15. April 2003

Ingrid Gündisch

Keine 18, lassen nichts anbrennen, cooles Outfit und Trash-Sprüche verschärft. Die Yard-Girls, eine abgekochte Girl-Gang, zieht durchs Londoner Milieu. Szene heißt Fun, viel Adrenalin, heißt Drogen, Sex und Gewalt. Die Straße macht kaputt. Boo, die Blondine mit Piercings an Lippen und Nase, geht für zwei Jahre in den Knast. Marie wird schwanger. Deanne geht "hops". Was sie suchten? - Ihre Identität.

Das Stück "Yard Girl" beruht auf genauen Milieu-Recherchen der 31-jährigen Autorin Rebecca Prichard.
Anfang Februar in Köln in Szene gesetzt hat das Sozialdrama die 26-jährige Regisseurin Ingrid Gündisch, Tochter der bekannten siebenbürgischen Buchautorin Karin Gündisch. Ihr Regiedebüt am Kölner West-End-Theater. Die Presse spendete ersten Lorbeer. "Eine sehenswerte Inszenierung", fand der General-Anzeiger Bonn: "Ganz behutsam erzählt die junge Regisseurin Ingrid Gündisch von der emotionalen Annäherung der Mädchen". Die Kölnische Rundschau berichtet über ein "Theaterereignis" mit "starkem Premierenbeifall" und fügt hinzu: "Ingrid Gündisch und ihre Schauspielerinnen zaubern Leben in die konventionell gezimmerte Ästhetik der Vorlage".

Wie ihre international renommierte Mutter hat sich Ingrid Gündisch für die künstlerische Arbeit entschieden. Gleichwohl gilt: Ingrid ist keine "Tochter von". Den Dialog freilich sucht und pflegt sie regelmäßig: "Mit meiner Mutter spreche ich sehr viel über meine Arbeit, über ihre Arbeit, weil wir neugierig sind auf das, was die andere macht und weil uns die gemeinsamen Gespräche beflügeln." Beide Elternteile stammen aus Heltau, Tochter Ingrid kam in Bukarest zur Welt (siehe BioGrafie). Zwar lebt sie seit 18 Jahren in Deutschland, zurzeit (noch ledig) in Köln. Ihre siebenbürgischen Wurzeln sind aber nach wie vor unverkennbar ("Ich rolle das 'r' noch immer. Und alle fragen mich: Von wo kommst du?").

Ingrid Gündisch zeigte sich früh schon (ob genetisch belastet?) sprachlich versiert. Dreimal war sie Preisträgerin des deutschen Jugendschreibwettbewerbs "Treffen Junger Autoren", ehe sie für zwei Jahre Jurymitglied wurde und ihrerseits Schreibwerkstätten anbot. Außerdem veröffentlichte sie bereits in Anthologien und Zeitschriften. Als Anerkennung für ihre kulturelle Arbeit erhielt Ingrid Gündisch das Friederike Brion Stipendium der "Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung, Basel". Ihre Musikalität konnte Ingrid am Klavier, beim Gesangsunterricht und im Freiburger Bachchor ausleben.

Lässt sich ihre Regiearbeit einer bestimmten Schule zuordnen? Ausweichende Antwort ("Wahrscheinlich ist das die Aufgabe der Kritiker."). Fremde Inszenierungen, die sie inspirieren, natürlich gibt es die. Doch sie eifert keinem Regisseur bewusst nach. Übrigens inszenierte die Jungregisseurin vor dem "Yard Girl" in Köln bereits 2001 am Studiotheater Berlin die "Belgrader Trilogie" von Biljana Srbljanovic und im Jahr darauf "Hautnah" von Patrick Marber. In der nächsten Spielzeit will Ingrid Gündisch ein weiteres Stück für das Schauspiel Köln inszenieren. Welches, steht noch in den Sternen. Nicht so ihre nächste Reise nach Siebenbürgen. Schon diesen Sommer begleitet sie ihre Bühnenbildnerin Julia Hansen dorthin. Deren Großmutter kommt nämlich von dort. Die Welt ist klein. "Und natürlich", lässt uns die aufstrebende Künstlerin wissen, "werden wir auch einige Zeit in Michelsberg verbringen, wo wir ein Bauernhaus haben, und in Bukarest, wo Freunde von mir wohnen."

Ingrid Gündisch - BioGrafie

Geboren am 16. März 1977 in Bukarest - ausgesiedelt 1984 - lebt nahe Freiburg - Abitur - hospitiert ein Jahr am Schauspiel und an der Oper Basel - Praktikum im Malersaal des Theater Basel - studiert Regie (ihre Lehrer u. a. Peter Zadek und Thomas Ostermeier) an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch Berlin" (2002 Diplom als Schauspielregisseurin) - parallel zum Regiestudium als Regieassistentin und Abendspielleiterin von George Tabori und Manfred Karge am Berliner Ensemble tätig, auch als Schauspieldozentin an der Universität der Künste und an der "Ernst Busch Berlin" - seit 2002 Regisseurin und Regieassistentin am Schauspiel Köln - inszeniert im Februar 2003 "Yard Girl" von Rebecca Prichard im West-End-Theater des Schauspiel Köln.

Christian Schoger

Link: Homepage: Ingrid Gündisch

Schlagwörter: Porträt, Jugend

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