebenbürgens verpflichtet: Nachruf auf Günter Volkmer

Günter Volkmer ist am 5. Dezember 2011 in Horben bei Freiburg nach langer Krankheit im Alter von 76 Jahren verstorben. Der gebürtige Kronstädter hat sich in vielfältiger Weise verdient gemacht um das Bewahren und die Vermittlung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur. Volkmer förderte die siebenbürgischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim nachhaltig, war aktives Mitglied im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), Mitinitiator des Siebenbürgischen Alpenvereins und nicht zuletzt Mitbegründer der „Neuen Kronstädter Zeitung“.
Geboren wurde Günter Volkmer am 14. Januar 1935 in Kronstadt als Sohn des Kaufmanns Eduard Volkmer und der Lehrerin Hilde Volkmer, geborene Bahmüller. Günter Volkmers Eltern gehörten dem Kronstädter sächsischen Bürgertum an. Beide Ahnenreihen, die mütterliche und die väterliche, haben ihre Wurzeln in Handwerkerfamilien, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Deutschland nach Siebenbürgen eingewandert sind. Das Leben in Kronstadt, die Begegnung mit den vielen Verwandten und Freunden der Eltern im Hause Volkmer in der Rochusgasse, seine zwei älteren Brüder Erhardt und Helmut sowie die große Zahl gleichgesinnter Schulfreunde prägten früh das Weltbild von Günter Volkmer. Seine Schulzeit, als Gymnasiast an der Honterusschule und der Mercuri-Handelsschule, ließ ihm und seinen Freunden – zum Teil trotz des kommunistischen Unterrichtssystems – relativ viel Freiraum, sich dem Sport, der Verbundenheit mit der Natur und dem intensiven geistigen Austausch miteinander zu widmen. Günters großer Wunsch, Geologie und Geografie zu studieren, konnte nicht in Erfüllung gehen, da ihm das kommunistische Regime, das seine Eltern der „Ausbeuterklasse“ zuordnete, einen Studienplatz verwehrte. So arbeitete er einige Jahre lang als Buchhalter in verschiedenen Unternehmen seiner Heimatstadt.

Günter Volkmer beim Heimattag 2004 in ...
Günter Volkmer beim Heimattag 2004 in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer
Günter Volkmer wurde nach seinem Abitur Mitinitiator eines Gesprächskreises Jugendlicher, die auch an den Jugendstunden des damaligen Kronstädter Stadtpfarrers Dr. Konrad Möckel regelmäßig teilnahmen. Dieser Kreis wurde ihm und zahlreichen seiner Freunde zum Verhängnis. 1957 wurde er verhaftet und ein Jahr darauf, am 22. Dezember 1958, als einer der Hauptangeklagten im so genannten „Schwarze-Kirche-Prozess“ vom Klausenburger Militärgericht ­wegen „Vaterlandsverrats“ zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Nach fast siebenjähriger schwerster Haft in unterschiedlichen politischen Gefängnissen des kommunistischen Rumänien wurde Günter Volkmer aufgrund des Bukarester Amnestiebeschlusses von 1964 entlassen. Die Aufhebung des Urteils dieses von der Securitate gesteuerten Schauprozesses zur Einschüchterung der deutschen Minderheit Rumäniens durch den Obersten Gerichtshof Rumäniens 1999 nahm Volkmer mit Genugtuung zur Kenntnis, zumal die Richter feststellten, dass die Jugendlichen auch nach dem damals geltenden kommunistischen Strafrecht schuldlos waren. 1966 heiratete Volkmer die gebürtige Marienburgerin Hildegard Hubbes. Beide konnten 1969 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Günter Volkmer fasste im Breisgau schnell Fuß und war bis zu seiner Pensionierung als kompetenter und geschätzter Mitarbeiter des Freiburger Arbeitsamtes tätig. Volkmer gehörte zu der gediegenen Gattung von Landeskundlern, die unsere „Kleine Akademie“, den siebenbürgischen Landeskundeverein ausmacht. Die Rettung und die Weitergabe von Vergangenem und die Vermittlung von Kultur und der Liebe zur Natur durchziehen Volkmers Leben wie ein roter Faden. Wie nachahmenswert nachhaltig und mit welcher ­Konstanz er die Idee des Bewahrens und der Weitergabe von Wertvollem aus unserer siebenbürgisch-sächsischen Welt verfolgte, das können wir vorerst nur abschätzen. Vieles, was Günter Volkmer gesammelt, aufgearbeitet, sortiert und verzeichnet hat, ist uns kaum bekannt. Wie viel Idealismus und manchmal auch Utopie – denn ohne Utopie wäre unsere Gesellschaft fade und trocken – in seinem Handeln und Wirken steckte, werden wir wahrscheinlich erst beim näheren Erkunden seines Nachlasses ermessen können.

Günter Volkmers Leben war seit seiner frühen Jugend immer voller Ideale und voll des Bestrebens, Menschen, z.B. aus der Gemeinschaft seiner Schulkollegen und dann später in Deutschland aus dem Kreise seiner Landsleute, mit diesen Idealen zu bereichern. Auf der Grundlage eines breiten natur- und geisteswissenschaftlichen Wissens, von dem eine gute Portion den vielen Gesprächen mit prominenten und hochgebildeten Mithäftlingen der Gefängniszeit entstammte, sammelte Volkmer beharrlich Erkenntnisse und Zeugen der Naturwelt Siebenbürgens sowie Transilvanica im weitesten Sinne des Wortes.

Er und seine Frau Hildegard traten bereits 1971 dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde bei. Als sich die Sektion Naturwissenschaften dieses so wichtigen Vereins 1975 konstituierte, war er einer der Ersten, die sich dort eingeschrieben haben. 1985 wurde er Mitbegründer der „Neuen Kronstädter Zeitung“. Als 1989 die Heimatortsgemeinschaft der Kronstädter entstand, wurde er auch dort aktives Mitglied. Die Familie Volkmer unterstützte die siebenbürgischen Kultureinrichtungen nicht nur durch ihre aktive Präsenz, sondern auch finanziell. Als das Siebenbürgen-Institut neue Räume in der Gundelsheimer Schlossstraße bezog, spendete das Ehepaar Volkmer fünfstellige Geldsummen. Wie es die Stiftertafel festhält, haben auch die Siebenbürgische Bibliothek und ihre Stiftergemeinschaft von Volkmers große Unterstützung erfahren. Immer wieder konnte man lesen, wie vorbehaltlos und konstant große Summen auf das Konto der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek überwiesen wurden. Günter Volkmer sammelte Zeit seines Lebens unendlich viel. Wertvolles ist teilweise schon in die Bestände der Bibliothek und des Museums in Gundelsheim eingeflossen. Fotos, seltene Bilder und Drucke über Siebenbürgen, Zeugnisse der reichen sächsischen Vereinstätigkeit und viel mehr gehören dazu. Günter Volkmer blieb dabei immer bescheiden. Nie sprach er in großen Tönen über sein Tun, wirkte aber mit nachhaltiger Konstanz. Das gilt auch für seine publizistische Tätigkeit: Er sammelte und archivierte Daten und Fakten zum Leben und Wirken ­siebenbürgischer Naturwissenschaftler. Diese ausführlichen Karteien harren nun der Aufarbeitung durch seine geistigen Nachkommen. Darüber hinaus publizierte er Beiträge im Band „Der Siebenbürgische Karpatenverein 1880-1945“ (1990), im „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ (1993), im „Reiseführer Siebenbürgen“ (1993) im Band „Kronstadt, eine siebenbürgische Stadtgeschichte“ (1999) sowie in den siebenbürgischen Presseorganen, um nur einiges zu nennen.

1986 war er der wichtigste und zielstrebigste Initiator und Gründer des Siebenbürgischen Alpenvereins, der 1988 zur Sektion Karpaten e. V. im Deutschen Alpenverein umgewandelt wurde. Fast ein Vierteljahrhundert lang war er als Zweiter Vorsitzender das Herz dieser so rührigen Sektion. Behutsam, aber entschlossen prägte er diesen Verein, dessen kulturellen Aufgaben er sich ganz besonders verpflichtet fühlte. Das regelmäßig erscheinende Jahrbuch der Sektion, zahlreiche Ausstellungen, die Vorbereitung von Exkursionen in Europa oder die Steigerung der Mitgliederzahl von 30 auf 370 trugen auch und insbesondere den Stempel von Günter Volkmer. 2010 wurde er zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt. Für seine alte Heimat engagierte er sich nicht nur im Rahmen des 1996 wiedergegründeten Siebenbürgischen Karpatenvereins (SKV), sondern auch im Hilfsverein Siebenbürgerheim Freiburg im Breisgau e. V., der die Landsleute in Siebenbürgen durch Hilfstransporte unterstützte.

Volkmer behielt stets den Überblick über unterstützens- und bewahrenswerte Transilvanica. Die fotografische Dokumentation der zahlreichen naturwissenschaftlichen Tagungen des AKSL in Deutschland, Österreich, Ungarn, Luxemburg und Siebenbürgen und Bilder unendlich vieler Veranstaltungen von Freiburg bis Dinkelsbühl, von Hamburg bis Pfaffenhofen: sie alle tragen die Unterschrift Günter Volkmers. Seine umfangreichen Fotodatenbanken sind zu einer wichtigen Quelle moderner siebenbürgischer Geschichte geworden. Günter Volkmer war ein Mensch, dem es weniger um Schein und um Ehrungen, sondern immer um die Sache und um konkretes Bewahren der vielfältigen Kultur Siebenbürgens ging. Nun gilt es, nicht nur seine kulturhistorischen Dokumentationen, sondern die seinem Wirken zugrunde liegenden Werte an die nächsten Generationen weiterzugeben. Wir verneigen uns vor unserem Freund und Mitstreiter Günter Volkmer. HvK

Schlagwörter: Nachruf, Kultur, Kronstadt, Sektion Karpaten des DAV

Bewerten:

19 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.