15. März 2004

Erhard Hügel und Mike Gerst

Die Cripple Creek Band gilt als beste Country-Band in Deutschland, begeistert aber zunehmend auch zahlreiche Pop- und Rockmusikfans. In der fünfköpfigen Band machen zwei Mediascher mit: Mike Gerst (Vocals, Bass) und Erhard Hügel (Vocals, Guitar, Dobro). Helmut Limbeck spielt Fiddle, Mandoline und Gitarre, Bernie Paptistella sitzt am Schlagzeug, Ernest Ray Everett aus Jackson/Mississippi (USA), der Leadsänger, spielt Gitarre und Keyboards. Über ihren musikalischen Werdegang in Siebenbürgen, ihre internationalen Erfolge und die stets vorhandene Liebe zum siebenbürgischen Publikum sprach Siegbert Bruss mit Erhard Hügel (geboren am 9. Juli 1965) und Mike Gerst (geboren am 3. Februar 1958).

Die Zeit in Mediasch mit der Rocky-Band war euer gemeinsamer Höhepunkt in Siebenbürgen. Wie ist die Band entstanden?

Mike: Die Band ist aus Liebe zur Musik entstanden. Wir waren beide als Elektrotechniker berufstätig bei der "Relais"-Fabrik in Mediasch. Parallel dazu spielten wir 1984 in den Bands "Paragraf" und "Rocky".
Erhard: Mit "Rocky" hatten wir einfach sehr viel Spaß. Wir machten vor allem Musik für junge Leute, und sie waren begeistert. Wir traten zuerst nur im 1.-Mai-Saal in Mediasch auf und wählten immer besondere Lieder aus, die wir eben in jener Zeit spielen konnten, durften und toll fanden. Der Administrator des Saals, Herr Cioc, hatte einen guten Riecher bei dieser Band und stellte uns den Übungssaal, den Bus usw. zur Verfügung. Nachher schickte er uns auf Tour und verdiente sich eine goldene Nase. Wir waren damals zu jung, um an Geld oder Geschäfte zu denken.

Spielten nur Siebenbürger Sachsen in der Band mit?

Erhard: Arpi Kovacs, der Schlagzeuger, war ungarischer Abstammung. Der Rest waren Sachsen: Hansi Müller am Akkordeon und Keyboards; Karl-Gerhard Pitters, Gesang, Mike Gerst als Bassist und ich als Gitarrist.

Mike, du hattest schon früher Fernsehauftritte.

Mike: Ja, das war noch in meiner Schulzeit. Ende der siebziger Jahre war die Folkmusik in. Einige Male habe ich sogar beim Cenaclu Flacara mitgemacht. Es war eine schöne Zeit. Es war halt Musik aus Liebe und Spaß. Wir waren zwar erfolgreich, verdienten aber kein Geld.

Heute lebt ihr aber von der Musik. 1991 seid ihr zur Cripple Creek Band gekommen. Wie ist euch der Neuanfang in Deutschland gelungen?

Mike: Eigentlich war es eine traurige Geschichte, weil die Rocky Ende 1990 auseinander ging. Wie man so sagt: "Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis und bricht sich das Bein." Wir waren gerade dabei, die Rocky wieder aufzubauen und hatten schon viele gute Auftritte. Dann gab es einen Streit und wir gingen auseinander. Gleich darauf bewarb sich Erhard bei einer Country-Band und rief mich plötzlich an: "Du, die brauchen auch einen Bassisten." So sind wir dann zur Cripple Creek Band gekommen.

Inwieweit ist die CCB auch eine siebenbürgische Band. Schließlich seid ihr zwei Siebenbürger die Dienstältesten unter den fünf Mitgliedern (oldest running members)?

Erhard: In der Tat gehören nur Mike und ich zur Besetzung, die wir 1991 angetroffen haben. Unser Schlagzeuger starb 1993, die anderen sind gegangen oder mussten die Band verlassen. Die Ambitionen der Band sind aber von Jahr zu Jahr gestiegen. Am Anfang machten wir einfach Musik, nahmen an verschiedenen Countryfestivals teil, und irgendwann 1994 ging es richtig los. Steve Olson, ein guter Musiker aus den Staaten, kam 1993 hinzu und hat das Ganze noch mehr angespornt. Erst dann merkten wir so richtig, was für ein Potential in unserer Band steckt. Wir kündigten unsere Jobs und legten los, wie früher mit der Rocky: aus Liebe zur Musik.

Aber diesmal hauptberuflich.

Erhard: Es ist natürlich nicht einfach hier in Deutschland von der Musik zu leben. Wenn man aber hart daran arbeitet schafft man es . Wir waren sehr diszipliniert und fleißig, und so haben wir von 1994 bis 2001 von der Musik gelebt. Jetzt geht es auch noch, aber die Zeiten sind härter geworden, und wir müssen nebenbei noch ein bisschen Musik unterrichten.

Bruno Theil, der aus Hermannstadt stammende Manager rund um die Country- und Westernmusik, bezeichnet euch als größte Countryband in Deutschland. Trifft diese Aussage zu? Welches waren bislang eure größten Erfolge?

Mike: Es geht ja immer auf und ab in der Musikszene. Einer unserer Höhepunkte war 1996, als wir als erste deutsche Band in der weltbekannten "Grand Ole Opry" und im berühmten "Wild Horse Saloon" in Nashville, dem Mekka der Countrymusik, spielen durften. Elvis Presley durfte in der Grand Ole Opry auch nur einmal auftreten und es ist ein Traum jedes amerikanischen Musikers, mal da auftreten zu dürfen. Auch für uns ging damals ein Traum in Erfüllung. 1998 traten wir in Kasinos in Arizona und in Mescuite bei Las Vegas/Nevada auf, das waren sehr schöne und bedeutende Erlebnisse in den USA. In Deutschland und Europa haben wir in dieser Zeit sehr viele Awards bekommen, die Zeitschrift Country Circle zeichnete uns mehrmals als Musiker des Jahres und als Band des Jahres aus, dazu erhielten wir den begehrten "European Newcomer" Award. Wir erhielten praktisch alle Preise, die es in der Szene zu vergeben gibt. Allerdings ist die Meinung in der deutschen Countryszene noch geteilt: Wir machen englischsprachige Musik und gelten in diesem Bereich als beste Gruppe, als beste deutschsprachige Band gilt hingegen Truck Stop.

Mitte 2004 bringt ihr eine neue CD auf den Markt. Wie ist sie entstanden?

Mike: Das ist eine interessante Geschichte. Wir waren zehn Tage lang in einer Hütte in Österreich, ohne Telefon, Fernsehen oder irgendeine Verbindung zur Außenwelt. Wir haben einfach Songs geschrieben und der Kreativität freien Lauf gelassen. So ist die neue Platte entstanden. Alle fünf Mitglieder der Band sind am Songwriting beteiligt und ich muss sagen, es ist ein sehr gutes Material. Die Musik hat vielleicht nicht mehr so viel mit dem klassischen Country zu tun, es ist eine sehr ehrliche und angenehme Musik, eine Mischung aus Rock, Pop, Blues, und Irish und Country.

Wie reagiert das Publikum auf euren neuen Stil, der nicht nur auf Country ausgerichtet ist, sondern auch Pop- und Rockelemente enthält?

Erhard: Die Traditionalisten wollen nur den alten, klassischen Country à la Johnny Cash hören. Bei den Leuten kommen wir nicht so gut an. Die Anhänger der modernen Countrymusik oder des Country Rock wie z.B. Eagles (Hotel California) oder Lynyrd Skynyrd (Sweet Home Alabama) sind meist jüngere Leute und sehr offen für unsere Musik. Zusätzlich gibt es noch viele Fans der Rock- und Pop-Musik, die auf unsere Band stehen. Manche denken, wenn sie uns zum ersten Mal mit einem Cowboyhut auf der Bühne sehen, das sei "Cowboy- oder Lagerfeuer-Musik", Whiskey und Bier. Alles verkehrt, unsere Musik hat nichts damit zu tun.
Mike: Es hat sich immer wieder herausgestellt: Wenn wir zum Beispiel auf der Cebit oder beim Tennisturnier "Gerry Weber" spielen, bleiben viele unvoreingenommene Leute stehen und finden sich spontan zur Party ein. Sie fragen nicht, welcher Musikrichtung wir angehören, sondern finden unsere Musik einfach gut. Wenn wir ihnen sagen, das sei moderne Countrymusik, wollen sie das gar nicht glauben. Für sie sind nur Truck Stop und Tom Astor Countrykünstler, weil in den hiesigen Medien fast nur deutschsprachige Countrymusik zu hören ist.

Besteht also eine Chance, dass ihr vom breiten Pop- und Rockpublikum stärker wahrgenommen werdet?

Mike: Wir hoffen, dass wir national und international dort mehr Erfolg haben werden als in der deutschen Countryszene. Wir werden es mit der neuen Platte auch probieren und alles daran setzten.

Im Sommer 1996 war die Band erstmals auf Tour in Rumänien, gab dort 19 Konzerte in nur sieben Tagen. Wie kommt eure Musik in Rumänien an?

Erhard: Kurz nach Nashville waren wir das erste Mal in Siebenbürgen. Wir hatten durchschlagenden Erfolg, wenigstens von der Medienpräsenz her. "Doi electricieni din Romania au ajuns sa faca muzica country in Germania" (Zwei Elektriker aus Rumänien machen nun Countrymusik in Deutschland), hieß es in den Abendnachrichten des Fernsehsenders ProTV.
Mike: Wir wurden als Erfolgsmodell unter dem Motto "Cum se pot castiga bani in Germania" (Wie man in Deutschland Geld verdienen kann) präsentiert.
Erhard: Wir hatten sehr viele Radio- und TV-Auftritte und erreichten mit dem Lied "Let's Talk About Women" den ersten Platz in den Hits von Mediasch. Steve Olson war so begeistert, dass er sagte, wir hätten den Number 1 Hit in Rumänien. Für ihn bedeutet Mediasch so viel wie Rumänien. Diese Nachricht ist bis in die Staaten vorgedrungen. Dort hatten wir ein Interview mit dem Sender WSM, der 20 Millionen Amerikaner erreicht. Es war schon sehr verrückt.
Mike: Beim Wort "Rumänien" waren die meisten Amerikaner verlegen, weil sie nicht wussten, wo das Land genau liegt. Aber als wir "Transylvania" sagten, wussten sie Bescheid: Das ist da, wo Dracula herkommt.

Wollt ihr die Kontakte zu Rumänien ausbauen?

Erhard: Die Leute sind meistens von den Songs begeistert und wir würden gerne unsere Musik in Rumänien veröffentlichen und spielen. Die Plattenfirmen sahen zu jenem Zeitpunkt 1996 jedoch keine Möglichkeit, unsere Musik zu vermarkten. Die Prioritäten wurden damals anderswo gesetzt. Man wollte eher in rumänischer Sprache gesungene Songs. Vielleicht hat sich ja das schon geändert. Wir geben nicht auf und suchen zurzeit eine Agentur oder jemanden, der uns in dieser Angelegenheit hilft. Sollte sich durch dieses Interview eine SERIÖSE AGENTUR angesprochen fühlen, würden wir uns sehr freuen. Unter Telefon (0 91 51) 9 59 66 kann man Kontakt zu uns aufnehmen.

1999 seid ihr beim Heimattag in Dinkelsbühl aufgetreten. Wie war dieser erste Kontakt der Cripple Creek Band zum siebenbürgischen Publikum? Sind weitere Auftritte geplant?

Erhard: Es war ein wunderbarer Freitag beim Pfingsttreffen in Dinkelsbühl. Wir haben uns alle köstlich amüsiert. Es hat sehr vielen Leuten gefallen, obwohl manche nicht so recht wussten, ob sie lachen oder weinen sollen. Dass hatte ja mit Top-40-Musik, Schlager und Polka ja überhaupt nichts zu tun! Einige hatten ein Problem mit dem modernen Linedance , (manche kennen so eine Art von Tanz aus dem Film "Coyote Ugly") und wussten nicht, dass man auf unsere Musik auch ganz normalen Fox tanzen kann. Gerne bieten wir auch weitere Konzertabende für das siebenbürgische Publikum. Wir fühlen uns unseren Landsleuten sehr stark verbunden. Siebenbürgische Veranstalter können sich gerne bei uns telefonisch melden. Wer mehr über uns erfahren möchte, kann im Internet unter www.ccb.tc reinschauen.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

Schlagwörter: Interview, Musik

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