1. Juli 2003

Leonhard Westermayr

Geboren 1976 in München, erhielt der heute international gefeierte Künstler ab seinem 7. Lebensjahr Klavierunterricht im Münchener Musikseminar bei Hermine und Walter Krafft. Seit seinem Debüt mit 11 Jahren im Münchner Herkulessaal gab er bisher über 1000 Konzerte in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz, Spanien, Ungarn, Südafrika, Namibia oder Brasilien. In dem folgenden Gespräch mit Robert Sonnleitner äußert sich Leonhard Westermayr über sein Verhältnis zur Kritik, schildert seinen Weg zur Musik und gibt preis, wovon er träumt. Selbstverständlich ist auch Carl Filtsch ein Thema.

Obschon in München geboren, werden Sie in den Medien als Musikbotschafter zwischen Ost und West und als musikalische Brücke zwischen Deutschland und Rumänien bezeichnet. Wieso eigentlich?

Mein Klavierlehrer Walter Krafft ist Siebenbürger Sachse und pflegt viele Kontakte, vor allem zu den zahlreichen Orchestern in Siebenbürgen/Rumänien. Er lädt zudem jährlich eines dieser Orchester zu einem großen Konzert in München ein, in dem ich sehr oft als Solist mitwirkte. Insgesamt war ich sicher schon an die 30 Mal in Rumänien und habe das Land ganz gut kennen gelernt, habe mit fast allen siebenbürgischen Orchestern gespielt und mir in Rumänien einen Namen gemacht.
So kam es, dass ich vor einigen Jahren im Rahmen der bayerischen Kulturtage in Hermannstadt dazu eingeladen wurde, im Beisein des bayerischen Kultusministers Zehetmair das Eröffnungskonzert zusammen mit der Hermannstädter Philharmonie zu gestalten. Seither haben meine Konzertreisen nach Rumänien vielleicht einen etwas offizielleren Anstrich und einige Zeitungen haben mich als "Musikbotschafter zwischen Ost und West" bezeichnet. Ich denke, dass dieses Attribut eher Herrn Krafft gebührt, der all diese Dinge initiiert und organisiert hat und somit bedeutende Arbeit für die Annäherung zwischen Rumänien und Bayern geleistet hat.

Die "Süddeutsche Zeitung" hat Sie als einen neuen "Stern am deutschen Klavierhimmel" bezeichnet. Eine andere Zeitung titelte: "Leonhard Westermayr - Ein ganz großer Tastenmeister". Wie bewerten Sie solche Schlagzeilen?

Es freut mich auf jeden Fall, in der Öffentlichkeit anerkannt zu werden und es ist auch eine ganz gute Werbung, eine positive Kritik vorweisen zu können. Auf der anderen Seite gebe ich nicht allzu viel auf die Meinung der Kritiker, weil diese sehr schwankt und nicht immer von professionellem Musikverständnis gesegnet ist.
Ich habe in Kritiken (und nicht nur in solchen, die mich betreffen) schon viel zu viel Unsinn gelesen, als dass ich sie noch allzu ernst nehmen könnte. Ich meine damit nicht bloß negative Dinge, die über einen geschrieben werden und die einen ärgern könnten, sondern vor allem nicht fundierte Lobhudeleien, die man viel öfters findet. Wenn man aber doch einmal einen Kritiker erwischt, der sich auskennt und interessante Dinge schreibt, liest man die gerne.

Woher rührt Ihre Liebe zur Musik?

Meine Eltern haben beide musiziert und Orgel bzw. Klavier gelernt, allerdings nur zum Spaß. Daher war es selbstverständlich, dass meine Schwester und ich ein Instrument lernen sollten und da schon ein schöner Flügel im Haus stand, war die Wahl getroffen. Ich bin mit Musik aufgewachsen, weil meine Eltern immer Musik gehört haben. Meine Mutter erzählt, dass ich als Dreijähriger vom Garten ins Haus lief, wenn sie Schubert-Lieder hörte. Das Klavierspielen hat mir auch von Anfang an Spaß gemacht, man musste mich nie dazu drängen.

Kamen die Anstöße, diesen musikalischen Weg zu beschreiten, aus dem eigenen Inneren oder vielmehr seitens der Eltern, Lehrer, Vorbilder?

Sowohl als auch: Sehr wichtig war auf jeden Fall die Schülergemeinschaft bei Herrn Krafft, meinem Lehrer, in der man ständig sehr viele gute Pianisten gehört hat. Das hat mich immer angespornt, einmal genauso gut spielen zu können wie die großen, älteren Schüler. Daneben habe ich auch viele Aufnahmen von berühmten Künstlern angehört, die in mir den Wunsch weckten, deren Niveau zu erreichen. So bildete sich mein Ehrgeiz heraus und da ich gottseidank auch das nötige Talent mitbekommen habe, entschied ich mich mit 14 Jahren, die Pianisten-Laufbahn zu versuchen, d.h. in den darauf folgenden Jahren regelmäßig und viel zu üben. Die Zeit zwischen 14 und 18 ist die wichtigste, da man in dieser Zeit Dinge lernt, die man später nicht mehr lernen kann. Die Entscheidung, Pianist werden zu wollen, besteht zuerst einmal darin, sich zum konsequenten Üben durchzuringen. Dann kamen auch die Konzerte, die mir Herr Krafft organisierte und ich entdeckte den Reiz, auf der Bühne zu stehen und mein Können zu präsentieren. Ich habe damals nicht so genau darüber nachgedacht, was es bedeutet, Konzertpianist zu sein, ich ließ mich eher treiben und habe geschaut, was passiert.

Was bedeutet Musik Ihnen persönlich?

Musik ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens, ich könnte sicher nicht ohne sie leben. Es ist einfach eine Sprache und Ausdrucksmöglichkeit, die ich intuitiv verstehe und sprechen kann.

Welche Art von Musik spielen Sie?

Ich versuche, ein sehr breit gefächertes Repertoire zu beherrschen, das von Bach bis zur Moderne reicht. Als junger Pianist spiele ich natürlich vor allem die romantischen Komponisten wie Chopin, Liszt oder Schumann sehr gerne, weil diese erstens pianistisch viel zu bieten haben und außerdem am meisten meiner Gefühlswelt entsprechen. Natürlich schätze und liebe ich auch Bach, Mozart oder Beethoven und habe immer einige von ihren Werken in meinen Konzertprogrammen. Ich habe mich auch ein wenig mit Jazz beschäftigt, was ich hin und wieder in Konzerten anbringen kann, aber eigentlich bin ich klassischer Pianist, der auf professioneller Ebene hauptsächlich Klassik spielt. Das mit dem Jazz ist eher eine Freizeitbeschäftigung. Außerdem beschäftige ich mich sehr viel mit moderner U-Musik, bis vor einem halben Jahr war ich Keyboarder in einer Rockband, für die ich auch Songs geschrieben habe und zur Zeit komponiere ich elektronische Musik am Computer.

Die Musik wird oder ist schon "Beruf" geworden. Hatten Sie vorher andere Berufswünsche?

Ich habe mir als Kind über meine Zukunft eigentlich recht wenig Gedanken gemacht und später, ab etwa 14 Jahren, war dann klar, dass ich Musiker werden wollte.

Wie wichtig ist das Instrument?

Das Klavier ist das Instrument, auf dem ich mich am besten ausdrücken kann, erstens weil ich kein anderes gelernt habe und zweitens weil kein anderes Instrument mir die Möglichkeit bietet, in virtuoser und klanggewaltiger Form mehrstimmige Stücke zu spielen und somit z.B. die Komplexität eines Orchesters nachzuahmen. Die meisten anderen Instrumente können nur einstimmige Stücke realisieren und brauchen so immer ein Begleitinstrument, welches die Harmonien spielt. Am Klavier kann ich das alleine.

Hat bei Ihrer Ausbildung die Improvisation eine Rolle gespielt?

Mein Lehrer hat mich immer wieder aufgefordert, zu improvisieren, weil es in früheren Jahrhunderten einfach zu einem guten Musiker dazugehörte. Ich hatte auch als Kind immer mehr Lust, am Klavier zu improvisieren als konzentriert irgendein Stück zu üben. Ich machte dies aber mehr für mich und führte es nicht anderen Leuten vor. Allerdings formte ich aus meinen besten Einfällen kleine Kompositionen, die ich dann öffentlich vorgespielt habe.

Wie wichtig sind Wettbewerbe für Sie persönlich?

Ich habe bei einem einzigen Wettbewerb teilgenommen, nämlich 1997 in Ancona/Italien, den ich auch gewonnen habe. Sonst hatte ich nie das Bedürfnis, mich diesem Stress auszusetzen, weil meiner Meinung nach die Musik nicht nach rein objektiven Maßstäben messbar ist und so das Resultat eines Wettbewerbes Gefahr läuft, ungerecht zu sein. Musik ist kein Sport.

Der von den in Deutschland lebenden siebenbürgisch-sächsischen Musikpädagogen Peter Szaunig und Walter Krafft angeregte "Carl Filtsch"-Klavier- und Kompositions-Wettbewerb für junge Künstler findet alljährlich in Hermannstadt statt. Sie sind der Webmaster von www.filtsch-competition.de, der offiziellen Homepage dieses Wettbewerbs. Wie kam es dazu?

Seit einigen Jahren sind Computer mein großes Hobby und nachdem meine frühere Rockband eine Website haben wollte, bot ich mich an, es zu versuchen. Die Internetpräsenz dieser Band "Averell" (www.planet-averell.de) wurde somit meine erste Website. Ich habe dabei viel gelernt und konnte so auch die Gestaltung der Website des Filtsch-Wettbewerbes übernehmen.

Wen möchten Sie mit diesen Webseiten erreichen?

Hauptsächlich potenzielle Kandidaten, die sich über die Wettbewerbsregeln und Teilnahmebedingungen informieren wollen. Interessenten können sich dann ein Teilnahmeformular herunterladen, das sie ausfüllen und an den Veranstalter schicken können.

Bitte stellen Sie uns Ihre Filtsch-CD-Produktion kurz vor. Ist diese Audio-CD noch erhältlich?

Ja, natürlich. Man kann sie entweder bei meinen Konzerten oder über das Münchener Musikseminar, Telefon: (0 89) 26 71 63 erwerben. Auf dieser CD befinden sich sechs Kompositionen von Carl Filtsch, zusammen mit einigen Werken seiner Lehrer und Mentoren Chopin, Liszt und Thalberg. Es stellt die weltweit erste Aufnahme der Werke von Filtsch dar, abgesehen von einzelnen Aufnahmen der Mazurka, die es schon vorher gab.

Ist das siebenbürgische Wunderkind Carl Filtsch über diesen Wettbewerb und die CD auch europaweit unterdessen bekannter geworden?

Ich denke schon. Die Teilnehmer des Wettbewerbs kommen zwar hauptsächlich aus Osteuropa, aber durch meine Konzerte, in denen ich oft Werke von Filtsch spiele, habe ich seinen Namen auch in andere Teile der Erde getragen, z. B. nach Brasilien und Argentinien. Ein Professor des Tschaikowsky Konservatoriums in Moskau hat, nachdem er in einem meiner Konzerte in Moskau zwei Kompositionen von Filtsch hörte, die Stücke von Filtsch sogar in das Pflichtprogramm seiner Studenten eingefügt.

Was halten Sie von den Kompositionen von Carl Filtsch?

Die Kompositionen von Filtsch sind absolut außergewöhnlich - und das nicht bloß, wenn man an das Alter denkt, in dem sie geschrieben wurden. Seine Werke haben einen absoluten Wert, der sich einem auch erschließt, wenn man nicht weiß, wer Carl Filtsch war und wie jung er gestorben ist. Er war ein einmaliges Genie, das vielleicht einer der größten Musikschöpfer geworden wäre, wenn er länger gelebt hätte. Ein Vorbild im engeren Sinne ist er aber nicht für mich, da es schwierig ist, sich mit einem Kind zu identifizieren, wenn man selbst keines mehr ist - noch dazu, wenn man aus einer ganz anderen Zeit stammt. Selbstverständlich aber bewundere ich sein Talent und sehe es als Ehre an, seine Werke spielen zu dürfen.

Bleibt neben den vielen Auftritten im In- und Ausland eigentlich noch Zeit für ein Privatleben?

Auf jeden Fall. Es ist auch nicht so, dass ich andauernd unterwegs bin, es läuft vielmehr in Perioden ab, so dass es wieder Wochen oder Monate gibt, in denen ich sehr wenige Auftritte habe und meistens zu Hause bin.
Wie ich schon gesagt habe, sind Computer mein großes Hobby, vor allen Dingen die elektronische Klangerzeugung und Musikproduktion. Ich lese sehr gerne, lerne Sprachen, reise gerne, d.h. wenn ich irgendwo ein Konzert habe, schaue ich mir immer genau die Gegend an. Daneben treibe ich gerne Sport, vor allem Mountainbiking und Bergsteigen. Ich gehe auch gerne aus und treffe mich mit Freunden, ich liebe Gesellschaft.

Wie sehen Sie Ihre weitere Entwicklung?

Mein Traum wäre es, Musikproduzent zu werden, d.h. meine Ideen und Lieder verkaufen zu können, vielleicht auch wieder eine eigene Band zu haben und mich mehr dem kreativen Prozess zu widmen. Auf dem Gebiet der klassischen Musik sehe ich dazu wenig Chancen, aber im weiten Feld der Unterhaltungsmusik gibt es viele Möglichkeiten, als Arrangeur, Komponist oder Produzent tätig zu sein. Ich werde aber immer auch als Konzertpianist auftreten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Musik

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