1. März 2004

Christoph Promberger

Weltbekanntes Wolfsprojekt endet nach 10-jähriger Forschung.
Obwohl die rumänischen Karpaten weniger als 1,5 Prozent der europäischen Landesfläche westlich von Russland ausmachen, lebt in diesen Bergen ein Drittel der Großraubtiere. Offizielle Schätzungen nennen etwa 5 000 Braunbären, ferner 3 000 Wölfe, rund 1 500 Luchse. Nirgendwo sonst auf dem alten Kontinent trifft man auf eine derart hohe Dichte dieser faszinierenden Großräuber. Eben dies faszinierte auch den Münchener Wildbiologen Christoph Promberger, der gemeinsam mit einem rumänischen Fachkollegen vor zehn Jahren das mittlerweile weltbekannte Projekt zum Schutz dieser Tiere rund um den Königstein mit dem Hauptsitz in Zernen startete: Das "Carpathian Large Carnivore Project" (CLCP) hat nun nach Ende seiner Laufzeit viele seiner ursprünglich angedachten bzw. neu formulierten Ansätze realisiert. Darüber sprach unser Hermannstädter Mitarbeiter Martin Ohnweiler mit dem Projektleiter Christoph Promberger.

Am Jahresende ist Ihr vor genau zehn Jahren initiiertes Projekt zum Schutz der so genannten Großräuber in den rumänischen Karpaten ausgelaufen. Haben Sie dabei die ursprünglich gesetzten Ziele erreicht?

Unsere Ziele wurden im Laufe der Jahre eigentlich immer wieder neu formuliert, stets abgeändert. Denn wir haben ja anfangs nicht gewusst, was uns hier erwartet, niemand konnte die Entwicklung im Land voraussagen. Und zudem: Unser Projekt war eingangs mehr ein Forschungsprojekt, also auf Wölfe konzentriert und konzipiert mit einem sehr viel stärkeren rein wildbiologischen Ansatz. Natürlich hatten wir schon damals die Vision, unsere Forschung auf das ganze Ökosystem auszudehnen, aber die wirkliche Herausforderung im Bereich Naturschutz war uns so dennoch nicht bewusst. Nun, aus der Rückschau betrachtet, würde ich sagen: Wir haben mehr erreicht, als jeder anfangs erwartet hatte. Wir können sehr zufrieden sein. Es war zwar nicht einfach, jedoch insgesamt, denke ich, haben wir in diesem großen Raum und mit sehr vielen Menschen, die da mit gewirkt haben, etwas geschaffen, das einen bedeutenden Einfluss weit über die Landes- und Kreisgrenzen hinaus hat.

Hatten Sie die Großraubtiere insgesamt damals schon im Visier?

Nicht am Anfang. 1993 waren es lediglich die Wölfe. Erst 1996 haben wir unser Projekt auf die Bären und 1998 dann auch auf die Luchse ausgeweitet. Ursprünglich war es, wie gesagt, ein reines Wolfsprojekt. Und dabei wollten wir zunächst so viel wie nur möglich über das Leben der Wölfe erfahren. Anders gesagt: Diese Tiere einfangen, besenden, danach verfolgen und beobachten mit dem Forschungszweck, ihr Zusammenleben mit den Beutetieren zu eruieren.

Traten Überraschungen auf?

Zunächst haben wir sehr bald gemerkt, dass hier, in Rumänien, alles anders läuft, als wir das aus dem Westen gewohnt waren. Wir mussten sehr viel lernen, Lehrgeld dafür bezahlen. Das begann schon mit dem Fang der Wölfe. In Kanada oder Skandinavien beispielsweise wird Ähnliches größtenteils mit dem Hubschrauber bewältigt, hier ist das nicht möglich. So war es denn auch eine mühsame Arbeit, in den Bergen herumzulaufen und abgelegene Gebiete zu finden, wo die Schäferhunde mitunter nicht ständig in die Fallen gehen. Auch dauerte es mehrere Monate, bis wir den ersten Wolf fangen und besenden konnten. Aber nach und nach hatten wir dann einige dieser Tiere gefangen und mithin erste Erfahrungen gesammelt. Schließlich dachten auch wir zunächst, dass sich die Wölfe dorthin zurück ziehen, wo es große Wälder, aber kaum Menschen gibt. Bald jedoch stellten wir fest und waren völlig überrascht zu sehen, dass die Wölfe sich mindestens genauso in den Gebieten aufhalten, wo Menschen sehr aktiv sind. Wir hatten nämlich Wölfe am Sender, die mitten in Schafherden auf den Weiden lebten, oder andere, die gar bis nach Kronstadt hinein gelaufen sind. Das war dann für uns der erste große Augenöffner für ein System, in dem sich Wolf und Mensch überlappen und dabei ganz gut gelernt haben, miteinander zurecht zu kommen.

Wohl aber mehr der Wolf als der Mensch.

Durchaus auch der Mensch, weil es, aus unserer Sicht, völlig unvorstellbar war, dass Wölfe im morgendlichen Berufsverkehr durch die Straßen von Kronstadt spazieren, ohne dabei Panik unter den Menschen zu verursachen. Das wäre bei uns übrigens d a s Thema für Zeitungen und Nachrichtensendungen gewesen. Hier hingegen haben die Medien darauf ganz gelassen reagiert und das Ereignis anfangs auch gar nicht registriert mit der Begründung: Ja, ganz nett, aber ist etwas passiert, ist jemand aufgefressen worden? Daher ist es wohl so, dass sich auch die Leute sehr gut mit den Wölfen arrangierten.

Was bleibt nun nach Abschluss Ihres Projekts für die Stadt Zernesti?

Zernen ist ja rumänienweit bekannt für seine desolate ökonomische Situation. Und ich denke, wir haben mit unserem Projekt hier gezeigt, dass man aus so einer Situation durchaus etwas machen kann. Es ist ja mittlerweile ein sehr florierendes Ökotourismusprogramm entstanden mit einer Reihe von Pensionen, Fremdenführern, einem Handwerksladen, einem Fahrradverleih, einem Reitzentrum u.a.m. Das ist also eine ganze Palette von Dienstleistungen mit derzeit insgesamt 150 Arbeitskräften. Das bleibt. Bestehen bleibt auch der von uns gegründete Naturschutzfonds mit einer permanenten Finanzierung für weitere Maßnahmen in diesem Bereich und, zum Dritten, wird das für hier konzipierte Informationszentrum die Stadt Zarnesti letztendlich zur europäischen Hauptstadt für Großraubtiere etablieren.

Ab wann?

Das sollte noch am Jahresende 2003/04 der Fall sein. Es kam aber nicht mehr dazu. Dafür aber wurde diesem Projekt das gesamte Areal des ehemaligen Schießübungsplatzes jüngst zugesprochen. Wir können somit den Bau des Infozentrums starten.

Und was bleibt davon für den Nationalpark Königstein?

Für den Königstein selbst konnten wir durch unser Projekt zumindest eine große Gefahr abwenden. Es war ja geplant, unweit von hier einen riesigen Steinbruch einzurichten. Das haben wir verhindert. Damit ist die Zukunft des Parks vorläufig gesichert.

Bloß Sie bleiben nun nicht mehr. Wie soll es hier weitergehen?

Ein Projekt muss immer einen Anfang und ein Ende haben, denn wenn es auf unbestimmte Zeit so ewig weitergeht, ist es kein gutes Projekt. Irgendwann stirbt ja auch der Projektleiter, und dann ist es ohnehin vorbei. Das Wichtigste an solch einem Vorhaben aber ist, dass man Strukturen schafft, die Bestand haben. Und solche haben wir erzielt im Bereich Tourismus wie Naturschutz. Zudem wurde auch die weitere Finanzierung für diese Strukturen gesichert. Daher glaube ich, dass dies Projekt nun eigenständig weiterlaufen kann. Es liegt natürlich jetzt in den Händen der Leute, es auch fortzuführen. Wenn sie nichts machen, wird es selbstredend wieder Schwierigkeiten geben. Sie haben jedoch die Chance und die Möglichkeit bekommen, sich ökonomisch zu entwickeln. Das sollten sie nutzen.

Herr Promberger, wir danken für das Gespräch.

Link: Link: Carpathian Large Carnivore Project (CLCP)

Schlagwörter: Interview, Wissenschaft

Bewerten:

11 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.