28. März 2016

Tief menschlich und fachlich kompetent: Josef Jägerhuber zum Neunzigsten

Schritt für Schritt steigt Josef Jägerhuber die Treppen von seinem Druckereibüro im Erdgeschoss zu seiner Wohnung im dritten Stock hoch. Es geht langsam, doch das Gehen hält ihn gesund. Am 28. März wird er 90 Jahre alt. Wenn der Oberbayer im Gespräch mit Siegbert Bruss, Chefredakteur dieser Zeitung, Rückschau auf ein ereignisreiches Leben hält, erinnert er sich an viele Siebenbürger Sachsen. In der Druckerei Jägerhuber in Starnberg wurde nicht nur die Siebenbürgische Zeitung 56 Jahre lang, von April 1951 bis September 2007, gedruckt, sondern auch viele andere südosteuropäische Publikationen hergestellt.
In Zeitungen und Fernsehen wird Josef Jägerhuber oft als „Wetterprophet vom Starnberger See“ befragt. Seit 1960 zeichnet er Tag für Tag die Temperaturen und Niederschlagsmenge auf dem Balkon seines Wohnhauses in Starnberg in seinem Kalender auf. „Ich bin im Laufe der Jahre drauf gekommen, dass es alle sieben Jahre eine Wiederholung gibt. Und danach kann man gehen.“ Sieben sei eine wichtige Zahl, die Woche habe sieben Tage, es gebe sieben fette und sieben magere Jahre in der Bibel usw. So nimmt Jägerhuber seine Aufzeichnungen im Sieben-Jahre-Turnus zur Hand und leitet daraus und aus dem Erfahrungsschatz der Bauernregeln die Wettervorhersage für das kommende Jahr ab. Die Wetterbeobachtungen gelten vor allem für die Oberbayerische Hochebene, südlich von München, die sehr fönanfällig ist. Mitte März 2016 hat das Mars-Jahr begonnen, es soll ziemlich trocken sein, beispielsweise für den Juli und August sagt Jägerhuber schöne, sonnige Tage voraus. Seine Prognosen sind immer „ohne Gewähr“, fügt er einschränkend hinzu, aber die Erfahrung zeigt, dass sie zu 80 Prozent stimmen. Viele Menschen, nicht nur in Bayern, planen ihren Urlaub, ihre Freizeit oder Feldarbeiten nach Jägerhuber. Sein Hobby hat ihn bekannt und beliebt gemacht. Das freut den Jubilar, er sieht es aber mit sanftem Humor und bleibt, wie er immer war: bescheiden und bodenständig.

Josef Jägerhuber wurde 1926 in Starnberg geboren, wo er als Lehrling in den väterlichen ­Betrieb einstieg. 1910 war sein Großvater Druckereibesitzer geworden und hatte den traditionsreichen Land- und Seeboten übernommen.

Wetterprophet Josef Jägerhuber mit seinem Mess- ...
Wetterprophet Josef Jägerhuber mit seinem Mess- und Aufzeichnungsgerät für Temperaturen. Foto: Petra Reiner
Der junge Jägerhuber erlebte die Ostfront, wurde verwundet und am 13. Juni 1945 aus der amerikanischen Gefangenschaft entlassen. Abends kehrte er nach Hause und schon am darauf folgenden Morgen musste er die Geschäfte des fast stillgelegten Familienbetriebes übernehmen. Sein Vater war durch die Aufregungen im Dritten Reich, namentlich die nationalsozialistische Gleichschaltung der Presse, bettlägrig geworden. So sprang der Sohn ein und baute die Druckerei mit den Jahren zu einem florierenden Betrieb auf. Schon 1948 erhielt der damals 21-Jährige für das Wiedererscheinen des Land- und Seeboten eine der ersten Lizenzen der amerikanischen Besatzungsmacht in Bayern, die Lizenznummer 25. Die Heimatzeitung erschien dreimal pro Woche, bis sie 1990 angesichts der übermächtigen Konkurrenz der Münchner Tageszeitungen eingestellt werden musste.

Der 90-Jährige erinnert sich noch genau an den 23. April 1951, als die Siebenbürgische Zeitung erstmals unter dem Schriftleiter Hans Otto Bolesch in der Druckerei Jägerhuber gedruckt wurde. Es war ein schmales Blatt im Berliner Format, mit einer bescheidenen Auflage in den wirtschaftlich kargen Nachkriegsjahren. Jägerhuber war mit Jobst Zillich, dem Sohn Heinrich Zillichs, in Starnberg in die Schule gegangen und lernte auch andere in Starnberg ansässige Siebenbürger Sachsen kennen wie Walter Schlandt und dessen Sohn Hermann Schlandt, später auch Hans Hartl, mit dem er oft ausgedehnte Spaziergänge unternahm und mit ihm über siebenbürgische Themen debattierte. Auch an die Chefredakteure Alfred Hönig, Hans Bergel und Hannes Schuster sowie an die Anzeigenleiterin Brigitte Wolff erinnert sich Josef Jägerhuber gerne: „Es war eine schöne Zeit.“

Jägerhuber wurde mit den Jahren zu einem guten Kenner der siebenbürgischen Geschichte und Kultur. Weit über das übliche Maß an geschäftlichen und freundschaftlichen Beziehungen ging er hinaus, als er den damaligen Bundesvorsitzenden Erhard Plesch beriet, die Anzeigenverwaltung, die bis dahin einem fremden Verlag in München oblag, in die eigenen Hände zu nehmen. Am 15. April 1974 erschien die erste Siebenbürgische Zeitung, die von der Landsmannschaft in eigener Regie herausgegeben wurde. So kamen die Erlöse aus den Inseraten fortan dem Verband zugute, dessen finanzielle Basis sich dadurch wesentlich verbesserte. Seinen langjährigen Einsatz für die Siebenbürger Sachsen würdigte Dr. Wolfgang Bonfert, der Josef Jägerhuber 1986 in Starnberg das Goldene Ehrenwappen der Landsmannschaft überreichte.

Durch die Nähe zu München und vielen konkurrierenden Druckereien schrumpfte das Geschäft. Selbst die Siebenbürgische Zeitung und andere südosteuropäische Publikationen wechselten im Zuge von Sparmaßnahmen die Druckerei. So wurde die Druckerei Jägerhuber vor drei Jahren stillgelegt, die letzten Angestellten wurden entlassen, die Druckereimaschinen verkauft. Die Räume wurden an einen benachbarten Schuh-Händler vermietet. Josef Jägerhuber hilft heute seinem Sohn Sepp, der nun als Dienstleister mit anderen Druckereien zusammenarbeitet, erledigt Büroarbeiten und liest Korrektur. Als einzige siebenbürgische Publikation betreut Jägerhuber heute die „Briefe aus Brenndorf“.

Josef Jägerhubers Leben verläuft ruhig, in geordneten Bahnen. „Wichtig ist, dass mein Geist noch wach ist. Dafür danke ich dem Herrgott jeden Tag in der Früh.“ Er kocht zum Großteil selbst. Da er seit dem 35. Lebensjahr keine Galle mehr hat, muss er regelmäßig essen. Zwei Mal in der Woche trifft er sich mit Freunden am Stammtisch. Seine Familie und Mitmenschen hat er über all die Jahre mit Liebe und Treue begleitet. Auch wir Siebenbürger Sachsen haben allen Grund, ihm dankbar zu sein. Zu seinem 90. Geburtstag gratulieren wir ihm und wünschen ihm noch viele glückliche Jahre bei guter Gesundheit und in bewährter geistiger Frische.

Siegbert Bruss

Externer Link (YouTube):

münchen.tv: Ortschaft der Woche in Starnberg beim Wetterprophet Josef Jägerhuber

Schlagwörter: Jubilar, Geburtstag, Zeitung

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