3. Dezember 2006

Gerda Herrmann-Wonner - der Herkunft treu und weltoffen

Der Anlass von Herrmann-Wonners Geburtstag verleitet dazu, uns ein übriges Mal in Erinnerung zu rufen, wie viele gesangliche Talente Siebenbürgen hervorgebracht hat: ein ungewöhnlicher, bemerkenswerter, fast sensationeller kulturgeschichtlicher Vorgang, über den man im Rückblick immer wieder ins Staunen und Schwärmen geraten könnte, besonders wenn man bedenkt, dass diese Begabungen, knapp hundert an Zahl, innerhalb eines Jahrhunderts auftraten und ihre ersten oder – wenn sie ihr Wirkungsfeld nicht nach Siebenbürgen selbst verlegten – dauernden Erfolge als Konzert- und Opernsolisten im Ausland auf bedeutenden Bühnen feierten (nachzulesen in Beiträge zur Musikgeschichte der Siebenbürger Sachsen, Band 3, Gehann-Musikverlag Kludenbach 2002).
Zu ihnen gehört auch Gerda Herrmann-Wonner, langjährige Solistin des Detmolder Landestheaters, Professorin an der dortigen Musikhochschule und gastierende Sängerin. Ihr allgemeiner und musikalischer Bildungsgang ist so typisch, dass er hier etwas näher beschrieben werden soll. Als ältere von zwei Töchtern wurde Gerda Wonner am 5. Dezember 1916 in der kleinen siebenbürgischen Gemeinde Marienburg bei Schäßburg geboren. Hier hatte der Vater, Hans Wonner, nach seinem Theologiestudium in Halle und Jena das Amt des evangelischen Dorfpfarrers angetreten. Erste Unterweisung im Klavierspiel erhielt Gerda von ihrer Mutter Johanna, geborener Schuster, einer Mediascherin, die in der Kirche den Orgeldienst versah, ursprünglich Sängerin werden wollte. Gerda wünschte sich, wie sie sagte, „von Kind an ebenfalls Sängerin zu werden und Theater zu spielen“.

W. A. Mozart: Cosi fan tutte, Gerda Herrmann-Wonner singt die Fiordiligi.
W. A. Mozart: Cosi fan tutte, Gerda Herrmann-Wonner singt die Fiordiligi.
Sie wirkte in Singspielen unter der Regie ihrer Mutter mit, trat als Gedichtrezitatorin oder als Solosängerin in der Kirche auf. Nachdem der Vater die Pfarrerstelle in Tobsdorf übernommen hatte, besuchte Gerda das Bürgergymnasium in Mediasch, anschließend das Mädchenlyzeum in Hermannstadt. In Tobsdorf hatte sie Violinunterricht erhalten, in Hermannstadt trat sie des Öfteren in Schülerkonzerten auf. Das Bakkalaureat oder die Matura, wie man damals die Gymnasialabschlussprüfung nannte, legte sie 1934 ab. 1935 begann sie ein Musikstudium an der Musikakademie Klausenburg in zwei Hauptfächern: Musikpädagogik und Gesang. Ihre Gesangslehrerin war die renommierte Lia Pop-Popovici. Mit dem Staatsexamen schloss sie 1939 das Pädagogikstudium ab, die Reifeprüfung in Gesang folgte 1940. Zwischen 1941 und 1942 war sie dann noch Studentin der Opernschule am Konservatorium in Graz, wonach sie die „Bühnenreifeprüfung für die Kunstgattung Oper“ ablegte. Kurze Zeit verkörperte sie als „Elevin“ der Grazer Oper kleinere Rollen in Bühnenwerken von Mozart und Wagner, ging dann aber noch 1942 an das Landestheater nach Detmold, wo sie zuerst als Soubrette, dann als Koloratursopran wirkte. Gleichzeitig gastierte sie an zahlreichen Bühnen Deutschlands.

1960 folgte sie einem Ruf an die Hochschule für Musik Westfalen-Lippe (Nordwestdeutsche Hochschule für Musik Detmold). Dort erhielt sie 1974 den Professorentitel. 1979 wurde sie emeritiert. Verheiratet war sie mit dem Detmolder Konzertmeister, Kammermusiker und Violinpädagogen Heinz Herrmann. Ihre Eltern – der Vater hatte zuletzt das Pfarramt in Nußbach innegehabt – waren der Tochter 1950 in die Bundesrepublik gefolgt. Die Sängerin starb im Alter von 79 Jahren in Detmold.

Gerda Wonners erstes bedeutendes öffentliches Auftreten erfolgte im Rahmen der Studienklasse Pop-Popovici in der Klausenburger Staatsoper. Im Laufe ihrer Karriere in Deutschland trat sie in über 50 Rollen auf. Zu ihren Lieblingspartien gehörten die Susanne, Konstanze, Fiordiligi, Zerline und Königin der Nacht in den Opern Mozarts, Ännchen in Webers „Freischütz“, Violetta und Gilda bei Verdi, Cho-Cho-San in Puccinis „Madame Butterfly“, Rosina in Rossinis „Barbier“, Nedda in „Der Bajazzo“ von Leoncavallo, in den Opern von Richard Strauss sang sie sehr gerne die Sophie („Rosenkavalier) und die Zerbinetta („Ariadne auf Naxos“), aber auch die Adele in der „Fledermaus“ von Johann Strauß oder Partien in anderen Operetten.

Die Sängerin hat immer Verbindung zu siebenbürgisch-sächsischen Künstlern und Organisationen in Deutschland gesucht und gehalten, hat sich bei landsmannschaftlichen Veranstaltungen aktiv eingebracht und selbst Konzerte mit siebenbürgischer Thematik gegeben. Als Beispiele seien genannt die Rundfunkaufnahmen von siebenbürgisch-sächsischen Liedern im WDR Köln 1961 im Duett mit dem siebenbürgischen Tenor Hans Markus (1907-1993), ein vom Süddeutschen Rundfunk 1963 unter dem Titel „Zu Gast auf Schloss Horneck“ mitgeschnittenes Konzert im Zusammenwirken mit Hans Markus und der Pianistin und Chorleiterin Anneliese Barthmes (1915-1998), eine mit „Af deser Ierd, do äs e Land“ betitelte Sendung mit Liedern 1964 im SDR, dazu zahlreiche Liederabende gemeinsam mit der Pianistin Lotte Jekeli (*1927) oder dem Pianisten und Dirigenten Carl Gorvin (1912-1991). Die siebenbürgisch-sächsische Mundart hat Herrmann-Wonner stets gepflegt und hat bei jeder entsprechenden Gelegenheit nur Dialekt gesprochen. Es tat ihr leid, in der Familie nicht „sächsisch“ sprechen zu können.

So bleibt uns das Bild einer ihrem Ursprung treu gebliebenen, weltoffenen und verdienstvollen Künstlerin, die ein regionales Musikleben Deutschlands bereichert und an der Gestaltung des Kulturlebens einer exilierten deutschen Volksgruppe mitgewirkt hat.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2006)

Schlagwörter: Porträt, Musik

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