18. Juli 2022

Heinrich Heini Höchsmann: "Das Leben darf alles, nur nicht langweilig sein"

Der Hermannstädter Satiriker Heinrich Heini Höchsmann hat mittlerweile ein dreiviertel Jahrhundert auf dem Buckel: Am 18. Juli feiert er seinen 75. Geburtstag. Die meisten Menschen blicken in dem Alter gerne auf ihr Leben zurück. Nicht so Höchsmann: Er blickt lieber nach vorne und hat einen neuen Job angenommen, der ihn in seine alte Heimat zurückführt, zu seinen Wurzeln, die in seinem gesamten künstlerischen Schaffen von großer Bedeutung sind. Ein Gespräch über bunte Hemden, das tief empfundene Bedürfnis, die Welt um sich herum mit einem zwinkernden Auge auf die Schippe zu nehmen und die unbändige Lust auf neue Abenteuer. Das Interview führte Bettina Ponschab.
Gestik, Mimik und farbenfrohe Kleidungsstücke ...
Gestik, Mimik und farbenfrohe Kleidungsstücke gehören für Heinrich Höchsmann bei Lesungen dazu, hier in einem Seniorenheim in Nierstein bei Mainz, 2019.
Sie sind gerade dabei Ihr gesamtes Leben umzukrempeln: Eine neue Aufgabe und ein neues Zuhause warten auf Sie. Ist das der zweite oder schon der dritte Frühling?
(Heini lacht) Der dritte? Es ist der X-te! Immer wenn ein Abschnitt meines Lebens langweilig zu werden drohte, habe ich etwas Neues gemacht.

War der sogenannte „wohlverdiente Ruhestand“ nie eine Option für Sie?
Nein, das war nichts für mich. In Bewegung bleiben, aktiv sein, am Leben teilhaben, das ist meine Devise. Als ein guter Freund mich fragte: „Kannst du dir vorstellen, wieder Lehrer zu sein?“ bekam mein Leben, die seit Jahren gesuchte neue Wendung. Das Universum hatte ein Einsehen und schickte mir die Aufgabe, junge Leute auf dem Weg ins Leben zu begleiten. Von Schülern, Kollegen sowie der Schulleitung mit offenen Armen aufgenommen, waren Hospitation und „Lehrproben“ nur noch Formsache. Im September geht’s los. 53 Jahre nach meinem ersten Job als Sportlehrer in der Textilschule in der Berggasse 4 in Hermannstadt werde ich nun Erdkunde und Ethik an der Privatschule „Charlotte Dietrich“ ebenfalls in Hermannstadt unterrichten. Der Kreis schließt sich, ich kehre zurück zu meinen Wurzeln.

Sie haben in Ihrem Leben verschiedene Berufe ausgeübt. Aber Ihre wahre Leidenschaft ist das Schreiben. Vor allem die Satire hat es Ihnen angetan. Wie kamen Sie dazu?
Wie kommt ein Sportlehrer zur Satire, von der Ball- zur Wortspielerei? Jahrzehntelang vor dem Erscheinen des ersten Buches begann ich zu sammeln, notierte komische Wörter, die ich zusätzlich verballhornte, in Epigramme fasste oder einfach in einen Drei-Wort-Satz packte, den keiner verstand.
Erst spät fand ich die nötige Ruhe und Inspiration, die Kunstfigur „Herr Siegerius“, die alles besser weiß, der aber niemand zuhört, auf den Weg zur Kultfigur zu bringen. Siegerius deckt auf, prangert an, legt sich mit den Großkopfeten, den allzu strengen Behörden und demagogischen Politikern an. Zwei Bände aus der „Weis(s)en Reihe“ sind 2016 und 2019 erschienen und leider von der leitenden Intellektualität, von den Kulturoberen, naserümpfend und spitzlippig aufgenommen worden.
Um dem dritten Band (in Arbeit) das gleiche Schicksal zu ersparen, erschien Herr Siegerius beim Standesamt und bat um Namensänderung. Er wollte fortan Herr Mannstädter heißen, um nun von höchster Stelle autorisiert, die Herrschaften auf die falsche Fährte führen zu können.
Es folgt 2020 „Alte und neue Heimat“, 77 Episoden aus meinem Leben, aberwitzige Situationen und Erlebnisse, die den Leser erheitern, aber gleichzeitig auch zum Nachdenken anregen sollen. Ich habe fünf Kontinente bereist, viel erlebt und so einiges überlebt. Ich war immer neugierig, wissbegierig und vielseitig interessiert. Das Leben darf alles, nur nicht langweilig sein.
„Das kleine ABS der Scherzdichtung“ (Anekdoten, Bonmots, Satiren) ist 2021 erschienen. Der Band will unterhalten. Erklärtes Ziel ist die Erheiterung in Zeiten wie diesen. Dass dieses nicht ohne Ironie, leichtem Spott und Geißelung der allzu beflissenen Bürgerlichkeit einhergeht, ist selbstverständlich. Humor ist wichtig für den Fortbestand der Menschheit. Wenn man lacht, werden Dopamin und Serotonin ausgeschüttet und Stresshormone abgebaut sowie die Immunkraft gestärkt. Das Buch ist also ein wunderbares Mittel gegen alle möglichen Viren, die uns gerade bedrohen.

Was treibt Sie an, und wo kommen all Ihre Ideen her?
Ideen sind wie Blumen, man muss sie wahrnehmen, pflücken und zu einem bunten Strauß binden. Ich gehe mit offenen Augen und Ohren durchs Leben. Ich beobachte meine Mitmenschen, wie sie gehen, wie sie stehen, wie sie sich kleiden. Vor allem aber höre ich, was sie sagen, wie sie es sagen, mehr noch, ich versuche herauszubekommen, was sie meinen: Die Botschaft hinter der Botschaft ist mir wichtig! Besonders gerne sehe ich den vermeintlich „Großen“ und „Gescheiten“ aufs Maul, sie beweisen immer wieder, wie klein sie in Wirklichkeit sind und mit Fleiß in jeden nur gebotenen Fettnapf tappen.

Apropos bunt: Ihre Garderobe lässt darauf schließen, dass Sie ein bunter Hund sind. Bei Lesungen tragen sie oft Hemden mit verschiedenen auffälligen Mustern und in schrillen Farben, dazu getönte Sonnenbrillen. Packen Sie diese Kleider auch in Ihren Koffer, wenn Sie Ihre neue Stelle als Lehrer antreten?
Bunt (wie der Hund) ist das Leben. Meine farbenfrohen Hemden gehören zu mir, sie sind fester Bestandteil meines Auftrittes, sie gehören wie die Gestik und Mimik zum gesprochenen Wort, zum publikumswirksamen Gesamtkunstwerk. Wenn die Zuhörer, Schüler oder Kollegen dann noch schmunzeln, gar lachen, bin ich glücklich.

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?
Den „Monsterkeff“ mit 100 Freunden wie zum 70. Geburtstag wird es nicht geben, obgleich ich die Hardrocker von Led Zeppelin und Deep Purple immer noch gerne laut höre. Diesmal feiern wir eher ruhig: Meine Tochter kommt aus Wien, die Brüder aus Berlin, der Cousin aus München, dazu Freunde, die mich seit dem Kindergarten begleiten, und lokal liebgewonnene Menschen.

Als Geburtstagskind darf man sich etwas wünschen. Was wünschen Sie sich?
Ich möchte mich in Zukunft mehr auf die „Existenzweise des Seins“ (Erich Fromm) konzentrieren. Ich werde versuchen, anzunehmen, zu teilen, zu geben und zu vergeben. Alles „fromme“ Wünsche, ich weiß, allein die Artikulation bringt mich der Umsetzung näher.
Ich wünsche mir Gesundheit und ein erfülltes Leben, Verständigung und engen Austausch mit meinen Brüdern Frank und Lothar sowie mit meiner Tochter Roxana Maria, die in Wien lebt und auf den Spuren ihres Urgroßvaters Anton Maly wandelt. Ferner wünsche ich mir, dass die Großkopfeten Deutschlands und der Welt, Tauben statt Bomben fliegen lassen, dass die Angstmacherei vor dem Killervirus ein Ende nimmt und wir uns wieder auf das Grundverlangen aller Menschen konzentrieren – in Frieden zu leben!

Zur Person: Heinrich Heini

Heinrich Ekkehardt Höchsmann ist mit der Gruppe 47 aus der Taufe gehoben worden. Außer der Hoffnung: „Die Amerikaner kommen“ gab es nach dem Krieg nichts und so wurden die Kinder der Zeit, allesamt „Königskinder“, mit Palukes großgezogen. Geschadet hat es „Klein Heini“ nicht, er wuchs unbeschwert im grünen Gürtel der Hermannstadt, am Rosenfeldgrund und in der Schulerusstraße auf. In der vierten Klasse war er noch bester Schüler, stürzte bis zum Abitur ins Mittelfeld ab, erfreute sich trotzdem des Lebens, verstärkte sämtliche Schulmannschaften und feierte, bis es dem Morgen grauste.
Früh folgt er der genetisch bedingten Affinität zum gesprochenen und geschriebenen Wort und ist bis heute das kommunikative Medium zwischen Karl Valentin und seinem Großvater, dem Schriftsteller Anton Maly, die beide, fünf Meter voneinander, am Planegger Waldfriedhof, in der Münchner Vorstadt, begraben liegen. Die Frage der Rückwanderung treibt ihn schon ein paar Jahre um. Nun ist es so weit: Er ist wieder „Vertriebener“ (ohne Vertriebenenausweis), diesmal aus dem „gelobten Land“.

Schlagwörter: Kultur, Höchsmann, Satire, Hermannstadt

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