2. Oktober 2014

Ein siebenbürgisch-sächsischer Europäer: Horst Göbbel wird 70

Am 2. Oktober begeht unser aus Jaad stammender Landsmann Horst Göbbel seinen 70. Geburtstag. Der pensionierte Gymnasiallehrer hat sich in zahlreichen Ehrenämtern innerhalb des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland wie auch des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften in vielfacher Weise um seine Landsleute verdient gemacht. Für sein ehrenamtliches Wirken wurde er auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Horst Göbbel blickt auf 70 ereignisreiche Lebensjahre zurück. Über seine Geburt schreibt seine Mutter Maria Göbbel 1986: „In unserem Waggon waren acht schwangere Frauen mit ihren Kindern. In der Nacht breiteten wir uns das Stroh aus, eine Decke drauf, das war unser Bett. Früh morgens wurde alles aufgeräumt, alle saßen am Boden, Stühle gab es ja keine. Am 2. Oktober 1944, 9 Uhr früh, eine Woche nach dem Tod meiner Schwiegermutter, habe ich im Waggon in einer Ecke auf Stroh ein Mädchen und einen Jungen geboren. Die Tochter der Hebamme brachte von der Lokomotive warmes Wasser. Damit wurden die Zwillinge ein wenig gewaschen und dann angezogen. Wir befanden uns in Ofeherto. Die Hebamme fragte mich, wie sollen die Kinder heißen? Ich dachte lange nach, dann sagte ich Horst und Erika. In der Nacht zum 3. Oktober ging es dann wieder weiter bis Nyiregyhaza, wo wir dann fünf Tage lang auf einem toten Gleis warteten. Am Tag vorher hatte es dort Bombenangriffe gegeben, wir sahen noch die Bombentrichter.“ Während Horst die Strapazen der Flucht überlebte, starb seine Schwester Erika bei der Rückführung der Familie im Sommer 1945 in Ungarn.

Horst stammt aus einer wohlhabenden bäuerlichen Familie aus der stattlichen Gemeinde Jaad, 8 km von Bistritz entfernt. Von dem früheren Wohlstand ist außer dem großen Bauernhaus mit Stall und Scheune nichts übrig geblieben. Auf diesem Hof wächst Horst in einer Gemeinde, in der nun die Rumänen zahlenmäßig wesentlich stärker sind als die Sachsen, die immerhin noch über 500 Seelen zählen, heran. Er besucht die deutsche Grundschule in Jaad. In die fünfte Klasse kommt Horst Göbbel nach Bis­tritz in die deutsche Abteilung des Gymnasiums. Die Kindheit in Jaad und das Leben im Schülerinternat in Bistritz zusammen mit Rumänen und Ungarn hat seine Entwicklung geprägt. Er ist ohne Hass und Vorurteile anderen gegenüber sozialisiert worden. Dies sollte seine weltoffene Haltung sein ganzes Leben lang prägen. 1962 macht Horst Göbbel sein Abitur und geht durch seinen Geschichtslehrer Michael Kroner angeregt nach Klausenburg, um Geschichte an der „Babeș-Bolyai“-Universität zu studieren. Seine Abschlussdiplomarbeit 1967 befasst sich mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und hatte als Thema „Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938“.
Horst Göbbel beim Evakuierungsgedenken in ...
Horst Göbbel beim Evakuierungsgedenken in Bistritz. Foto: Florian Coșoiu
Horst Göbbel kehrt 1968 an das Bistritzer Gymnasium zurück, um als Gymnasiallehrer dort bis zu seiner Ausreise nach Deutschland 1973 tätig zu sein. In Deutschland studiert er ein zweites Fach, um in Bayern als Lehrer tätig werden zu können, nämlich von 1974 bis 1977 Germanistik an der Universität in Erlangen, tritt 1977 in den Schuldienst ein und ist von 1979 bis zu seiner Pensionierung am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg im Lehramt tätig. Von 1984 bis 2009 ist Horst Göbbel Mitarbeiter des Ministerialbeauftragten für Gymnasien in Mittelfranken, er wird 1996 zum Studiendirektor befördert und ist ab 1999 bis zur Pensionierung auch Seminarlehrer für Grundfragen der staatsbürgerlichen Bildung.

Horst Göbbel hatte und hat zahlreiche Ehrenämter inne insbesondere für seine Landsleute, deren Wohlergehen in der Fremde ihm immer ein besonderes Anliegen waren. Von 1984 bis 2004 war er Vorsitzender der damaligen Kreisgruppe Nürnberg – Fürth – Erlangen (ca. 1600 Mitglieder) des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, ab 1992 war er Mitglied im Bundesvorstand unseres Verbandes und ab 1995 Gründer des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften und dessen Vorsitzender bis 2001. Er war auch Stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayern und Stellvertretender Bundesvorsitzender unseres Verbandes.

Seit 2000 ist der Jubilar Vorsitzender des Vereins „Hauses der Heimat“ in Nürnberg, eine Einrichtung, die vielen Aussiedlern aus Ost- und Südosteuropa die Integration in Deutschland erleichtert.

Auch kirchlich engagierte sich Horst Göbbel im Kirchenvorstand seiner Sebaldus-Gemeinde in Nürnberg. Nicht zuletzt sei sein Engagement im Integrationsrat der Stadt Nürnberg und im „Bündnis für Familie“ erwähnt.

Für sein ehrenamtliches Wirken wurde er mehrfach ausgezeichnet. 2008 erhielt er vom damaligen Bayerischen Europaminister Dr. Markus Söder die „Medaille für besondere Verdienste um Bayern in einem vereinten Europa“ und von Bundespräsident Dr. Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz.

Horst Göbbel hat sich ehrenamtlich im Laufe der Jahrzehnte für die enge Zusammenarbeit zwischen den sächsischen Bewohnern seines Heimatortes Jaad (gleichgültig, wo sie leben) und von Bistritz sowie den Rumänen, Ungarn und Roma aus Jaad, aus Bistritz, aus ganz Siebenbürgen eingesetzt. Ebenso hat er sich auch für die Orthodoxe Kirche in Jaad engagiert. Er leitet die Heimatortsgemeinschaft Jaad (mit ihren Mitgliedern in Deutschland, Österreich, Siebenbürgen und Amerika) und ist Vorstandsmitglied der HOG Bistritz-Nösen. Er hat sich im Rahmen der HOG Jaad für die Unterstützung der ev. Kirchengemeinde Jaad und besonders für die Renovierung der Ev. Kirche in Jaad stark gemacht, ebenso für die Renovierung der Bistritzer Ev. Kirche. 2013 ist Horst Göbbel in Anerkennung dieser Verdienste zum Ehrenbürger sowohl seiner Heimatgemeinde Jaad als auch der Stadt Bistritz ernannt worden.

Das Interesse an der Geschichte und dem Schicksal seiner Landsleute hat ihn veranlasst, zahlreiche Vorträge zu halten und an verschiedenen Publikationen mitzuwirken. Hier seien erwähnt: „Abschied aus der Geschichte. Das Beispiel Jaad in Siebenbürgen“, Monografie, Nürnberg 1990; „Internationale Politik“, München 1995; Lehrbuch mit Dr. Manfred Hanisch, Broschüren und Zeitungsbeiträge zu siebenbürgischen Themen (u. a. „Nürnberg und Siebenbürgen“ (mit Dr. Michael Kroner), Nürnberg 1993 und 2008; „Flucht – Deportation – Enteignung – Entrechtung - Die Siebenbürger Sachsen 23. August 1944 bis 1947“ (mit Dr. Michael Kroner) Nürnberg 1994; „Rumänien und seine Deutschen 1948-1995“ (mit Dr. Michael Kroner) Nürnberg 1995. „Siebenbürgisch-Sächsische Heimatortsgemeinschaften aktuell“ Nürnberg, 1997, 1999, 2000, zahlreiche Beiträge in „Wir Nösner“ 2010, 2011, 2013, 2014: Thema Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 und deren Folgen. Nicht zuletzt die Monographie „700 Jahre Jaad in Siebenbürgen“ zusammen mit dem Bürgermeisteramt Jaad 2013.

Bei so vielen Aufgaben und Leistungen war da überhaupt noch Zeit für ein Privatleben? Wer Horst Göbbel kennt, weiß, wie wichtig ihm Familie und Freunde waren und sind. Er heiratet 1973 Gitti Göbbel, geb. Engler. Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor (Roland 1979 und Sigrid 1982). Seit September 2011 hat Horst Göbbel erfahren, was „Opa-Freuden“ bedeuten. Für Enkeltochter Vera ist Opa Horst jederzeit da. Seine enge seelische Verbindung mit Jaad, mit Bistritz, mit Siebenbürgen und mit den Bewohnern dieser Orte ist eine Dominante seines Lebens. Er ist siebenbürgisch-sächsischer Europäer mit breitem politischem Interesse und Wirken. Wir gratulieren Horst Göbbel zu seinem 70. Geburtstag und wünschen ihm noch weiterhin viel Schaffenskraft und noch viele gemütliche Stunden in der Familie und mit seinen zahlreichen Freunden in Siebenbürgen, Österreich und Deutschland.

Dr. Hans Georg Franchy

Schlagwörter: Verbandspolitik, Porträt, Geburtstag, Nordsiebenbürgen

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